Für viele Talente im Nachwuchsleistungssport stellt sich nach der Schullaufbahn die Frage, wie es künftig parallel zum Sport weitergehen soll. Ausbildung? Studium? Oder doch der direkte Berufseinstieg? Die Möglichkeiten sind heutzutage vielseitig. Umso wichtiger ist es dabei den Überblick zu bewahren. In unserer Reihe zur dualen Karriere stellen wir verschiedene Optionen für Leistungssportlerinnen und -sportler vor. Heute: Die Vielfalt der Leichtathleten – welche Berufe aktive und ehemalige Leichtathleten ausüben.
Die Leichtathletik ist eine äußerst vielfältige Sportart. Das zeigt sich auch in den verschiedenen Berufen, die ehemalige oder auch noch aktive Athletinnen und Athleten ausüben. Von einer Medizinerin bis hin zum Piloten: Wir stellen eine Auswahl spannender beruflicher Wege der DLV-Athleten vor.
Hoch hinaus ging es für Björn Otto schon während der sportlichen Karriere. Mit 6,01 Metern hält der ehemalige Athlet der LAV Bayer Uerdingen/Dormagen und des ASV Köln den deutschen Rekord im Stabhochsprung. Auch nach dem Abschied vom Leistungssport blieb der Zweite der Olympischen Spiele von 2012 der Höhe treu: Heute arbeitet der 40-Jährige als Pilot für die Charterfluggesellschaft “Air Hamburg“, die solvente Kunden um die Welt fliegt.
Bereits gegen Ende seiner Karriere begann Björn Otto mit der zweijährigen Grundausbildung für zweimotorige Maschinen an einer privaten Flugschule. „Das war ein hoher Aufwand, wenn du morgens um acht Uhr aus dem Haus gehst, dann zur Flugschule fährst, bis nachmittags dort bist, dann noch Training hast und abends lernen musst. Das musst du wollen. Das ist kein Zuckerschlecken. Das sind zwei Berufe nebeneinander“, erzählt er.
Björn Otto erfüllt sich Kindheitstraum
Trotz des hohen Aufwandes gewann er kurz nach Beginn der Ausbildung im Jahr 2013 die Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften in Moskau (Russland). Nach Beendigung der Leistungssportkarriere im Jahr 2016 konnte er sich schließlich vollends auf die Fliegerei fokussieren, erlangte bei der Fluggesellschaft “Sunexpress“ das sogenannte Type Rating, also die Berechtigung zum Führen eines bestimmten Flugzeugtyps, und flog fortan eine Boing 737.
Seit Kurzem arbeitet er nun bei “Air Hamburg“. „Nach der Teilnahme bei den Olympischen Spielen habe ich mir mit dem Fliegen einen zweiten Kindheitstraum erfüllt“, sagt Björn Otto, der derzeit ein Jetset-Leben führt. „Vor zwei Tagen war ich in Moskau, vorgestern in Mailand, morgen geht es nach England und dann nach Nizza.“
Linda Stahl als Urologin tätig
Auch die ehemalige Speerwerferin Linda Stahl hat in ihrem Beruf mit unregelmäßigen Arbeitszeiten zu tun. Die Bronzemedaillen-Gewinnerin der Olympischen Spiele 2012 arbeitet als Fachärztin für Urologie am Klinikum Detmold und übernimmt dort regelmäßig 24-Stunden-Dienste.
Durch Berufsorientierungstage in der Schule sei sie auf die Medizin aufmerksam geworden, erzählt sie. Seitdem habe sie dieses Ziel verfolgt und nach dem Abitur das Studium in Münster und später in Köln aufgenommen. Mit der Doppelbelastung sei sie damals gut klargekommen.
„Im Studium ist man ja sehr flexibel. Die großen Wettkämpfe waren auch immer in den Semesterferien, sodass es kaum Terminkollisionen gab. Aber natürlich musste ich mich gut organisieren und auch spät abends noch lernen. Das Wochenende war nicht immer zur Freizeit gedacht“, sagt sie.
Mit Disziplin zum Erfolg
Sogar noch während ihrer Leistungssportkarriere begann sie zwei Jahre lang Teilzeit als Ärztin zu arbeiten. „Das war sicherlich im Nachhinein betrachtet eine zu hohe Belastung, was sich auch in Verletzungen widergespiegelt hat“, gibt die 35-Jährige unumwunden zu.
Mittlerweile konzentriert sich die Europameisterin aus dem Jahr 2010 voll und ganz auf die Medizin und promovierte im vergangenen Jahr an der Universität Witten-Herdecke. Von den Tugenden, die im Sport benötigt werden, profitiert sie auch in ihrem heutigen Beruf. „Auch wenn ich keine Lust auf das Training hatte, musste ich hingehen. Diese Disziplin kann man sicherlich auch auf den Beruf übertragen. Ich lasse den Tag nicht vor sich hin plätschern. Das konnte ich mir früher nicht erlauben, das kann ich mir jetzt nicht erlauben.“
Nadine Hildebrand meistert Jurastudium
DLV-Athletensprecherin Nadine Hildebrand, zweimalige Deutsche Meisterin im Hürdensprint und Olympiateilnehmerin, nahm in ihrer aktiven Zeit den Weg eines Jura-Studiums auf sich.
„Das Studium ist an sich schon äußerst zeitaufwendig. In Verbindung mit dem Sport muss man ein wahnsinnig gutes Zeitmanagement haben“, sagt sie. „Ich habe gelernt, sehr effizient zu arbeiten. Das schwierigste war das Lernen für das Examen. In dem Jahr war ich gar nicht im Trainingslager, das hätte ich mir zeitlich nicht leisten können“. Heute arbeitet die 33-Jährige als Referentin für Recht und Compliance bei einem Unternehmen, das Etiketten und Etikettiermaschinen herstellt.
Tobias Unger betreibt Fitnessstudio, Frank Busemann arbeitet als Redner
Elina Sujew, 2009 Dritte der U20-Europameisterschaften über 1.500 Meter, ist dem Sport beruflich treu geblieben und arbeitet mittlerweile beim Deutschen Leichtathletik-Verband. Als Referentin für Verbandsentwicklung und Projektmanagement stellt sie die Weichen für eine moderne und digitale Zukunft des Verbandes und kann dabei nun ihre durch den Sport gewonnen Stärken ausspielen. „Organisationsentwicklung beginnt im Kopf. Veränderungen sind dabei anfangs immer schwer, aber als Athletin war ich es gewohnt, mich stetig zu verbessern. Diese Einstellung für kontinuierliche Verbesserung kann ich jetzt gut einbringen“, sagt sie.
Ebenfalls weiter im Sport arbeitet Tobias Unger. Der Deutsche Rekordhalter über 200 Meter war von 2013 bis 2020 beim VfB Stuttgart als Athletiktrainer aktiv und hat nun im vergangenen September ein eigenes Fitnessstudio eröffnet, welches den Namen seiner 200-Meter-Bestzeit trägt: 20“20. Kurz nach der Eröffnung musste es allerdings coronabedingt bereits wieder geschlossen werden. „Jammern bringt nichts, auch wenn die Situation brutal schwer ist. Wir wissen, dass es hier abgehen wird, sobald es wieder abgehen darf", sagte er kürzlich dem SWR.
Einen anderen Weg hat der Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von 1996 im Zehnkampf Frank Busemann eingeschlagen. Der gelernte Bankkaufmann arbeitet heute hauptberuflich als sogenannter Keynote-Speaker, also als Redner und Moderator, und wird dabei regelmäßig von Unternehmen gebucht. „Die Zuhörer erfahren in lebendigen Schilderungen die Analogien von Sport und Beruf und lernen die Erfolgsprinzipien des Sports für sich und ihr Business zu nutzen“, schreibt er auf seiner Webseite. Zudem begleitet und kommentiert er für die ARD Leichtathletik-Großveranstaltungen als Experte.
Tobias Dahm an Entwicklung von Elektromotoren beteiligt
Helge Schwarzer, zweimaliger Deutscher Vizemeister über 110 Meter Hürden in den Jahren 2009 und 2010, arbeitet seit rund drei Jahren als selbstständiger Video- und Fotograf, dabei voranging im Sportbereich. „Die Leidenschaft dafür habe ich schon früh aufgebaut“, erzählt er. Bei den Europameisterschaften 2018 in Berlin, bei denen er als Manager digitale Medien im Einsatz war, habe sich diese Leidenschaft weiter gefestigt und sei schließlich in die Selbstständigkeit gemündet.
Kugelstoßer Tobias Dahm (VfL Sindelfingen) ist derweil noch als Leistungssportler aktiv und arbeitet Vollzeit bei der Daimler AG in Sindelfingen. Der 33-jährige Olympia-Teilnehmer und Deutsche Hallenmeister von 2016 machte nach der Schule eine Ausbildung zum KfZ-Mechatroniker und ist nun an der Entwicklung von Elektromotoren beteiligt. Dass der Einklang von Beruf und Leistungssport fordernd ist, zeigt sein Alltag: „Ich stehe meistens gegen 4:40 Uhr auf, arbeite von 6 Uhr bis 15:30 Uhr und fahre dann direkt zum Training. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, für mich gehört es zur Normalität“, sagt er.
Duale Karriere | Sport und Ausbildung in Einklang
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