| Disziplin-Check 2020

LANGSTRECKE MÄNNER | Mohamed Mohumed und Maximilian Thorwirth drehen auf

Abgebrochene Trainingslager, phasenweise sportlicher Stillstand, die Olympia-Absage, eine zaghafte Rückkehr ins Training, erste Wettkämpfe und dann doch noch eine Late Season mit einigen bemerkenswerten Leistungen: Die Saison 2020 im Jahr der Corona-Pandemie war eine ganz besondere, die allen Beteiligten viel abverlangt hat. Wir blicken mit den Disziplinverantwortlichen im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) zurück auf die vergangenen Monate, ziehen Bilanz und wagen einen Ausblick auf die Olympia-Saison 2021. Heute: die Langstrecke der Männer.
Nicolas Walter

Fazit des Bundestrainers

André Höhne, wie haben Sie persönlich das Corona-Jahr 2020 erlebt – als Bundestrainer und als Heimtrainer?

André Höhne:

Für den Laufbereich war es ein sehr schwieriges Jahr. Wir haben uns Anfang des Jahres normal vorbereitet und den Fokus auf die Olympischen Spiele gelegt. Als dann das zweite Höhentrainingslager Anfang März abgebrochen und schließlich auch die Wettkämpfe abgesagt werden mussten, entstand eine große Unsicherheit. Sowohl die Athleten als auch wir Trainer sind in ein tiefes Loch gefallen, weil alle viel Zeit und Arbeit investiert haben und nicht wussten, wie es weitergehen wird. Die Athleten sind damit unterschiedlich umgegangen: Manche haben einfach weitertrainiert, andere haben erstmal abgewartet und Kräfte gesammelt.

Was waren die größten Herausforderungen für Sie und die deutschen Langstreckler?

André Höhne:

Die größte Herausforderung war es, überhaupt wieder Wettkämpfe zu finden. Gerade der Langstrecken-Bereich hat bis zum Ende der Saison kaum Wettkampf-Möglichkeiten gehabt. Glücklicherweise konnten die 5.000 Meter noch in das Programm der Deutschen Meisterschaften in Braunschweig aufgenommen werden. Ansonsten gab es zwar vereinzelt ein paar Wettkämpfe, aber dort hatten die Athleten sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Das war eine schwere Situation und wir schauen teilweise neidvoll auf die anderen Disziplinblöcke, die mehr Wettkämpfe absolvieren konnten. Das ging bei uns leider nicht.

Welche Athleten haben sich 2020 trotz der veränderten Rahmenbedingungen am positivsten entwickelt?

André Höhne:

Im Langstreckenbereich der Männer möchte ich vor allem zwei Athleten hervorheben: Mohamed Mohumed und Maximilian Thorwirth. Mohamed Mohumed hat im Jahr seiner Abiturprüfung eine sehr starke Late Season gezeigt und sich in Braunschweig über 5.000 Meter grandios den Titel gesichert. Maximilian Thorwith absolvierte eine sehr vielversprechende Hallensaison mit dem DM-Titel über 3.000 Meter, hat danach aber kaum noch Wettkämpfe gefunden, bei denen er sein Leistungspotential vollständig zeigen konnte. Dennoch war es auch für ihn ein sehr gutes Jahr, in dem er seine persönliche Bestzeit über 5.000 Meter verbessern konnte.

Wie wollen und können Sie die Kader-Arbeit in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in den kommenden Monaten gestalten?

André Höhne:

Das ist im Moment der Blick in die große Glaskugel, da sich fast im 24-Stunden-Takt die Corona-Lage verändert. Im Optimalfall können wir mit den Athleten, die eine reelle Chance auf die Olympischen Spiele haben, eine Verkettung der Höhentrainingslager durchführen. Aber da müssen wir abwarten, wie sich die politische Lage entwickeln wird. Ansonsten müssen wir hier in Deutschland ein Stützpunkttraining und Trainingsgruppen gewährleisten, sodass sich die Athleten auch ohne Trainingslager optimal auf die Qualifikationswettkämpfe und die anschließenden Spiele vorbereiten können.

Welche Präsenz und Leistung erhoffen Sie sich in Tokio von den deutschen Langstrecklern?

André Höhne:

In der momentanen Situation ist das sehr schwierig einzuschätzen. Daher sollten wir vor allem Rücksicht auf die Athleten und die schwierigen Bedingungen nehmen. Ich bin mir sicher, dass alle Athleten ihr Bestes geben werden, aber wir sollten gleichzeitig davon Abstand nehmen, dass es die absoluten Durchbrüche geben wird. Daher wäre ich glücklich, wenn wir über 5.000 und 10.00 Meter jeweils ein oder zwei Athleten zu den Spielen schicken könnten.

Mit welchen Hoffnungen und Erwartungen blicken Sie aufs Leichtathletik-Jahr 2021?

André Höhne:

Ich hoffe, dass wir die Pandemie in den Griff bekommen und es wieder einen geregelten Ablauf geben wird, sodass Planungen wieder zuverlässig getroffen werden können. Zudem erhoffe ich mir, dass die Olympischen Spiele stattfinden und wir mit einer starken Nationalmannschaft in Tokio teilnehmen können.

Unser "Ass des Jahres"

Mohamed Mohumed (LG Olympia Dortmund)

Deutscher Meister über 5.000 Meter
Jahresschnellster über 5.000 Meter

Unser "Talent des Jahres"

Max Grabosch (Königsteiner LV)

Jahresschnellster über 10.000 Meter
Schnellste deutsche U20-Zeit über 10.000 Meter seit 2017

Die deutschen Top Ten 2020

5.000 Meter

Zeit Name Jahrgang Verein
13:23,71 min Mohamed Mohumed 1999 LG Olympia Dortmund
13:34,82 min Maximilian Thorwirth 1995 SFD 75 Düsseldorf-Süd
13:35,56 min Samuel Fitwi Sibhatu 1996 LG Vulkaneifel
13:42,72 min Davor Aaron Bienenfeld 1997 SSC Hanau-Rodenbach
13:54,48 min Simon Boch 1994 LG Telis Finanz Regensburg
13:56,26 min Johannes Motschmann 1994 SCC Berlin
13:58,58 min Markus Görger 1998 LG Region Karlsruhe
13:59,53 min Tobias Blum 1995 LC Rehlingen
14:06,43 min Florian Orth 1989 LG Telis Finanz Regensburg
14:06,95 min Thorben Dietz 1989 LG Filstal

10.000 Meter  

Zeit Name Jahrgang Verein
28:31,94 min Simon Boch 1994 LG Telis Finanz Regensburg
29:12,78 min Dominik Notz 1993 LG Telis Finanz Regensburg
29:13,53 min Kilian Schreiner 1993 ASC 1990 Breidenbach
29:13,79 min Tim Ramdane Cherif 1994 LG Telis Finanz Regensburg
29:15,20 min Thorben Dietz 1989 LG Filstal
29:19,92 min Simon Stützel 1986 LG Region Karlsruhe
29:33,09 min Alexander Hirschhäuser 1992 ASC 1990 Breidenbach
29:34,03 min Kevin Key 1992 LG Telis Finanz Regensburg
29:36,98 min Dustin Uhlig 1999 TSG 1845 Heilbronn
29:40,36 min Mario Wernsdörfer 1987 LG Bamberg

Statistik ­– Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top­-Niveau 5.000 Meter

Jahr < 13:22,50 * Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005  –  13:34,68 13:43,30 13:51,84
2006  –  13:32,98 13:40,10 13:50,72
2007  1 13:27,31 13:40,85 13:53,90
2008  –  13:34,84 13:44,99 13:56,52
2009  _ 13:46,40 13:51,21 13:59,29
2010  _ 13:43,77 13:48,66 13:56,23
2011  –  13:40,58 13:47,10 13:55,34
2012  1 13:28,23 13:34,25 13:49,15
2013  1 13:24,78 13:35,45 13:47,67
2014  –  13:29,53 13:33,65 13:45,31
2015  1 13:23,37 13:28,38 13:40,31
2016  1 13:32,45 13:35,64 13:50,59
2017  1 13:27,32 13:34,89 13:44,44
2018  1 13:30,22 13:33,78 13:43,23
2019  2 13:19,76 13:26,95 13:36,75
2020 –  13:31,36 13:38,26 13:49,90

Das deutsche Top­-Niveau 10.000 Meter

Jahr < 27:40,00 * Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005  –  29:22,95 29:34,07 29:49,62
2006  –  28:23,63 28:52,07 29:34,00
2007  _ 28:51,75 29:04,20 29:37,34
2008  –  28:40,31 29:02,11 29:39,17
2009  _ 29:43,24 29:46,16 29:55,04
2010  _ 28:37,91 28:44,99 29:11,04
2011  –  28:59,77 29:17,19 29:46,11
2012  _ 29:01,27 29:14,86 29:34,45
2013  _ 29:14,68 29:23,48 29:39,91
2014  –  28:21,53 28:35,00 28:51,49
2015  1 28:31,36 28:48,59 29:08,76
2016  _ 29:18,77 29:28,22 29:43,65
2017  _ 28:50,60 29:00,84 29:18,64
2018  1 28:16,02 28:28,45 28:59,88
2019  _ 28:16,08 28:29,12 28:46,03
2020  –  28:59,41 29:05,45 29:19,16

Entwicklung Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich 5.000 Meter

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 13:29,37 (Fitschen) 13:07,63 (Bakken/NOR) 21,74 12:40,18 (Bekele/ETH) 49,19
2006 13:27,48 (Fitschen) 13:08,97 (Cragg/IRL) 18,51 12:48,09 (Bekele/ETH) 39,39
2007 13:14,85 (Fitschen) 13:07,00 (Farah/GBR) 7,85 12:49,53 (Bekele/ETH) 25,32
2008 13:26,69 (Gabius) 13:04,06 (Rizki/BEL) 22,63 12:50,18 (Bekele/ETH) 36,51
2009 13:28,45 (Gabius) 13:09,14 (Farah/GBR) 19,31 12:52,32 (Bekele/ETH) 36,13
2010 13:31,86 (Gabius) 12:57,25 (Bezabeh/ESP) 34,61 12:51,21 (Kipchoge/KEN) 40,65
2011 13:32,08 (Gabius) 12:53,11 (Farah/GBR) 38,97 12:53,11 (Farah/GBR) 38,97
2012 13:13,43 (Gabius) 12:56,98 (Farah/GBR) 16,45 12:46,81 (Gebremeskel/ETH) 26,62
2013 13:12,50 (Gabius) 13:05,88 (Farah/GBR) 6,62 12:51,34 (Soi/KEN) 21,16
2014 13:25,23 (Ringer) 13:09,17 (Ibrahimov/AZE) 16,06 12:54,83 (Edris/ETH) 20,40
2015 13:10,94 (Ringer) 13:00,31 (Kaya/TUR) 9,63 12:53,98 (Kejelcha/ ETH) 16,96
2016 13:23,67 (Orth) 12:59,29 (Farah/GBR) 24,38 12:59,29 (Farah/GBR) 24,38
2017 13:13,46 (Ringer) 13:00,70 (Farah/GBR) 12,76 12:55,23 (Edris/ETH) 18,23
2018 13:22,48 (Ringer) 13:04,91(Abdi/BEL) 17,57 12:43,02 (Barega/ETH) 29,46
2019 13:14,43 (Ringer) 13:02,03 (J.Ingebrigtsen/NOR) 12,40 12:52,98 (Bekele/ETH) 21.45
2020 13:23,71 (Mohumed) 13:02,26 (Crippa/ITA) 21,45 12:35,36 (Cheptegei/UGA) 48,35

Entwicklung Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich 10.000 Meter

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 29:10,54 (Pollmächer) 27:42,90 (Martinez/ESP) 1:27,64 26:17,53 (Bekele/ETH) 2:53,01
2006 28:10,54 (Fitschen) 27:50,11 (De la Ossa/ESP) 20,43 26:35,63 (Kogo/KEN) 1:34,91
2007 27:55,56 (Pollmächer) 27:39,55 (Gragg/IRL) 16,01 26:46,19 (Bekele/ETH) 1:09,37
2008 28:02,55 (Fitschen) 27:29,33 (Bayrak/TUR) 33,22 26:25,97 (Bekele/ETH) 1:36,58
2009 29:40,06 (Ghirmai) 27:48,80 (Castillejo/ESP) 1:51,26 26:46,31 (Bekele/ETH) 2:53,25
2010 28:32,20 (Fitschen) 27:28,86 (Farah/GBR) 1:03,34 26:56,74 (Menjo/KEN) 1:35,45
2011 28:39,57 (Pollmächer) 26:46,57 (Farah/GBR) 1:53,00 26:43,16 (Bekele/ETH) 1:56,41
2012 28:45,76 (Pflieger) 27:30,42 (Farah/GBR) 1:15,34 26:51,16 (Bett/KEN) 1:54,60
2013 29:08,44 (Tesfaye) 27:21,71 (Farah/GBR) 1:46,73 26:51,02 (Gebremeskel/ETH) 2:17,42
2014 27:55,35 (Gabius) 27:36,40  (Abdi/BEL) 18,95 26:44,36 (Rupp/USA) 1:10,99
2015 27:43,93 (Gabius) 26:50,97 (Farah/GBR) 52,96 26:50,97 (Farah/GBR) 52,96
2016 28:57,27 (Göhler) 26:53,71 (Farah/GBR) 2:03,56 26:51,11 (Demelash/ETH) 2:07,16
2017 28:05,96 (Ringer) 26:49,51 (Farah/GBR) 1:16,45 26:49,51 (Farah/GBR) 1:16,45
2018 27:36,52 (Ringer) 27:36,52 (Ringer) _ 27:19,62 (Cheptegei/UGA) 16,90
2019 27:52,25 (Petros) 27:10,76 (Crippa/ITA) 41,49 26:48,36 (Cheptegei/UGA) 1:04,99
2020 28:31,94 (Boch) 27:59,10 (Foppen/NED) 32,84 26:11,00 (Cheptegei/UGA) 2:20,94

Das fällt auf:

  • Die Langstreckler hatten im Jahr 2020 ungleich weniger Wettkampf-Gelegenheiten als Athleten anderer Strecken oder Disziplinen.
  • Mit Maximilian Thorwirth in der Halle und Mohamed Mohumed im Freien haben zwei neue Gesichter die deutsche Läuferszene aufgemischt.
  • Über 3.000 und 10.000 Meter konnte Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg) mit neuen Bestleistungen die Pole Position erobern – ein Vorgeschmack auf seinen glänzenden Auftritt bei der Halbmarathon-WM.
  • Zum ersten Mal seit 2017 heißt der schnellste Deutsche über 5.000 Meter nicht Richard Ringer, sondern Mohamed Mohumed – und in der U20 führt dessen jüngerer Bruder Yassin Mohumed als Deutscher U20-Meister die Ranglisten auf dieser Strecke an.
  • Eine starke 10.000 Meter-Zeit der U20 geht auf das Konto von Max Grabosch (Königsteiner LV), der gleich in seinem ersten Rennen über diese Strecke schon nach 30:19,20 Minuten im Ziel war und damit mehr als zwei Minuten Vorsprung auf die deutsche Nummer zwei des Jahres hat.
  • International heißt der Mann des Jahres 2020 Joshua Cheptegei: Der Läufer aus Uganda brach sowohl den Weltrekord über 5.000 als auch über 10.000 Meter.
  • Das Top-Niveau lag insgesamt weltweit sowohl über 5.000 als auch über 10.000 Meter teils deutlich über dem der Vorjahre – als eine der Ursachen sehen viele Experten auch die Verwendung eines neuen Schuhs des Sportartikelherstellers Nike.

leichtathletik.TV-Clips:

5.000 Meter

Zu den weiteren Disziplin-Checks:

Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Mittelstrecke Frauen
Mittelstrecke Männer
Langstrecke Frauen

* als Referenzwert dienen die WM-Normen des Jahres 2017

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