| Was macht eigentlich…

Jonas Plass – Vom Arbeitstier zum Ayurveda-Coach

Basketballer, Sprinter, Marathonläufer, Triathlet, Yogalehrer. Vielseitigkeit war schon immer die Stärke von Jonas Plass. Seine größten Erfolge feierte der gebürtige Bamberger auf der Stadionrunde. Bestzeit: 46,00 Sekunden. Vor fünf Jahren beendete Plass mit 30 Jahren seine sportliche Karriere. Aber nur als Sprinter. Ein Leben ohne Sport? Undenkbar. Als Yoga-Lehrer und Ayurveda-Berater kümmert er sich heute darum, Menschen in Balance zu bringen.
Norbert Hensen

Als kleiner Knirps waren Bälle sein Ding. Er war schmächtig, aber pfeilschnell. Und durchaus talentiert. Seine größte Stärke schon damals: sein Ehrgeiz. „Wenn die anderen sich nicht angestrengt haben, konnte ich richtig sauer werden“, erinnert sich Jonas Plass, der am 1. August 35 Jahre alt wird.

Er war schon damals ein Kämpfer. Einer, der immer alles aus sich rausholen wollte. Er konnte sich quälen. Perfekt geeignet für die 400 Meter – nur hat damals noch keiner sein wahres Talent erkannt. Ganz gut vielleicht, so wurde er nicht verheizt. Und erlernte die Schnelligkeitsausdauer sozusagen spielerisch. Er kickte gerne, aber seine Leidenschaft gehörte als Kind und Jugendlicher dem Basketball.

Auf Anhieb Zweiter der Jugend-DM

Nach dem Umzug der Eltern von der Basketball-Hochburg Bamberg nach Rosenheim dribbelte er zunächst beim TSV 1860 Rosenheim, später dann beim Sportbund Rosenheim die Gegner aus. Zur Leichtathletik kam er eher zufällig. „2003 ging ich für ein Jahr in die USA, dort habe ich zum ersten Mal an Cross-Country-Wettkämpfen teilgenommen. Dass ich recht schnell war, wusste ich ja, aber mit der Ausdauer hat es auch gut geklappt“, erzählt Jonas Plass.

Zurück in Deutschland, schloss er sich 2004 der Leichtathletikabteilung des TSV 1860 Rosenheim an. Er qualifizierte sich in seinem ersten richtigen Jahr als Leichtathlet auf Anhieb für die Deutschen Jugendmeisterschaften und wurde 2005 in Braunschweig mit 47,83 Sekunden überraschend Zweiter. Mit dem Wechsel zum "Team Wendelstein" begann das professionelle 400-Meter-Training unter Coach Andreas Krämer.

Es lief bei Jonas Plass, der mit 74 Kilo bei 1,83 Meter zu den Leichtgewichten auf der 400-Meter-Runde zählte. Schon 2006 wurde Jonas Plass Deutscher Meister bei den U23-Junioren. Ein Jahr später verpasste er das Einzel-Finale bei der U23-EM in Debrecen (Ungarn) nur knapp, holte dafür mit der 4x400-Meter-Staffel Bronze.

Daegu 2011: „Das beste Rennen meiner Karriere“

Überhaupt die Staffel: Da war er in seinem Metier. „Vielleicht lag es daran, dass ich viele Jahre Teamsportler war, die Staffelrennen waren meine schönsten Erlebnisse.“ So verwundert es nicht, dass er die Teilnahme am WM-Finale 2011 in Daegu (Südkorea) als Karriere-Highlight nennt – noch vor seinemdeutschen Meistertitel 2011. Nach einem grandiosen Halbfinale in herausragenden 3:00,68 Minuten wurde das DLV-Quartett im WM-Finale schließlich Siebter. „In Daegu habe ich die besten Rennen meiner Karriere gemacht und hatte eine wahnsinnig tolle Zeit mit den Staffel-Jungs“, schwärmt Jonas Plass noch heute. Ein Jahr später war er Mitglied der 4x4, die bei den Europameisterschaften 2012 in Helsinki (Finnland) Bronze gewann.

Bei den Olympischen Spielen in London (Großbritannien) wenige Woche später schied das deutsche Quartett im Vorlauf aus. Die olympischen Jahre waren nicht die besten von Jonas Plass. Aber sie haben großen Einfluss auf sein Leben nach dem Sport gehabt. 2008 musste er an beiden Leisten operiert werden, dann kam eine Stressfraktur im Fuß hinzu. Olympia in Peking (China) war passé. „Bis dahin war ich wenig verletzt, es ging fast nur bergauf – da habe ich zum ersten Mal erkannt, dass man als Leistungssportler sehr auf seinen Körper acht geben muss“, sagt Jonas Plass.

Ehrgeizig und willensstark

Einer, der von sich selbst sagt, dass er „etwas talentiert, aber ein Arbeitstier“ war und mit „viel Ehrgeiz und Willensstärke“ seinen Körper mit der Einstellung „jetzt erst recht“ herausgefordert hat, war eben nicht immer achtsam. „Heute bin ich für diese Erfahrungen sehr dankbar, denn auch wenn es etwas abgedroschen klingt: Man lernt mehr aus den Fehlern, die man macht, als aus den Erfolgen.“

2012 sollte eigentlich Schluss mit der Schinderei als 400-Meter-Läufer sein. „Nachdem 2011 und 2012 so super waren, haben mein Trainer und ich dann noch zwei Jahre drangehängt. Und plötzlich war Olympia in Rio dann auch nur noch zwei Jahre entfernt. „Aber die Luft war raus…“ Bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel kam er nicht ins Finale. Der 400-Meter-Vorlauf sollte sein letztes Rennen bleiben…

Rücktritt am 30. Geburtstag

An seinem 30. Geburtstag, dem 1. August 2016, fuhr er mit dem Rad von Rosenheim nach Bozen. „Dort habe ich meine Rücktrittserklärung in den Briefkasten geworfen.“ Aus dem Sprinter wurde der Freizeitsportler Jonas Plass – der gelernt hatte, wie wichtig es ist, auf seine Gesundheit zu achten. Schon 2010 hatte er parallel zur Karriere sein Bachelor-Studium mit dem Schwerpunkt Sportmanagement-/ und Kommunikation an der Deutschen Sporthochschule in Köln abgeschlossen. Seinen Master schloss er in Medienmanagement und Entrepreneurship an der Fresenius Hochschule in Köln kurz vor den Olympischen Spielen in London ab.

Ohne Sport ging es natürlich auch nach dem Karriere-Ende nicht. 2018 meldete er sich in seiner damaligen Wahlheimat Berlin für den Marathon an. Durch einen Job bei einem Berliner Start-up entdeckte er die Liebe für die langen Strecken. „Drei Monate habe ich mich intensiv vorbereitet, es lief gut.“ Die Zielzeit von 2:45 Stunden verpasste er nur um eine Minute, eine beachtliche Leistung, nicht nur für einen Sprinter.

2012 erstmals Yoga für sich entdeckt

2012 hatte er zum ersten Mal Yoga ausprobiert. „Ich hatte damals Rückenprobleme. Als ich regelmäßig Yoga in mein Training integriert habe, waren die Schmerzen weg.“ Abgesehen davon, dass er seine Rückenprobleme in den Griff bekam, habe er sich auch im Allgemeinen viel besser gefühlt und wollte wissen, welchen Beitrag Yoga dazu geleistet hat. „Seitdem ist Yoga ein fester Bestandteil in meinem Leben – auch während der Marathon-Vorbereitung hat mir Yoga sehr geholfen.“

Jonas Plass wollte mehr wissen. Ende 2018 zog es ihn nach Bali. Der ersten 200 Stunden Ausbildung im Tantrischen Hatha Yoga ließ er 300 weitere Ausbildungseinheiten folgen. „Als Yogalehrer lernst du nie aus, aktuell bin ich in einer weiteren 300-stündigen Fortbildung“, erzählt Jonas Plass, der auf seinem Blog www.acebe.de nicht nur sein Wissen teilt, sondern selbst auch Yoga-Classes und Ayurveda-Coachings anbietet. Mit der Ayurveda-Lehre kam er ebenfalls auf Bali in Berührung, er schloss eine Ausbildung über 650 Stunden zum Ayurveda-Consultant ab.

Erfolgreiche Suche nach der perfekten Balance

„Yoga und Ayurveda werden oft als Schwesterwissenschaften bezeichnet. Beide sind in den Verden verwurzelt und daher ist der ,Sprung‘ von Yoga zu Ayurveda nicht sehr groß“, sagt Jonas Plass. Laut Ayurveda besitzen alle Menschen eine Grundkonstitution. Befinde man sich zu lange und zu stark außer Balance, werden Krankheiten und Verletzungen provoziert, die Leistungsfähigkeit sinke.

„Seine Grundkonstitution zu kennen und zu wissen, was Körper und Geist auf welche Art und Weise beeinflusst, kann immensen Einfluss auf Regeneration, Wohlbefinden und letztlich auf die Leistung nehmen. Ayurveda hilft dabei, das Athletenleben um die Trainingseinheiten herum zu strukturieren. Hier sehe ich noch viel Potenzial“, erklärt Plass, der sehr gerne noch mehr Athleten begleiten würden, diese Balance herzustellen. Jonas Plass, der ehrgeizige Athlet, der als 400-Meter-Läufer immer an seine Grenzen und manchmal darüber hinaus gehen musste, hat seine innere Balance und seine Berufung gefunden.

Puzzleteile fügen sich zusammen

„Es hat mich schon immer gereizt, neue Dinge auszuprobieren, zu lernen und permanent zu wachsen. Mein ‘Lebensstil’ erlaubt es mir, dies auch weiterhin zu tun und mit anderen Leuten zu teilen. Auch wenn es scheint, als hätte ich mein Leben zu 180 Grad gedreht, ist es vielmehr so, dass gerade jetzt alle Puzzleteile zusammenkommen."

Seit diesem Jahr ist Jonas Plass wieder in Deutschland. Ohne Corona wäre er wohl länger auf Bali geblieben. Jetzt baut er in Bonn an seiner Zukunft. „Mit meinen Yogaklassen, Workshops, Beratungen und Fortbildungen helfe ich Sportlern bei ihrem Streben nach Bestleistungen, und verhelfe Menschen im Allgemeinen zu einem gesünderen, ausgeglicheneren und glücklicheren Leben.“

Die Leichtathletik verfolgt er noch mit Interesse. „Auf Olympia freue ich mich besonders, auch wenn die Spiele in diesem Jahr sicher anders werden. Aber Olympische Spiele sind trotzdem das Größte für jeden Sportler.“ Er selbst hält sich mit sportlichen Challenges mehr und mehr zurück. „Meine Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder spüren die intensiven 400-Meter-Jahre. Ich möchte mir einfach den Spaß an der Bewegung erhalten – frei von jeglichem Leistungsstreben.“

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