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Christina Schwanitz: Mit Leidenschaft und Optimismus zurück in der Weltspitze

Mit 19,11 Metern hat sich Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) im Januar nach fast anderthalb Jahren Wettkampfpause im Ring stark zurückgemeldet. Als derzeit Zweite der Weltjahresbestenliste gilt sie nicht nur bei der Hallen-DM als klare Favoritin, sondern könnte sich auch bei der Hallen-EM den Wunsch von einer Medaille erfüllen. Mit leichtathletik.de hat sie darüber gesprochen, wie sie trotz Verletzungen, Corona und Doppelbelastung als Sportlerin und Mutter wieder zu alter Stärke gefunden hat.
js/sb

Ihr Optimismus wiegt schwerer als jedes Gewicht, das sie im Training stemmt. Denn obwohl Christina Schwanitz 2020 erst durch Knieprobleme, dann durch einen Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule und schließlich auch durch zusätzliche Strapazen aufgrund der Corona-Pandemie in ihrer Leidenschaft, dem Kugelstoßen, ausgebremst wurde, kann sie dem Jahr dennoch etwas Positives abgewinnen: „Ich hatte noch nie so viel Zeit mit meiner Familie, und auch meine eigenen vier Wände so zu ‚genießen‘ und mal im Garten herumzutoben und die Entwicklung der Kinder zu erleben. Neben allem Schlechten ist auch immer etwas Gutes.“

Rückblickend habe sie wahrscheinlich mehr den Spagat als das Kugelstoßen geübt – den Spagat zwischen Beruf und Familie. Durch die Corona-Situation zusätzlich erschwert, habe sie erkennen müssen: „Zwei Jobs zu 100 Prozent auszufüllen, das funktioniert nicht.“ In Anspielung auf den Bandscheibenvorfall sagt sie: „Mir hat es regelrecht das Genick gebrochen.“ Denn nach acht Stunden Training und allem, was zum Beruf Hochleistungssportlerin dazu gehört, am Abend noch genug Kraft für den Job als Zwillingsmama zu haben, fiel auch der Powerfrau aus Chemnitz schwer.

Dennoch habe sie viel daraus gelernt und das Beste draus gemacht. Etwa einen kleinen Kraftraum im heimischen Gästezimmer eingerichtet, mit Yoga-Matte und Ergometer. Hier durften dann auch mal die beiden etwa 20 Kilogramm schweren Kinder mit dabei sein und auf der Schulter der Mama bei Kniebeugen und leichteren Sprüngen als Gewicht unterstützen: „Die beiden hatten ihren Spaß dabei und ich zusätzliches Stabilisationstraining für die feinere Tiefenmuskulatur, weil sie sich im Gegensatz zu einer bloßen Gewichtsscheibe bewegt haben“, erzählt Schwanitz mit einem Lachen.

Nach dem Comeback auch in der Weltspitze wieder konkurrenzfähig

Ihr mitreißendes Lachen hat sie trotz aller Beschwerlichkeiten im vergangenen Jahr nicht verloren. Von ihrem Körper dazu gezwungen, einen Gang herunter zu schalten, hat die 35-Jährige sich nach dem Bandscheibenvorfall im Mai viel Zeit gegeben, zu regenerieren und sich auch bewusst gegen eine Operation entschieden – zu viel Respekt habe sie vor einem Eingriff so weit oben im Genick. Nach viel Reha-Training und Entschleunigung pochte ihr Herz vor dem ersten Wettkampf im Januar umso schneller. „Ich war mega aufgeregt, schon Tage zuvor sind der Adrenalinspielgel und die Anspannung gestiegen. Ich wollte einfach wissen, was noch geht und ob ich die Trainingsleistungen im Wettkampf schon umsetzen kann“, sagt sie.

Das konnte sie. Nach einem Versuch auf 19,11 Meter sei ihr „ein Stein vom Herzen gefallen. Einfach weil die Kugel so weit geflogen ist, dass ich auch in der Weltspitze konkurrenzfähig bin“, sagt sie. Zwar liege sie damit noch weit hinter ihrer Bestleistung von 20,77 Metern, doch in Relation zur aktuellen Weltspitze könne sie zufrieden sein. Und selbstverständlich sei ein starkes Comeback nach längerer Pause nie – diese Erfahrung hatte sie bereits nach der Geburt ihrer Zwillinge 2017 gemacht.

Dass ihr trotz 22 Jahren Hochleistungssport dann doch ein wenig die Routine fehlte, machte sich in Karlsruhe bemerkbar. Mit einer Dreierserie auf 18,27 Meter konnte die WM-Dritte von 2019 nicht zufrieden sein. Und gibt zu: „Ich war einfach noch überfordert.“ Denn anders als viele ihrer Konkurrentinnen kannte sie Wettkämpfe unter den Hygienemaßnahmen aufgrund von Corona noch nicht, war nicht eingespielt mit den Abläufen und der eingeengten Bewegungsfreiheit zur Wahrung der Mindestabstände. Beim dritten Wettkampf in Rochlitz schließlich fand sie schon wesentlich besser zurück in den Wettkampf-Modus.

Mit der Kugel in der Hand glücklich und zufrieden

Und spätestens in Liévin (Frankreich) profitierte sie nicht nur von all ihrer Erfahrung im Hochleistungssport, sondern auch von der damit entwickelten Charakterstärke und Reife. Als sie nach einer mehr als chaotischen Anreise und einem Corona-Schnelltest plötzlich allein gelassen in einem Labor stand, verlor sie nicht die Nerven, sondern antwortete im Ring mit einer stabilen Serie nur knapp unter den 19 Metern. „Das hat gezeigt, wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt Schwanitz.

Und dieser soll sie über die Deutschen Hallenmeisterschaften am 20./21. Februar in Dortmund und die Hallen-EM in Torun (Polen, 4. bis 7. März) im Sommer auch zu ihren vierten Olympischen Spielen nach Tokio führen. Wenngleich sie nicht der Illusion erliegt, ein glamouröses Fest des internationalen Sports zu erleben. „Stand heute wird es nichts mit dem olympischen Umfeld zu tun haben, wie ich die Spiele kennenlernen durfte, als noch alles normal war“, sagt sie. Die Sechste der Olympischen Spiele von 2016 in Rio vergleicht die kommenten Spiele daher lieber mit einem Diamond League- oder WM-Finale.

Kugelstoßen macht "einfach nur glücklich"

Der Endpunkt der Karriere sollen die Spiele jedoch nicht sein. Und wer Christina Schwanitz dabei zuhört, wie sie von ihrer Sportart schwärmt, der versteht auch, dass da die pure Leidenschaft aus ihr spricht. „Ich liebe meinen Sport. Ich liebe es, die Kugel wegzuschmeißen, um ihr hinterher zu laufen und sie wieder zu holen“, sagt sie mit voller Hingabe. An Motivation und Spaß habe es ihr nie gefehlt, es gebe keinen Tag, an dem sie ohne Elan ins Training gehe.

„Und so lang der Geist noch willig und das Fleisch stabil ist, um meinen Sport auf hohem Niveau auszuüben, lohnt sich der Aufwand im Verhältnis zum Ergebnis auch“. Allein bei den wenigen Wettkämpfen in der laufenden Hallensaison habe sie gemerkt, dass „wenn ich die Kugel in der Hand habe, sich das mega toll anfühlt. Da fühle ich mich wohl, bin zufrieden und einfach nur glücklich. Und so lange das noch so ist, ist das Kugelstoßen genau das Richtige, was ich in meinem Leben derzeit mache!“

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