| Interview

Marike Steinacker: „Ich habe Großes vor!“

Diskuswerferin Marike Steinacker (TSV Bayer 04 Leverkusen) ist mit Platz acht der Olympischen Spiele im vergangenen Jahr international durchgestartet. Jetzt tritt die 30-Jährige in ihrem Studium zur Design-Ingenieurin für Mode kürzer und konzentriert sich nochmal ganz auf den Sport. Die WM-Norm hat sie zuletzt geknackt, nun gilt es, bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin (25./26. Juni) das Ticket nach Eugene zu sichern.
pm/chg

Seit dem vergangenen Wochenende haben Sie die WM-Norm und mit 64,55 Metern zudem eine neue PB in der Tasche. Wie geht es Ihnen?

Marike Steinacker:
Es geht mir gut. Der Norm-Druck ist von mir abgefallen, das ist schön. Ich weiß aber auch, dass ich eigentlich noch nichts geschafft habe. Bei den Deutschen muss ich nochmal performen, um das Ticket zu sichern. Und das wollen die anderen auch. Da werde ich mich nochmal extrem anstrengen müssen.

Die drei deutschen WM-Startplätze sind im Diskuswurf der Frauen traditionell hart umkämpft. Aktuell haben vier Athletinnen die WM-Norm geknackt, weitere drei die EM-Norm. Wie sehen Sie Ihre Chancen?

Marike Steinacker:
Auf jeden Fall gut. Ich habe Großes vor, alles andere wäre gelogen. Ich will meinen WM-Start fest machen. Ich bin aber froh, dass ich die WM-Norm in Schönebeck gepackt habe. Bis jetzt waren wir ja auf Wurfwiesen unterwegs. Im Stadion ist es schwieriger. Wenn man die Norm bis jetzt nicht geschafft hat, glaube ich nicht, dass man dann im geschlossenen Olympiastadion in Berlin einen auspacken kann.

Sie sagen, dass Sie in Drucksituationen auf Ihre Kopfstärke vertrauen. Richtig?  

Marike Steinacker:
Ja. Ich weiß einfach, dass ich gut werfe, wenn es drauf ankommt. Das war ja im Prinzip auch in Schönebeck schon so. Das war meine letzte Chance auf einer guten Wurfwiese. In den Wochen vorher hatte ich ein paar körperliche Probleme, ich habe mein linkes Bein nicht mehr so richtig schön aufgedreht bekommen. Das hatte ich aus dem Trainingslager mitgebracht. Da habe ich sehr viel geworfen und dabei haben sich ein paar Strukturen so verfestigt, dass es mir nicht möglich war, richtig Dampf nach vorn zu machen. Vor Schönebeck war ich nochmal beim Chiropraktiker, da haben wir das zum Glück wieder hinbekommen. Jetzt komme ich wieder richtig rein in den Ring und bin optimistisch für alles Weitere.

Woher kommt diese Kopfstärke?

Marike Steinacker:
Es hat halt jeder so seine Stärken. Andere sind total kräftig, das kann ich von mir nicht behaupten. Dafür bin ich eben richtig gut bei dieser mentalen Sache. Ich bereite mich im Training gefühlt jeden Tag darauf vor, allerdings mache ich das ziemlich intuitiv. Damit komme ich gut klar.

Mit 30 Jahren eine persönliche Bestleistung – woher nehmen Sie das Potenzial?

Marike Steinacker:
Das kommt, weil ich früher nicht so viel gemacht habe. Ich war einmal am Tag beim Training und hatte den Fokus auf dem Studium. Jetzt merke ich, dass alles immer besser zusammenläuft, meine Technik wird immer besser, ich treffe mich, ich werde stärker. Die Olympiateilnahme im vergangenen Jahr, das war ja meine erste große internationale Meisterschaft, hat mich sehr motiviert. Ich investiere jetzt mehr Zeit in den Sport, meine Bachelor-Arbeit muss grade warten. Ich will meine Sportkarriere nochmal pushen, jetzt kann ich noch viel erreichen – und das Studium läuft nicht weg.

Sie sind also eher eine Spätstarterin.

Marike Steinacker:
Ja, ich fühle mich auch nicht wie ein altes Eisen. Ich habe ja gefühlt noch gar nichts erlebt. Gefühlt bin ich noch ein Jungspund, der gerade anfängt, erfolgreich zu werden.

Werferinnen haben es in der Regel schwerer als Sprinterinnen oder Weitspringerinnen, groß rauszukommen. Nervt das?

Marike Steinacker:
Ja, ich finde dieses Phänomen schon heftig. Die Wurf-Elite in Deutschland ist extrem gut. Aber bis auf Johannes Vetter oder Thomas Röhler wird niemand öffentlich wirklich wahrgenommen. Die Sprinterinnen zum Beispiel werden für gute Zeiten bis dorthinaus gelobt, und wenn wir die WM-Norm schaffen, feiert das niemand. Da wird mit zweierlei Maß gemessen. Bei uns werfen mehr Athletinnen die Norm als mitgenommen werden können, und schon wird das als ganz normal angesehen. Das ist krass. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass die Sprinterinnen im Wettkampf automatisch alle mehr Haut zeigen, aber die haben in den sozialen Medien ja auch gleich alle viel, viel mehr Follower als die normal sterblichen Werferinnen.

Sie ärgern sich oft über die Fotos, die von Ihnen kursieren.

Marike Steinacker:
Auf jeden Fall. Beim Werfen sieht man einfach oft nicht gut aus. Wenn man mich googelt, findet man wirklich viele schlimme Bilder von mir beim Werfen. Ich habe die mal in einem Video zusammengeschnitten und es bei einer Ausschreibung der Sportstiftung NRW für einen Tag beim Fotografen eingereicht. Ich habe gewonnen. Die haben mein Leid erkannt und gesehen, dass ich diesen Termin wirklich dringend brauche. Da freue ich mich drauf.

Trotzdem sind Sie Werferin geworden. Was fasziniert Sie daran?

Marike Steinacker:
Da war ich früher direkt gut drin. Alles andere war eher eine große, große Herausforderung für mich. Das Werfen lief schon immer easy, das ist einfach mein Element. Außerdem ist es sehr spannend, sich intensiv mit der Technik auseinanderzusetzen. Wenn man sich die deutschen Mädels anguckt – man kann mit ganz unterschiedlichen Körpertypen weit werfen. Klar, da ist nicht die Super-Super-Schlanke dabei, aber wenn man weltweit guckt, ist da von sehr schlank über sehr groß bis sehr breit alles vertreten. Das finde ich schon cool.

Am Donnerstag starten Sie beim Diamond League Meeting in Oslo, am Samstag in Paris. Was haben Sie sich vorgenommen?

Marike Steinacker:
Ich will besser sein als letztes Jahr in Oslo, da bin ich Neunte von neun geworden. Das war schwierig. Ähnliche Weiten wie in Schönebeck wären super. Es sind alle wichtigen Konkurrentinnen vor Ort, das ist ein guter Test. Letztes Jahr war es für mich bei Olympia von null auf hundert, plötzlich musste ich gegen die internationalen Stars werfen, die ich bis dahin auch nur aus dem Fernsehen kannte. Da tut es ganz gut, jetzt mal gegen die zu werfen, wenn es noch nicht um alles geht.


 

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