Für viele Talente im Nachwuchsleistungssport stellt sich nach der Schullaufbahn die Frage, wie es künftig parallel zum Sport weitergehen soll. Ausbildung? Studium? Oder doch der direkte Berufseinstieg? Die Möglichkeiten sind heutzutage vielseitig. Umso wichtiger ist es dabei den Überblick zu bewahren. In unserer Reihe zur dualen Karriere stellen wir verschiedene Optionen für Leistungssportlerinnen und -sportler vor. Heute erklärt der ehemalige Laufbahnberater Christoph Steinbach, was genau eine Laufbahnberatung ist und in welchen Bereichen sie helfen kann.
Über viele Jahre hinweg arbeitete Christoph Steinbach als Laufbahnberater am Olympiastützpunkt (OSP) Metropolregion Rhein-Neckar in Heidelberg und betreute und begleitete dabei zahlreiche Athletinnen und Athleten auf dem Weg ihrer dualen Karriere. Der studierte Biologe und Sportwissenschaftler, der seit wenigen Wochen Internatsleiter des OSP ist, spricht im Interview mit leichtathletik.de über den Beruf des Laufbahnberaters und erklärt, in welchen Bereichen der dualen Karriere eine Laufbahnberatung helfen kann.
Herr Steinbach, was genau ist eigentlich ein Laufbahnberater?
Christoph Steinbach:
Laufbahnberater sind vom DOSB speziell fortgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Olympiastützpunkten, die sich um die Vereinbarkeit von Leistungssport und beruflicher Perspektive der Athletinnen und Athleten kümmern. Oft sind das zum Beispiel ehemalige Pädagogen, Psychologen, Sportwissenschaftler oder Soziologen, die häufig auch selbst eine leistungssportliche Biografie durchlaufen haben. Die professionellen Laufbahnberater begleiten die duale Karriere der Athleten in Bezug auf Schule, Ausbildung, Studium, Arbeitsplatz und finanzielle Fördermöglichkeiten. Bundesweit gibt es derzeit über 40 Kolleginnen und Kollegen, die in der Synchronisierung von sportlicher Anforderung und dem jeweils gewählten Bildungsweg der Athleten beratend zur Seite stehen.
Wie genau unterstützen Sie die Athletinnen und Athleten?
Christoph Steinbach:
Die Laufbahnberaterinnen und Laufbahnberater unterstützen aus einer gesellschaftlichen Verantwortung heraus die Entfaltung sportlicher Talente bei gleichzeitiger potenzialgerechter Entwicklung einer beruflichen Perspektive. Ausgehend von der systemischen Anamnese des Athletenstatus in einem verpflichtenden Erstgespräch werden die Weichen für eine mehrjährige Karriereplanung gestellt und nachhaltig bis zum Karriereende begleitet. Das heißt, konkret werden Wege ermöglicht, damit die Athletinnen und Athleten ihren angemessenen Bildungsweg mit der hohen sportlichen Belastung verbinden können. Das kann über die Eliteschulen des Sports, die Partnerhochschulen des Spitzensports, spitzensportfreundliche Partnerbetriebe oder sportgerechte Ausbildungswege bei der Landes- oder Bundespolizei und temporär bei der Sportförderung der Bundeswehr erfolgen.
Viele kennen die klassische Berufsberatung bei der Arbeitsagentur. Wo liegt der Unterschied zwischen einer Laufbahnberatung und einer Berufsberatung?
Christoph Steinbach:
In Sachen Berufsorientierung oder Ausbildungsplatzsuche arbeiten wir standortbezogen mit der Bundesagentur oder mit der Industrie- und Handelskammer zusammen. Allerdings geht der Prozess nach der Beratung für uns weiter, um Ausbildung oder Studium mit dem Leistungssport und den Bildungspartnern nachhaltig kompatibel zu halten. Bei oft weit mehr als 50 sportbedingten Fehltagen im Jahr und zweimaligem Training am Tag ist das nicht einfach. Das muss organisiert und mit den Unternehmen oder Bildungspartnern gut abgestimmt werden – auch dafür stehen wir bereit und das bis zum Ende der dualen Karriere und in der nachsportlichen Betreuung.
Wer kann denn die Laufbahnberatung in Anspruch nehmen?
Christoph Steinbach:
In der Regel können Sportlerinnen und Sportler der olympischen Sportarten ab dem Eintritt in den Bundeskader (NK2/NK1) den OSP-Service nutzen, in Ausnahmefällen auch ausgewählte Landeskaderathleten.
Wie verläuft eine klassische Laufbahnberatung?
Christoph Steinbach:
Ein Beispiel: Eine junge Weitspringerin kommt zum Erstgespräch an den Olympiastützpunkt, wird über den OSP informiert und lernt die Laufbahnberatung kennen. Unterstützung für ihre Studienwahl erhält sie durch verschiedene Tests, Arbeitsblätter über Werte, Interessen, Fähigkeiten, Seminare zur Berufsorientierung und/oder orientierende Gespräche an den Unis. Als Kaderathletin erhält sie den Studienplatz ihrer Wahl aufgrund der Profilquote für Spitzensportler im öffentlichen Interesse. Für die sportliche Jahresplanung wird das anstehende Semester mit Abwesenheiten und Klausurterminen abgestimmt und gegebenenfalls der Prüfungsausschuss eingeschaltet – das geschieht jedes Semester neu. Finanziell gibt es für Perspektiv-Kader ein Studienstipendium der Sporthilfe oder auch regionale Sport- und Studienstipendien. Anstehende Praktika werden über den OSP oder Partner organisiert und perspektivisch der Eintritt in den Arbeitsmarkt vorbereitet. Oft kommt es völlig anders als geplant: Orts- und Trainerwechsel oder Verletzungen stehen an und im besten Falle fordern Olympiateilnahmen die Agilität aller Beteiligten, dies zur großen Freude aller. Das macht die Arbeit spannend und sehr lebendig. Zum Karriereende – häufig jenseits von 30 Jahren – sind die Trophäenschränke der Athleten mehr oder weniger gefüllt, die Integration in den Arbeitsmarkt ist gelungen und ein motivierter ehemaliger Athlet macht weiter beruflich Karriere – das ist häufig so. Das Spektrum ist allerdings groß.
Welche verschiedenen beruflichen Möglichkeiten stehen jungen Leistungssportlerinnen und Leistungssportler heutzutage nach ihrem Schulabschluss offen?
Christoph Steinbach:
Grundsätzlich stehen den Athletinnen und Athleten viele Wege offen – letztlich natürlich ihr ganz individueller, eigener – da es nur mit Stimmigkeit gut und erfolgreich funktioniert. Das heißt, wir sind möglichst „tailer made“, also sehr athletenspezifisch, unterwegs. Die Lebensmittelpunkte werden von den Athleten und Verbänden nach den besten Trainern und den Bundesstützpunkten selektiert. Über Fernstudiengänge und coronabedingten Online-Unterricht ist vieles ortsunabhängig oder auch mal im Ausland möglich. Die Athleten nutzen nahezu das ganze Bildungsspektrum bundesweit.
Sie unterstützen am OSP unter anderem auch zahlreiche Leichtathletinnen und Leichtathleten. Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit dem DLV?
Christoph Steinbach:
Mit dem DLV pflegen wir eine langjährige und sehr konstruktive Zusammenarbeit. Mit dem Chef-Bundestrainer U23/U20 Dietmar Chounard, der ein zentrales Monitoring der Athleten praktiziert, stehen wir in intensivem Austausch, genauso mit der Bundesstützpunktkoordinatorin sowie den Trainern am und um den Bundesstützpunkt Mannheim. Die Begleitung vieler dualen Karrieren, beispielsweise von Nadine Gonska, die im spitzensportgerechten und wohnortnahen Schuldienst tätig ist, von Malaika Mihambo, die im Master studiert und sich in Sozialprojekten engagiert, oder von Andreas Hofmann, der gerade den Master Management and Leadership angeht, verläuft geradezu vorbildlich.
Wie wurden Sie zum Laufbahnberater und welche Ausbildung benötigt man dazu?
Christoph Steinbach:
Das ist lange her und ich wusste damals gar nicht, was Laufbahnberatung ist, als ich die Stellenanzeige in der Rhein-Neckar-Zeitung gelesen hatte. Ich erkundigte mich am Frankfurter OSP und bekam die Stelle. Studiert hatte ich Biologie und Sportwissenschaften, war selbst Leistungssportler und hatte Trainererfahrung. Heute ist ein Studium und eine systemische Beraterausbildung Einstellungsvoraussetzung – wir hatten damals kollegial und bundesweit systemisches Case-Management fortgebildet. Eine Systemische Coaching-Ausbildung schloss ich an. Und Olympia hatte mich schon immer fasziniert.
Duale Karriere | Sport und Ausbildung in Einklang
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