In der Transgender-Debatte im Sport hat das Internationale Olympische Komitee einen neuen Regelrahmen vorgelegt. Ab März 2022 ist eine Abkehr von allgemeingültigen Vorgaben hin zu flexiblen Richtlinien vorgesehen, unter denen jeder Weltverband über die Teilnahme von Transgender-Athlet:innen entscheiden kann.
Zehn Prinzipien eines neuen Regelrahmens zum Umgang mit Transgender-Athlet:innen sollen sicherstellen, dass faire Zugangsregeln vor allem in Frauen-Wettbewerben unter Beachtung der Rechte aller Betroffenen eingeführt werden, wie das Internationale Olympischen Komitees (IOC) am Dienstag mitteilte.
So gibt der Dachverband kein einheitliches Testosteron-Niveau mehr vor, das von Transgender-Personen für die Teilnahme an Wettkämpfen nicht überschritten werden darf. Künftig soll in jedem Sport entschieden werden, in welchem Fall bestimmte Teilnehmer:innen in dieser Hinsicht einen unfairen Vorteil haben könnten. Transgender sind Personen, die sich dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, nicht zugehörig fühlen.
Rechtlich bindend ist der neue Regelrahmen aber nicht. Gewährleistet werden soll eine größtmögliche Inklusion. Leid und psychische Verletzungen sowie Diskriminierungen sollen vermieden werden. Die bloße Annahme eines Vorteils für Transgender-Athlet:innen ist unzulässig, für Teilnahmebeschränkungen und -verbote bedarf es klarer Belege. Sportler:innen dürfen aber nicht zu medizinischen Eingriffen gezwungen werden und besitzen das Recht auf Privatsphäre. Die Athletengemeinde ist in Entscheidungen einzubinden, die Beschlüsse sollen regelmäßig überprüft werden.
Bezug zu WA-Regelwerk
Bei den Olympischen Spielen in Tokio hatte Laurel Hubbard für Aufsehen gesorgt. Die Gewichtheberin aus Neuseeland lebte nach ihrer Geburt 35 Jahre lang mit einer männlichen Zuschreibung. Sie ist aber Transgender. Bei den Sommerspielen war sie die erste Athletin, die offen ihre Geschlechtsidentität angepasst hat. Sie durfte im Frauen-Wettbewerb in der Gewichtsklasse über 87 Kilogramm antreten.
Einige Passagen der IOC-Leitlinien lassen sich in Bezug setzen zum Umgang des Internationalen Leichtathletik-Verbands World Athletics (WA) mit der zweimaligen 800-Meter-Olympiasiegerin Caster Semenya, die in Tokio nicht starten durfte, sowie anderen hyperandrogenen Sportlerinnen. Das berichtet die FAZ.
Fall Semenya
In den Richtlinien des Internationalen Olympischen Komitees heißt es nun, Verbände sollten niemals auf einzelne Athlet:innen gezielte Kontrollen ansetzen, um Geschlecht, Geschlechtsidentität und/oder Geschlechtervariationen zu bestimmen. Zudem dürften Athlet:innen etwa durch Zulassungskriterien nicht unter Druck gesetzt werden, „medizinisch unnötige Prozeduren oder Behandlungen“ vornehmen zu lassen, um die Zulassungsbestimmungen zu erfüllen.
Aktuell müssen einige hyperandrogene Leichtathletinnen ihren natürlichen Testosteronspiegel künstlich senken, um in Wettkämpfen auf den Strecken zwischen 400 Metern und einer Meile an den Start gehen zu können. Ein Vorgehen, gegen das die Südafrikanerin Caster Semenya vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS gegen den Verband klagte, diesen Rechtsstreit dort allerdings verlor. Inzwischen liegt ihre Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Weltverband sieht laut FAZ auch im Lichte der neuen IOC-Leitlinien keinen Grund, an dem aktuellen Regelwerk Änderungen vorzunehmen.