Für viele Talente im Nachwuchsleistungssport stellt sich nach der Schullaufbahn die Frage, wie es künftig parallel zum Sport weitergehen soll. Ausbildung? Studium? Oder doch der direkte Berufseinstieg? Die Möglichkeiten sind heutzutage vielseitig. Umso wichtiger ist es dabei den Überblick zu bewahren. In unserer Reihe zur dualen Karriere stellen wir verschiedene Optionen für Leistungssportlerinnen und -sportler vor. Heute: Die Ausbildung bei der Polizei am Beispiel Bayerns.
Für viele Spitzensportler ist es die optimale Möglichkeit, um Leitungssport und berufliche Karriere unter einen Hut zu bringen. Für kriminelle Strukturen bedeutet es hingegen oftmals eine weniger erfreuliche Nachricht. Die Rede ist von der Spitzensportförderung bei den Polizeien der Länder, die derzeit in insgesamt elf Bundesländern existiert.
Dass auch Einbrecher unter diesem Angebot zu leiden haben, zeigt das Beispiel von Laurin Walter. 2015 gewann der damalige Polizeimeister-Anwärter ein Sprintduell gegen einen flüchtenden Mann, der kurz zuvor in ein Haus im bayerischen Gauting eingestiegen war. Der damals 19-Jährige hielt den Eindringling fest und übergab ihn an seine Kollegen. Dass Laurin Walter als Sieger aus diesem Duell hervorging, war jedoch kein Wunder: Erst ein Jahr zuvor wurde er Deutscher U20-Vizemeister über 400 Meter.
„In solchen Fällen haben Leistungssportler natürlich einen praktischen Vorteil für uns“, sagt Wolfgang Barth, Leiter der Geschäftsstelle Spitzensport im Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei. „Generell bringen Spitzensportler wertvolle Eigenschaften für den Polizeiberuf mit. Sie sind zum Beispiel leistungsorientiert, teamfähig, strukturiert und diszipliniert. Spitzensport und Polizei – das ergänzt sich hervorragend.“
Amelie Sophie-Leder: Polizeimeisterin stürmt zum Titel bei Hallen-DM
Jüngstes Beispiel für diese erfolgreiche Kombination ist bei der bayerischen Polizei Amelie Sophie-Lederer (LG Stadtwerke München). Die 27-Jährige stürmte im Februar bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften in Dortmund über 60 Meter zum Titel. Wenige Wochen zuvor hatte sie erfolgreich ihre Ausbildung bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei beendet und darf sich nun Polizeimeisterin nennen.
„Ich finde es super, dass es dieses Angebot bei der Polizei gibt. Man baut sich ein Standbein für die Zeit nach der sportlichen Karriere auf und hat dennoch in der aktiven Zeit die Möglichkeit und die Freiheiten, den Sport professionell ausüben zu können“, sagt sie.
Amelie Sophie-Lederer weiß das Angebot umso mehr zu schätzen, hat sie doch bereits zuvor eine andere Ausbildung absolviert und die Schwierigkeiten des Einklangs von Beruf und Sport kennengelernt. „Ich habe vorher schon eine Ausbildung zur Bürokauffrau abgeschlossen und in diesem Beruf gearbeitet. Aber das hat sich irgendwann nicht mehr mit dem Sport vereinbaren lassen. Dann hat sich die Möglichkeit mit der Polizei ergeben und eins kam zum anderen.“
Ausbildungsinhalte für Spitzensportler und Nicht-Sportler identisch
Während die Ausbildung zum Polizeivollzugsbeamten der zweiten Qualifikationsebene für Nicht-Sportler bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei zweieinhalb Jahre andauert, ist sie für Spitzensportler auf viereinhalb Jahre gestreckt. In den Monaten von Oktober bis Januar findet die viermonatige Präsenzphase für Sommersportler am Standort Dachau statt, in der darauffolgenden achtmonatigen Wettkampfphase sind die Athleten für den Sport freigestellt.
„Abgesehen von der Gesamtdauer und einem verkürzten Praktikum ist das Modell für Leistungssportler analog zur regulären Ausbildung. Die Ausbildungsinhalte und Anforderungen bleiben dieselben“, sagt Wolfgang Barth.
Das bestätigt auch Simon Lang, Deutscher Vize-Meister im Hammerwurf aus dem Jahr 2019: „Die Ausbildung war zusammen mit dem Sport teilweise recht stressig. Da von Seiten der Polizei viel unternommen wird, um auf die Sportler individuell einzugehen, hatte ich letztlich aber genug Zeit, um mich sowohl auf die Ausbildung als auch auf den Spitzensport konzentrieren zu können“, erzählt er.
Simon Lang mittlerweile Abteilungssportleiter
Simon Lang konzentriert sich mittlerweile vollends auf den Polizeiberuf. Im vergangenen Jahr beendete der 27-Jährige seine sportliche Karriere. Seit September ist er Abteilungssportleiter der Bereitschaftspolizei in Dachau und dabei für die sportfachlichen Belange in der Aus- und Fortbildung von rund 1.200 Beschäftigten zuständig. „Die Arbeit bei der Polizei bereitet mir super viel Spaß“, erzählt er.
Voraussetzung, um die Ausbildung als Spitzensportler bei der Polizei absolvieren zu können, ist unter anderem die Zugehörigkeit zu einem vom Deutschen Olympischen Sportbund anerkannten und geförderten Olympiakader (OK), Perspektivkader (PK), Ergänzungskader (EK), Nachwuchskader 1 (NK1) oder Nachwuchskader 2 (NK2). Zudem muss mindestens ein Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung vorliegen. „Auch sollte man nicht in Konflikt mit dem Gesetz sein, das wäre ungünstig“, sagt Wolfgang Barth mit einem Lächeln.
Stundenplan ist auf den Sport abgestimmt
Wer sich bei der Polizei beworben hat und diese Grundvoraussetzungen erfüllt, muss sich dem regulären Prüfungs- und Auswahlverfahren stellen. Dieses beinhaltet neben einem Sporttest auch einige schriftliche Tests, ein Bewerbungsgespräch sowie eine ärztliche Untersuchung. Zuvor können sich Interessierte bei der speziellen Einstellungsberatung Spitzensport über die genauen Anforderungen informieren.
Die Ausbildung bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei umfasst schließlich alle polizeirelevanten Arbeitsbereiche. „Theoretische Inhalte, wie Polizeirecht oder Strafrecht, sind genauso dabei wie die praktischen Inhalte, beispielsweise Schießen, Selbstverteidigung oder Fahrübungen“, sagt Wolfgang Barth.
„Wir haben einen Stundenplan, der extra auf den Sport ausgelegt ist, sodass wir nach dem Dienst noch Zeit für unser Training haben. Dienstschluss ist spätestens um 14:50 Uhr. Es gibt aber auch Tage, an denen wir früher aushaben oder später anfangen. Es wird viel Rücksicht auf den Sport genommen“, erläutert Amelie-Sophie Lederer die Vorteile des Ausbildungsmodells für Spitzensportler.
Absolventen stehen verschiedene Einsatzgebiete offen
„Nach der Ausbildung gibt es für unsere Absolventen viele spannende Einsatzgebiete. Dazu zählen beispielsweise die Schutzpolizei oder die Einsatzhundertschaften der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Prinzipiell kann sich jeder Beamte spezialisieren“, erzählt Wolfang Barth. Für Tätigkeiten in besonderen Einsatzbereichen, beispielsweise der Hubschrauber- oder Reiterstaffel sowie der Kriminalpolizei werde jedoch eine zusätzliche Ausbildung benötigt.
Neben der bayerischen Polizei bieten auch zahlreiche andere Bundesländer Landespolizeiprojekte mit Spitzensportförderungs-Modellen an. Carolin Schäfer (Eintracht Frankfurt), 2017 Vize-Weltmeisterin im Siebenkampf, ist beispielweise Polizeikommissarin bei der hessischen Landespolizei, Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied), WM-Dritter im Zehnkampf 2017, ist Polizeikommissar in der Sportfördergruppe der rheinland-pfälzischen Polizei, der Deutsche Meister über 400 Meter Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz) ist bei der Landespolizei Sachsen tätig. Für kriminelle Machenschaften ist das keine gute Nachricht.
Weitere Informationen zum Spitzensport-Programm der Bayerischen Polizei.
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