| Hallen-EM

Torun Finaltag 3: Dominatoren, Doppelsieger, DLV-Dreisprung-Double

Sprinterin Ajla Del Ponte und Stabhochsprung-Star Armand Duplantis haben den letzten Tag der Hallen-EM in Torun gekrönt. Während Jakob Ingebrigtsen auf den Laufstrecken sein Titel-Double perfekt machte, gab es für den DLV ein überraschendes Bronze-Doppel im Dreisprung.
Martin Neumann

Die 60 Meter in der Halle sind durch die Kürze der Strecke prädestiniert für Millimeter-Entscheidungen. Doch am Sonntagabend lagen bei der Hallen-EM in Torun (Polen) im 60-Meter-Finale der Frauen „Sprint-Lichtjahre“ zwischen Ajla del Ponte und den sieben Konkurrentinnen. Mit 7,03 Sekunden (Weltjahresbestleistung) hatte die Schweizerin 19 Hundertstelsekunden Vorsprung – den größten in der Geschichte einer Hallen-EM – auf Lotta Kemppinnen (Finnland) und Jamile Samuel (Niederlande; beide 7,22 sec). In diesem deutlichen Finale lief Jennifer Montag (TSV Bayer 04 Leverkusen; 7,29 sec) auf Rang sieben.

Nach ihrem famosen Auftritt ließ Ajla Del Ponte ihren Tränen freien Lauf. „Es ist mein erster Titel. Ich hörte das ganze Schweizer Team, das mich anfeuerte. Und ich habe mir einfach gesagt: Lauf, lauf, lauf. Die letzten Jahre waren hart, deshalb ist es jetzt wirklich ein gutes Gefühl, diesen Titel zu gewinnen. Ich wusste die ganze Saison über, dass ich 7,03 Sekunden laufen kann, ich hatte es in den Beinen. Es mit diesem Vorsprung zu schaffen, mit so vielen schnellen Mädchen, ist großartig“, jubelte die von ihrer Titel-Premiere überwältigte Schweizerin.

Armand Duplantis versucht sich am Weltrekord

Auch im Stabhochsprung gab es einen Dominator. Und der sollte – wie sollte es anders sein – Armand Duplantis heißen. Der Schwede steigerte den Meisterschaftsrekord auf 6,05 Meter, erst die Verbesserung seines eigenen Weltrekords um einen Zentimeter auf 6,19 Meter sollte nicht klappen. „Ein Sechs-Meter-Sprung ist immer noch etwas Besonderes. Jedes Mal, wenn ich es springe, ist es ein wirklich gutes Gefühl. Aber es wird ein bisschen leichter. Ich weiß nicht, wie viele Sechs-Meter-Sprünge ich habe. Ich wusste noch die Anzahl, als es zwei waren. Aber dann bin ich es in der letzten Saison so oft gesprungen, dass ich es nicht mehr zählen kann“, so der „Herr der Lüfte“.

Mit Respektsabstand folgten Valentin Lavillenie (Frankreich) und Piotr Lisek (Polen; beide 5,80 m) auf den Medaillenrängen. Oleg Zernikel (ASV Landau) freute sich bei seinem Debüt auf großer Bühne über 5,70 Meter und Rang vier.

Jakob Ingebrigtsen: Fünf EM-Titel mit 20 Jahren

Zweimal über Gold durfte in Torun Jakob Ingebrigtsen jubeln. So wie über 1.500 Meter am Freitag war der Norweger auch am Sonntag über 3.000 Meter (7:48,20 min) eine Klasse für sich. Es waren die EM-Titel vier und fünf für den erst 20-Jährigen. Gleichzeitig gewann zum ersten Mal in der Geschichte dieser Titelkämpfe ein Läufer sowohl die 1.500 Meter als auch das 3.000-Meter-Rennen. „Mein Ziel war es, zweimal Gold zu holen. Ich war überrascht, dass meine Konkurrenten mich mein eigenes Ding machen ließen. Ich glaube, dass ich noch besser werden kann. Und ich will immer der Beste und Schnellste sein. Für die Olympischen Spiele in Tokio sind die 1.500 Meter mein Ziel. Olympisches Gold ist etwas, das ich schon seit meiner Kindheit wollte“, blickte der Lauf-Superstar nach seinem Gold-Double schon wieder voraus auf den Sommer.

Im Dreisprung musste Pedro Pablo Pichardo (Portugal) zu keiner Zeit um seinen Sieg zittern. Mit 17,30 Meter holte sich der zweimalige Freiluft-Vize-Weltmeister bereits im ersten Versuch die Führung und gab sie bis zum Schluss nicht mehr ab. Auch mit all seinen weiteren Versuchen sprang der 27-Jährige weiter als der Zweitplatzierte Alexis Copello (Aserbaidschan; 17,04 m), der den Deutschen Hallenmeister Max Heß im letzten Versuch noch auf den Bronzeplatz verdrängte. Der Chemnitzer gewann mit 17,01 Metern seine dritte Bronzemedaille bei Hallen-Europameisterschaften.

Erst fliegt Max Heß zu Bronze, dann Neele Eckhardt-Noack

Ebenfalls zu Bronze und damit zur sechsten deutschen Medaille in Torun flog Dreispringerin Neele Eckhardt-Noack. Im engsten Dreisprung-Finale der Hallen-EM-Geschichte fehlte der Göttingerin mit 14,52 Metern nur ein Zentimeter zum Titel. Der ging an Patricia Mamona (Landesrekord Portugal; 14,53 m) vor der mit der Deutschen weitengleichen Ana Peleteiro (Spanien). Für Neele Eckhardt-Noack war Bronze Gold wert. Denn die 28-Jährige gewann nicht nur ihre erste Medaille bei einer großen internationalen Meisterschaft, sondern sprang auch 17 Zentimeter weiter als jemals zuvor. Gleichzeitig übertraf sie die Olympia-Norm für Tokio um 20 Zentimeter.

„Die deutsche Mannschaft hat in Torun gut performt. Man hat aber auch gesehen, dass viel mehr in ihr steckt, als sie in Torun in manchen entscheidenden Momenten zeigen konnte“, bilanzierte Annett Stein, Cheftrainerin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. 2019 in Glasgow hatte es fünf Medaillen für die deutsche Mannschaft gegeben.

Maksim Nedasekau gewinnt Höhenjagd

Zu einer echten Höhenjagd entwickelte sich der Hochsprung. Maksim Nedasekau (Weißrussland) sicherte sich den Titel mit neuem Landesrekord und Weltjahresbestleistung von 2,37 Metern. Erst 2,40 Meter waren für den neuen Europameister zu hoch. Der entthronte Titelträger Gianmaco Tamberi (Italien) musste sich mit Silber und 2,35 Metern trösten, während Tobias Potye (LG Stadtwerke München) als Vierter mit eingestellter Hallen-Bestleistung von 2,26 Metern das Podium nur knapp verpasste.

Freiluft-Europameister Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen) hatte erneut mit Fußproblemen zu kämpfen und musste den Wettkampf als Siebter (2,19 m) vorzeitig beenden. Bei den Frauen scheiterte Top-Favoritin Yaroslava Mahuchikh (Ukraine; 2,00 m) erst am neuen Meisterschaftsrekord von 2,07 Metern.

Dreimal die Sieben für Nadine Visser

Eine Schnapszahl sorgte bei Nadine Visser für großen Jubel. Die Niederländerin stürmte über 60 Meter Hürden in 7,77 Sekunden (Weltjahresbestleistung) zum Titel. Die Goldmedaille veredelte sie mit einem neuen Landesrekord. Bei den Männern setzte sich in einem hochklassigem Finale Wilhem Belocian (Frankreich) mit 7,42 Sekunden knapp vor Andy Pozzi (Großbritannien; 7,43 sec) durch. Der Franzose verpasste den Landesrekord von Dimitri Bascou nur um eine Hundertstelsekunde, verbesserte sich aber in der ewigen europäischen Bestenliste auf Rang vier.

Der Siebenkampf wurde zu einer klaren Angelegenheit für den „König der Athleten“. Zehnkampf-Weltrekordler Kevin Mayer (Frankreich) setzte sich mit der Weltjahresbestleistung von 6.392 Punkten vor Titelverteidiger Jorge Urena (Spanien; 6.158 Punkte) und Pawel Wiesolek (Polen; 6.133 Punkte) durch. Der auf Medaillenkurs liegende junge Schweizer Simon Ehammer musste nach einem „Salto Nullo“ im Stabhochsprung seine Ambitionen auf Edelmetall begraben. Andreas Bechmann (Eintracht Frankfurt) beendete den Siebenkampf mit 5.995 Punkten als Sechster und nur einem Schuh. Bei den finalen 1.000 Metern war er direkt nach dem Start aus dem Schuh gerutscht.

Keely Hodgkinson: Mit 19 Jahren schon Schnellste über 800 Meter

Auch neue Gesichter sorgten in Torun für Aufsehen. So lief Keely Hodgkinson (Großbritannien) vier Tage nach ihrem 19. Geburtstag in 2:03,88 Minuten zum 800-Meter-Titel. Die U20-Hallenweltrekordlerin ist damit die jüngste Medaillengewinnerin in dieser Disziplin bei Hallen-Europameisterschaften. Bei den Männern gab’s einen polnischen Doppelsieg – und das ohne Beteiligung von Adam Kszczot (1:47,23 min). Der dreimalige Hallen-Europameister musste diesmal mit der „Holzmedaille“ Vorlieb nehmen. Seine Landsleute Patryk Dobek (1:46,81 min), der eigentlich 400-Meter-Hürdenläufer ist und seine erste Saison auf der kurzen Mittelstrecke bestreitet, sowie Mateusz Borkowski (1:46,90 min) vertraten ihn auf dem Podium standesgemäß.

Apropos Podium: Das war bei den abschließenden 4x400-Meter-Staffeln fest in der Hand der Niederlande. Sowohl bei den Männern (3:06,06 min) als auch bei den Frauen (3:27,15 min; Meisterschaftsrekord) war „Oranje“ nicht zu schlagen. Diese beiden Goldmedaillen zum Abschluss der 36. Hallen-EM bescherte den Niederlanden im Endspurt Platz eins im Medaillenspiegel (4-1-2).

Hallen-EM 2021 Torun

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024