Titelverteidiger Nils Voigt muss am Samstag auf einen Start bei den Deutschen Meisterschaften über 10.000 Meter verzichten. Nachdem er in der Vorbereitung gleich mehrere Rückschläge weggesteckt hatte, bremst ihn nun eine Erkältung mit Fieber aus. Doch der Traum vom EM-Start auf der längsten Bahndistanz lebt weiter.
Der Titelverteidiger muss passen. Nils Voigt (TV Wattenscheid 01) steht zwar hoch oben auf der Meldeliste der Deutschen 10.000-Meter-Meisterschaften, die am Samstag (7. Mai) in Pliezhausen ausgetragen werden. „Nur leider wird er nicht starten“, sagte sein Coach Tono Kirschbaum, „das hat momentan keinen Sinn.“
Voigt und Kirschbaum sind Anfang vergangener Woche vom Höhentraining in Flagstaff (USA) zurückgekehrt. „Dort hatte Nils erst Knieprobleme, die wir wieder in den Griff bekommen haben“, erzählte Kirschbaum, „doch dann kam auch noch eine fette Erkältung mit Fieber hinzu.“ Deshalb haben beide die Teilnahme in Pliezhausen abgeblasen. Zwölf Monate zuvor in Mainz hatte er noch souverän in 28:11,31 Minuten gewonnen.
Flagstaff, eine 75.000 Einwohner große Stadt im US-Bundesstaat Arizona, liegt 2.100 Meter hoch. Da ist die Luft so dünn, dass ungeübte Touristen beim bloßen Spazierengehen nach Luft schnappen wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Nils war in einer richtig guten Verfassung“, berichtete Tono Kirschbaum, früher selbst ein erfolgreicher Mittelstreckler, der von Harald Norpoth betreut wurde, „er hatte sich wieder seiner Bestform angenähert.“ Mit üppigen Kilometer-Rationen hatte sich Voigt auf die DM vorbereitet.
Nach mehreren Rückschlägen ist Geduld gefragt
Die Saison 2022 mit den Höhenpunkten WM in Eugene, Oregon (USA; 15. bis 24. Juli) und EM in München (15. bis 21. August) steht für den jungen Münsteraner im Dress des TV Wattenscheid 01 bislang unter keinem guten Stern. „In Kenia hatte sich Nils mit dem Coronoa-Virus infiziert“, schaute Kirschbaum zurück, „daraus entwickelte sich eine Herzmuskelentzündung.“ Der Arzt verordnete ihm ein striktes Trainingsverbot. „Vier Wochen durfte er gar nicht laufen, die nächsten zwei Wochen nur defensiv mit maximal 160 Puls.“ Was für einen Hochleistungssportler wie Voigt keine Belastung darstellt.
Seine Mitkonkurrenten Samuel Fitwi (LG Vulkaneifel) und Mohamed Mohumed (LG Olympia Dortmund) haben die EM-Norm (28:15,00 Minuten) bereits Anfang April unterboten: Fitwi mit 28:08,83 Minuten in Faro (Portugal) und Mohumed mit 28:13,83 Minuten in Stanford (USA). Nils Voigt, die Nr. 1 in der DLV-Rangliste 2021 mit 27:49,04 Minuten, wollte die Richtzeit in Pliezhausen attackieren. O-Ton Kirschbaum: „Daraus wird leider nichts!“ Sein Schützling hängt in der Warteschleife und muss sich in Geduld üben.
EM-Tickets für München hart umkämpft
Tono Kirschbaum, der Ende vergangenen Jahres auch das Amt des Marathon-Bundestrainers im Herrenbereich übernommen hat, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich bin optimistisch, dass wir das noch hinkriegen“, erklärte er, „das wird schon!“ Er hat den Terminkalender nach geeigneten Veranstaltungen durchsucht und ist fündig geworden. „Der 10.000-Meter-Europacup am 28. Mai in Frankreich bietet sich an oder das Gouden-Spike-Meeting am 11. Juni in Leiden (Niederlande), das wir favorisieren.“ In Leiden ist Richard Ringer (LC Rehlingen), der Marathon-Olympionike, im letzten Jahr 27:55,39 Minuten gerannt.
Dank seiner Bestzeit, aufgestellt im Juni 2021 in Birmingham, wo er sogar den viermaligen Olympiasieger Mo Farah (Großbritannien) geschlagen hatte, hat Nils Voigt eigentlich gute Karten für die EM in München. „Wenn aber drei Mann die Norm knacken, sind sie qualifiziert. Sollten es nur zwei sein, hätte Nils sein Ticket sicher“, dachte Kirschbaum an den Fall der Fälle, „Fitwi und Mohumed haben die Norm geschafft, ich glaube, dass Aaron Bienenfeld es auch packen wird.“ Dann wäre Voigt raus. „Nils hat zwar die klar schnellste Zeit, jedoch aus dem letzten Jahr.“ Daher ist es umso ärgerlicher, dass ihn ein neuerlicher Rückschlag zurückgeworfen hat. In Pliezhausen hätte er alles klarmachen können.