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Der große Disziplin-Check 2019 – Speerwurf Männer

Die Wettkampfsaison 2019 ist Geschichte. Ein langes Jahr, ein spannendes Jahr Leichtathletik liegt hinter uns. Der Höhepunkt? Zweifelsohne die WM in Doha. Doch auch in der Halle und bei den internationalen Nachwuchs-Meisterschaften machten die deutschen Athleten von sich reden. Wir blicken in unseren jährlichen Disziplinanalysen zurück und ziehen Bilanz. Heute: der Speerwurf der Männer.
Alexandra Dersch

Fazit des Bundestrainers

Boris Obergföll, wie fällt Ihre Bilanz für das WM-Jahr 2019 aus?

Boris Obergföll:

Eine Medaille bei der WM – das war im Vorfeld unser Mini-Minimalziel. Wenn wir ehrlich sind, hatten wir uns natürlich deutlich mehr vorgenommen. Zwei, wenn nicht gar drei deutsche Medaillen. Die Jungs haben das Vermögen dazu. Aber dieses Jahr hat uns wieder einmal gelehrt, dass Weiten jenseits der 90 Meter keine Selbstverständlichkeit sind, dass im Speerwurf minimale technische Fehler große Auswirkungen haben und dass Gesundheit eben alles ist. Wobei sich auch festhalten lassen muss: Wir sind natürlich extrem verwöhnt vom Niveau der letzten Jahre.

Das ganze Jahr war durchwachsen und geprägt von verschiedenen Verletzungen oder Problemen. Johannes Vetter hatte mit großen Problemen zu kämpfen, Andi Hoffmann hatte eine Verletzung in der Schulter, Julian Weber Probleme mit dem Fuß, Bernhard Seifert hatte auch eine Fußverletzung, die seinen Leistungsabfall auch erklärt, und auch Thomas Röhler war nicht ganz fit. Wären alle gesund geblieben, hätten wir sicherlich ein anderes Ergebnis in Doha zeigen können. So konnte man sehen, dass es eben doch nicht immer 90 Meter braucht, um Weltmeister zu werden, an manchen Tagen reichen eben auch 87 Meter.

Aber so ist der Sport. Unterm Strich bin ich nicht unzufrieden. Ich glaube sogar, dass wir aus dieser Saison viel mitnehmen werden und nicht leichtfertig in die kommenden Monate gehen. Dieses Abschneiden hat unsere, und damit meine ich alle Trainer, Sinne geschärft.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Boris Obergföll:

Mein Highlight war das Verhalten von Bernhard Seifert, als er als damals Vierter der Weltbestenliste und bereits nominiert für die WM seinen Startplatz aus freien Stücken an Julian Weber übergeben hat. Das fand ich wirklich stark. Julian konnte diese Geste, die alles andere als selbstverständlich ist, mit seinem sechsten Platz in Doha rechtfertigen.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison mit den Olympischen Spielen in Tokio und der EM in Paris?

Boris Obergföll:

Gesundheitsmanagement ist das große Thema. Julian Weber, Bernhard Seifert und Johannes Vetter wurden nach der Saison alle drei am Fuß operiert. Jetzt müssen sie wieder auf die Beine kommen und das kommende Jahr angehen. Es sieht bei allen aber gut aus, sodass ich da keine Bedenken habe, auch wenn die Saison mit den Deutschen Meisterschaften Anfang Juni schon recht früh beginnt. Insgesamt ist das übergeordnete Ziel, dass allesamt gesund bleiben, dann kann es auch wieder richtig weit gehen.

Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf den Olympischen Spielen. Wir haben fünf Athleten, die das Vermögen haben, hier im Finale eine sehr gute Rolle zu spielen, und die sogar klare Kandidaten für die Medaillen sind. Ich habe aber nur drei Plätze. Es wird also im Vorfeld schon wieder sehr spannend. Hinzu kommt, dass Magnus Kirt sich bei der WM schwer an der Schulter verletzt hat. Da kann man noch gar nicht abschätzen, ob er im kommenden Jahr überhaupt dabei sein kann. Mit ihm würde der ärgste Kontrahent bei den Olympischen Spielen fehlen – zumindest wenn man die Leistungen aus diesem Jahr betrachtet.

Die Europameisterschaft wird in einem Olympiajahr für uns eine untergeordnete Rolle spielen, wobei wir hier, dank Thomas Röhlers Goldmedaille bei der letzten EM in Berlin, vier Startplätze haben, und eine EM-Medaille macht sich immer gut im Lebenslauf. Wer weiß, vielleicht hören wir hier dann ja die deutsche Hymne und sehen drei deutsche Flaggen bei der Siegerehrung – das fänd' ich schon cool.

Internationale Erfolge 2019

  Medaillen (Weitere) Final-Platzierungen
WM Bronze: Johannes Vetter 6. Platz Julian Weber
U23-EM  –  –
U20-EM  – 7. Maurice Voigt, 11. Niklas Sagawe
EYOF  –  –

Die deutschen Top Ten 2019

Speerwurf Männer

Weite Name Jahrgang Verein
90,03 m Johannes Vetter 1993 LG Offenburg
89,65 m Andreas Hofmann 1991 MTG Mannheim
89,06 m Bernhard Seifert 1993 SC Potsdam
86,99 m Thomas Röhler 1991 LC Jena
86,86 m Julian Weber 1994 USC Mainz
79,05 m Niklas Kaul 1998 USC Mainz
75,47 m Maurice Voigt 2000 LC Jena
74,51 m Gordon Schulz 2001 SC Magdeburg
74,25 m Ricko Meckes 1992 LG Teck
74,23 m Jonas Bonewit 1995 LG Stadtwerke München

Statistik – Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau: Speerwurf Männer

Jahr < 83,00
(WM-Norm 2017)
Schnitt
Top 3
Schnitt
Top 5
Schnitt
Top 10
2005  3 83,72 82,73 79,71
2006  3 84,32 82,81 79,48
2007  - 82,49 81,61 80,05
2008  2 83,16 82,54 79,90
2009  2 82,87 81,58 79,67
2010  1 83,60 81,60 79,02
2011  2 85,09 82,82 79,94
2012  2 81,74 81,36 79,75
2013  2 83,52 82,55 80,45
2014  2 84,83 82,91 78,89
2015  4 86,94 85,24 81,56
2016  4 89,71 88,07 82,22
2017  6 93,14 90,39 83,99
2018  5 92,18 89,67 82,33
2019  5 89,58 88,32 82,01

Entwicklung der internationalen Jahresbestleistungen

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 84,88 (M. Frank) 91,53 (Pitkämäki/FIN) 6,65 91,53 (Pitkämäki/FIN) 6,65
2006 85,30 (P. Esenwein) 91,59 (Thorkildsen/NOR) 6,29 91,59 (Thorkildsen/NOR) 6,29
2007 82,78 (P. Esenwein) 91,23 (Pitkämäki/FIN) 8,45 91,29 (Greer/USA) 8,45
2008 83,50 (S. Steding) 90,57 (Thorkildsen/NOR) 7,07 90,57 (Thorkildsen/NOR) 7,07
2009 83,86 (M. Frank) 91,28 (Thorkildsen/NOR) 7,42 91,28 (Thorkildsen/NOR) 7,42
2010 87,81 (M. de Zordo) 90,37 (Thorkildsen/NOR) 2,56 90,37 (Thorkildsen/NOR) 2,56
2011 88,36 (M. de Zordo) 90,61 (Thorkildsen/NOR) 2,25 90,61 (Thorkildsen/NOR) 2,25
2012 82,10 (T. Häber) 88,34 (Vesely/CZE) 6,24 88,34 (Vesely/CZE) 6,24
2013 84,20 (L. Hamann) 89,03 (Pitkämäki/FIN) 4,83 89,03 (Pitkämäki/FIN) 4,83
2014 87,63 (T. Röhler) 88,01 (Ruuskanen/FIN) 0,38 89,21 (El Sayed/EGY) 1,58
2015 89,27 (T. Röhler) 89,27 (Röhler/GER) 0,00 92,72 (Yego/KEN) 3,45
2016 91,28 (T. Röhler) 91,28 (Röhler/GER) 0,00 91,28 (Röhler/GER) 0,00
2017 94,44 (J. Vetter) 94,44 (Vetter/GER) 0,00 94,44 (Vetter/GER) 0,00
2018 92,70 (J. Vetter) 92,70 (J. Vetter/GER) 0,00 92,70 (J. Vetter/GER) 0,00
2019 90,03 (J. Vetter) 90,61 (Kirt/EST) 0,58 90,61 (Kirt/EST) 0,58

Das fällt auf:

  • Auch in diesem Jahr zeigte sich die deutsche Spitze im Speerwurf auf einem enorm starken Niveau. Zum vierten Mal in Serie lag die deutsche Jahresbestmarke jenseits der 90 Meter. Aber: Erstmals seit 2015 belegt kein deutscher Speerwerfer den ersten Platz in der Weltbestenliste.
  • Insgesamt ist das Niveau minimal rückläufig. So lag der deutsche Top-Drei-Schnitt erstmals seit 2016 unter der 90-Meter-Marke. Aber: Insgesamt ist das ein Jammern auf unglaublich hohem Niveau. Denn: Erstens sind 90-Meter-Würfe keine Selbstverständlichkeit, auch wenn die deutschen Speerwerfer in den letzten Jahren diesen Eindruck fast vermittelten. Und zweitens liegen die Ursachen für diese Leistungsschwankung in der diesjährigen Verletzungsproblematik, die so ziemlich alle Top-Werfer in Deutschland betraf.
  • Johannes Vetter war es, der aus einer aufgrund von Verletzungen verkorksten Saison noch das Optimum herausholte und in Doha Bronze gewann.
  • Bemerkenswert war das faire Verhalten von Bernhard Seifert, der seinen WM-Startplatz aufgrund des eigenen Leistungsabfalls seinem Kontrahenten Julian Weber übergab. Der Potsdamer hatte in diesem Jahr mit 89,06 Metern erstmals an der 90-Meter-Marke gekratzt. Danach fiel seine Leistung ab, später wurde eine Fußverletzung diagnostiziert.
  • Trotz der Probleme und Verletzungen: Die deutschen Speerwerfer sind international eine Bank! Vier deutsche Werfer finden sich in den Top Ten der aktuellen Weltbestenliste, Julian Weber folgt auf Platz elf.
  • Hinter den besten fünf Werfern in Deutschland klafft aus nationaler Sicht eine Lücke: Auf Platz sechs folgt bereits Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul (USC Mainz) mit seinen knapp 80 Metern.

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint – Männer
Sprint – Frauen
Langsprint – Männer
Langsprint – Frauen
Mittelstrecke – Männer
Mittelstrecke – Frauen
Langstrecke – Männer
Langstrecke – Frauen
Hürdensprint – Männer
Hürdensprint – Frauen
Langhürden –- Männer
Langhürden – Frauen
Hindernislauf – Männer
Hindernislauf – Frauen
Gehen – Männer
Gehen – Frauen
Hochsprung – Männer
Hochsprung – Frauen
Stabhochsprung – Männer
Stabhochsprung – Frauen
Weitsprung – Männer
Weitsprung – Frauen
Dreisprung Männer
Dreisprung – Frauen
Marathon – Männer
Marathon – Frauen
Kugelstoßen – Männer
Kugelstoßen – Frauen
Diskuswurf – Männer
Diskuswurf – Frauen
Hammerwurf – Männer
Hammerwurf – Frauen

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