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Unverhofft zur "Heim"-WM: Aleksandar Askovic erfüllt sich seinen Traum

Am Wochenende wird sich für ihn ein Traum erfüllen: Aleksandar Askovic startet bei der Hallen-WM über 60 Meter – aber nicht irgendwo, sondern in seinem Geburtsort Belgrad. Das war eigentlich nicht das erklärte Ziel des 24-Jährigen, dessen Fokus vielmehr auf dem Weitsprung und der Norm für die Hallen-DM lag. Doch es kam anders. Überraschend anders.
Sandra Arm

In diesem Winter schrieb Aleksandar Askovic (LG Stadtwerke München) seine ganz eigene Geschichte – und gab ihr dabei eine überraschende Wendung. „Die Hallen-WM war am Anfang der Saison noch ein unrealistischer Traum“, beginnt er seine Erzählung. Unrealistisch deshalb, weil er zum Ende der vergangenen Freiluftsaison einen kompletten sportlichen Kurswechsel vollzog. So zog es ihn von Erfurt nach München, vom Sprint zum Sprung, und von Tobias Schneider zu Sebastian Kneifel als neuem Coach. „München war keine Entscheidung gegen Erfurt, sondern lag allein im Disziplinwechsel begründet“, wie der 24-Jährige ausdrücklich betont.

Die zwölf Monate in Erfurt hatte er sich gewiss anders vorgestellt. So ereilte ihn vor der Sommersaison das Verletzungspech, der ganz große Durchbruch blieb aus. „Ein Jahr ist zweifelsohne sehr kurz, um sein Training umzustellen. Dafür braucht es schon zwei, drei Jahre, um richtig durchzustarten. Ebenfalls nicht leistungsfördernd war die Pendelei zwischen Erfurt und Augsburg, wo ich lebe und studiere“, erklärt er. Mitgenommen habe er trotzdem viel: Er bekam viele Tipps von Thüringens Top-Sprinter Julian Reus, der nach den Olympischen Spielen seine sportliche Laufbahn beendete. An die Hand gab es von Physiotherapeut Torsten Rocktäschel sowie Sprint-Trainer Tobias Schneider unterschiedliche Übungen, die er in sein aktuelles Training gelegentlich mit einbaut.

Sein Lebensmittelpunkt ist nun München. Eine Stadt, der ihm sichtlich guttut. „Ich profitiere von den kurzen Anfahrtswegen. Ich habe meine Familie und Freunde in der Nähe, die mich direkt unterstützen können. Das hilft mir sehr, um mich wohlzufühlen.“ Anfangs waren es nur lockere Gespräche, dann wurde daraus eine große Idee: Unter seinem neuen Trainer Sebastian Kneifel widmet sich Aleksandar Askovic verstärkt dem Weitsprung. Bereits in früheren Jahren zeigte sich, dass er ein Springertyp ist. Ob weit oder hoch mit dem Stab, es beflügelte ihn. Seine Mutter war anfangs seine Trainerin. Mit den Jahren, mit den Trainern sowie einer Verletzung kam immer mehr die Fokussierung auf den Sprint. Nun folgte die Rückkehr zum Sprung.

Dickes Ausrufezeichen bei Landesmeisterschaften

„Mit meinem Trainer habe ich einen großen Plan über drei Jahre aufgestellt, an deren Ende ich auf acht Meter kommen möchte. Ich werde mir aber keinen großen Druck machen. Im Weitsprung sehe ich für mich eine viel größere Chance. Gerade dann, wenn man einen guten Sprung erwischt – und mit acht Metern ist man international schon gut dabei“, erklärt er. Ohne Druck und Erwartungen habe er sich mit seinem Trainer auf die Hallensaison vorbereitet, mit dem Ziel die deutsche Qualifikationsnorm zu erreichen. Der Sprint? "Der war nur für den Anlauf gedacht. Ich habe nur gehofft, dass ich nicht viel langsamer werde, als letztes Jahr.“

Es kam alles anders: Die Weitsprung-Norm für die Hallen-DM von 7,40 Metern verfehlte er nur um wenige Zentimeter. „Ich denke, es wären um die 7,60 Meter drin gewesen, wenn vom System und vom Körperlichen her alles perfekt gepasst hätte. Dieser Weitenbereich ist jetzt das Ziel für den Sommer.“ Dies könnte der Schlusspunkt seiner Geschichte sein – sie nahm aber eine unerwartete Wendung. Ausgerechnet im Sprint setzte er bei den Hallen-Landesmeisterschaften in München ein dickes Ausrufezeichen, als er mit persönlicher Bestzeit von 6,63 Sekunden exakt den Richtwert für die Hallen-WM in Belgrad (Serbien; 18. bis 20. März) erreichte.

Zugleich erlebte Aleksandar Askovic einen empfindlichen Rückschlag, als er die Norm schon mit einem „verhärteten Muskel“ lief. An seine Hallen-Bestzeit kam er in den nachfolgenden Rennen wie beim ISTAF Indoor in Berlin (6,77 sec) oder beim PSD Bank Indoor Meeting in Dortmund (6,66 sec) nicht mehr heran. „Mein Arzt sagte mir, dass ich nur 80 Prozent meiner Leistung abrufen kann. Bis zum Meeting in Dortmund musste ich Starts wie in Erfurt absagen oder es ging nur sehr eingeschränkt“, erklärt er. Sehr entgegen kam ihm der späte Zeitpunkt der Hallen-DM in Leipzig, wo er schließlich wieder beschwerdefrei starten konnte.

Startphase als Stärke

Vor zwei Jahren holte er an selber Stelle DM-Bronze, in diesem Winter gab es Rang vier und mit 6,61 Sekunden eine neue Hallen-Bestzeit. Über diese zeigte sich Aleksandar Askovic mehr als zufrieden. Weniger über seine Platzierung: „Im ersten Moment war ich schon enttäuscht, weil ich mit Rang vier knapp am Podest vorbeigelaufen war und mir im Vorfeld etwas mehr erhofft hatte.“. Seine Top-Zeiten tragen viele Handschriften: Ehemalige Trainer wie Stefan Wastian, Patrick Saile, Tobias Schneider, Gerhard Jäger oder wie aktuell Sebastian Kneifel und Sprinttechnik-Trainer Volker Herrmann trugen zu seinem Vorstoß in die deutsche Spitze bei.

Seine Konstante ist der Start, herausragend der erste 30 Meter-Abschnitt. Hier lag er in Leipzig sogar drei Hundertstel vor der nationalen Konkurrenz. „Im fliegenden Bereich kann ich noch deutlich zulegen, obwohl ich schon besser geworden bin.“ Auf die Enttäuschung über die Platzierung folgte kurz nach dem Finale doch ein Glücksmoment: Sprint-Bundestrainer David Corell teilte ihm mit, dass er für Belgrad planen kann, da die vor ihm platzierten Hamburger Lucas Ansah Peprah und Owen Ansah sowie Kevin Kranz (Sprintteam Wetzlar) schon frühzeitig ihren Verzicht signalisierten.

Als dieser Tage die nominierten DLV-Athleten für die Hallen-WM veröffentlicht wurden, bekam es Aleksandar Askovic schwarz auf weiß. Er ist mit dabei im mittlerweile 16-köpfigen DLV-Team. Von einem internationalen Start hat er schon oftmals geträumt. Nun endlich erfüllt er sich. Aber in einem anderen Trikot. „Ich habe mir als Kind vorgestellt, dass ich eines Tages für Serbien starten werde. Nun freue ich mich, nicht nur als Zuschauer bei der Hallen-WM dabei zu sein, sondern bin froh, als Athlet erstmals für Deutschland starten zu dürfen“, sagt er mit reichlich Stolz in der Stimme.

Erster Start im DLV-Trikot der Aktiven

Aleksandar Askovic war vier Jahre alt, als seine Eltern Belgrad verließen. Die Familie zog nach Augsburg, sein Vater bekam in München einen Job. Doch Belgrad war nie vergessen. Jede Ferien ging es wieder zurück. „Die Fahrten mit dem Auto, das war schon ein Erlebnis. Belgrad ist nicht nur mein Geburtsort, sondern prägt bis heute noch mein Leben. Denn dort fühle ich mich daheim.“ Sein Start ermöglicht ein großes Wiedersehen – mit Weggefährten seiner Eltern, die in der serbischen Hauptstadt als Trainer arbeiteten, ebenso wie familiär. „Ich freue mich darüber, dass meine Verwandten und Bekannten aus Belgrad auch mal die Gelegenheit haben mich anzufeuern, und das auch noch auf der großen Bühne. Mein Papa und meine Schwester werden mich begleiten.“

Erstmals wird sich Askovic das Nationaltrikot bei den Aktiven überstreifen und dann sein Maximalziel in Angriff nehmen. „Für mich wäre es der größte Erfolg, wenn ich meine Bestzeit nochmals bestätigen kann und damit das Halbfinale erreiche.“ Auf seinen ersten Einsatz im DLV-Trikot musste er lange warten. Bei den U23-Europameisterschaften 2017 im polnischen Bydgoszcz hatte es noch nicht geklappt – ihm fehlte die deutsche Staatsbürgerschaft. Nur zwei Jahre später gehörte er zum Aufgebot der deutschen Studierenden-Nationalmannschaft für die Universiade in Neapel (Italien), er startete über 100 Meter. In diesen Tagen folgt nun der Schlusspunkt der Hallensaison – und mit ihm führt ein Umweg zur Erfüllung eines Traums, der kurz zuvor noch in weiter Ferne schien.

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