Nachwuchs-Mehrkämpferin Lucie Kienast hat ein neues Kapitel in ihrer noch jungen Karriere aufgeschlagen. Der Verein ist geblieben, nur die Trainingsgruppe hat sich geändert. Gecoacht wird die U20-Siebenkämpferin vom SV Halle seit zwei Monaten von Wolfgang Kühne, der schon Mehrkämpfer wie Michael Schrader und Rico Freimuth sowie Hürdensprinterin Cindy Roleder in die Weltspitze geführt hat.
Geplant hatte Mehrkämpferin Lucie Kienast den Trainerwechsel zu Wolfgang Kühne nicht. Zumal die 19-Jährige vom SV Halle bei ihrem ehemaligen Trainer Kai Dockhorn in sehr guten Händen war. Noch in der Hallensaison steigerte Lucie Kienast ihre Bestmarke im Weitsprung auf 6,48 Meter. „Ich kann mich wirklich nicht beschweren. Herr Dockhorn ist ein richtig guter Trainer, dem ich unfassbar viel zu verdanken habe. Der Wechsel zu Herrn Kühne hat sich einfach so ergeben. Er war auch im Nachhinein der einzig richtige Schritt für mich“, berichtet die Deutsche U20-Hallenmeisterin im Fünfkampf.
Begonnen habe alles noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, als sie mit Cindy Roleder ins Trainingslager nach Südafrika flog. Geblieben sind beiden damals drei Tage. „Herr Kühne wäre nachgekommen. Als sich die Corona-Situation weiter verschärfte, sind wir nach einigem Hin und Her zurück nach Hause geflogen. Ich bekam weiterhin die Möglichkeit, am Olympiastützpunkt in Halle zu trainieren. Mein Trainer war die ersten Wochen aufgrund einer starken Allergie nicht beim Training dabei. So hat es sich ergeben, dass ich bei Herrn Kühne und mit Cindy trainiert habe“, erklärt Lucie Kienast die anfängliche Übergangslösung.
Nach oben orientieren
Die neuen Impulse brachten die junge Athletin in einen Gewissenskonflikt. „Ich habe gemerkt, das Training bringt mich voran, ich habe in den Disziplinen extreme Sprünge gemacht“, hebt sie die positiven Effekte hervor. Ein weiterer Punkt betraf die Trainingsgruppe, in der sie zuletzt am Ende die Beste war. „Ich mag es lieber, wenn ich mich nach oben orientieren kann und muss, und nicht die Beste bin.“
Und das bietet das neue Trainingsumfeld unter anderem mit Zehnkämpfer Marvin Bollinger und Hürdenass Cindy Roleder. „Ich arbeite oft mit Marvin zusammen oder habe Einzeltraining. Die Atmosphäre ist wirklich angenehm. Die Gespräche in der Trainingsgruppe genieße ich total, das neue Umfeld bringt mich weiter nach vorn.“
Fühlt sich als Spätstarterin
Schon jetzt erhielt das erste Kapitel der recht jungen Zusammenarbeit mit Wolfgang Kühne einen positiven Zwischenpunkt. Bei den Mitteldeutschen Mehrkampf-Meisterschaften in Halle/Saale knackte Lucie Kienast die 6.000-Punkte-Marke. „Das ist schon krass. Wobei ich sagen muss, dass dieser Siebenkampf für mich nicht optimal verlaufen war.“ Wertvolle Punkte ließ sie im Hochsprung (1,68 m) und im Weitsprung (6,22 m) liegen. Doch auch in den anderen fünf Disziplinen steckt noch reichlich Potenzial.
„Ich fühle mich ein bisschen als Spätstarterin, weil ich erst zur 9. Klasse an die Sportschule gekommen bin. Ich bin 1,90 Meter groß, das kann ein ungeheurer Vorteil im Sport sein, wenn man das auch einzusetzen weiß. Allerdings bin ich noch dabei, das zu lernen. Ich denke, damit lassen sich auch meine enormen Leistungssprünge erklären, mit dieser Größe hat man halt einfach mehr Möglichkeiten.“
Heike Drechsler gibt Impulse im Weitsprung
Selbst in ihrer Paradedisziplin. Beim Weitsprung hat Lucie Kienast seit anderthalb Jahren eine ehemalige Weltklasse-Athletin als Beraterin an ihrer Seite: Heike Drechsler. Das Glück führte die beiden bei den Deutschen Hallenmeisterschaften 2019 in Leipzig zueinander. Die eine Athletin, die andere Kampfrichterin beim Weitsprung.
„Wir sind nach dem Wettkampf locker ins Gespräch gekommen und mittlerweile ziemlich gut befreundet. Wenn ich ein Problem habe, dann kann ich sie anrufen. Ich schicke ihr oftmals Videos vom Training oder nach dem Wettkampf und bekomme immer eine Rückmeldung, was gut oder weniger gut war. So erhalte ich andere, neue Impuls aus einem ganz anderen Blickwinkel“, zeigt sich Lucie Kienast über diese Verbindung erfreut.
Beide vereint einige Gemeinsamkeiten. Heike Drechsler war Siebenkämpferin, ehe sie als Weitspringerin in der Weltklasse durchstartete. „Ich kann viel von ihr lernen. Auch menschlich ist sie auf dem Boden geblieben. Sie liebt den Sport und lebt auch immer noch für den Sport. Das tue ich auch“, sagt die junge Mehrkämpferin.
Noch reichlich Luft nach oben
Als neuer Ratgeber an ihrer Seite fungiert nun Wolfgang Kühne, der ihr sichtlich gut tut. Die ruhige Art des erfahrenen Trainers kommt an. „Für mich ist Herr Kühne der Fels in der Brandung. Er hat schon alles als Trainer erlebt. Mich fasziniert, dass er in jeder Situation ruhig bleibt. So jemanden brauche ich“, betont Lucie Kienast.
Dieses ruhige Miteinander war beim Heimspiel deutlich zu spüren. Es war ihr erster Siebenkampf in diesem Corona-Sommer. Und nicht ihr letzter. Glaubt man ihrer eigenen Statistik, dann waren die 6.009 Punkte erst der Anfang. „In den letzten Jahren war der erste Siebenkampf der Saison zwar schon immer eine Bestleistung, aber noch nicht die beste Leistung im Saisonverlauf. Meist braucht man einen, um wieder reinzukommen. Beim nächsten Siebenkampf könnte das schon alles ganz anders aussehen.“
Jetzt geht es erstmal auf Weitenjagd: Zuerst bei der Kurpfalz-Gala light (1. August) sowie möglicherweise bei der DM in Braunschweig (8./9. September). Der nächste Siebenkampf wird dann bei den Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften in Vaterstetten (21. bis 23. August) über die Bühne gehen. „Ich will dort einfach Spaß haben und locker bleiben. Das Training zeigt, dass in jeder Disziplin unfassbar viel Potenzial steckt. Am Ende geht es darum, im Wettkampf entspannt zu bleiben. Ich weiß, Herr Kühne bringt mich auf den Punkt fit. Das hat er bei jedem seiner Athleten geschafft.“ Schließlich wollen sie die Erfolgsgeschichte weiter fortschreiben. Auch über das letzte U20-Jahr hinaus.