| Analyse

Der große Disziplin-Check 2019 – Dreisprung Männer

Die Wettkampfsaison 2019 ist Geschichte. Ein langes Jahr, ein spannendes Jahr Leichtathletik liegt hinter uns. Der Höhepunkt? Zweifelsohne die WM in Doha. Doch auch in der Halle und bei den internationalen Nachwuchs-Meisterschaften machten die deutschen Athleten von sich reden. Wir blicken in unseren jährlichen Disziplinanalysen zurück und ziehen Bilanz. Heute: der Dreisprung der Männer.
Alexandra Dersch

Fazit des Bundestrainers

Charles Friedek, wie fällt Ihre Bilanz für das WM-Jahr 2019 aus?

Charles Friedek:

Bezogen auf den Dreisprung der Männer war 2019 ein Jahr, welches durchaus Bauchschmerzen bereitet hat. Wenn man sich die Leistungen der Top-3 Platzierungen bei den Deutschen Meisterschaften anschaut, lässt sich erkennen, dass die Siegleistung sowie der zweite Platz zwar noch mit Weiten jenseits der 16 Meter vergeben wurden, jedoch zur Erreichung des dritten Platzes bescheidene 15,31 Meter ausreichend waren. Dies ist keineswegs als persönliche Kritik an den Springern zu verstehen, sondern soll vielmehr den schwachen nationalen Unterbau aufzeigen, mit dem der Dreisprung Männer strukturell seit Jahren zu kämpfen hat.

So konnten insbesondere in letzter Zeit Weggänge oder auch Karriere-Enden von leistungsstärkeren Springern nicht durch den Nachwuchs kompensiert werden, was sofort eine spürbare Lücke klaffen lässt. Noch besorgniserregender ist die Tatsache, dass mit den ausscheidenden Athleten oftmals auch die hinter der Leistung stehenden Trainer aufhören sich mit dem Dreisprung zu beschäftigen, was wiederum dafür sorgt, dass kaum Nachwuchs den Weg an die Spitze findet.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Charles Friedek:

Rückschauend betrachtet, war das Highlight sicherlich die Hallenleistung von Max Heß, welcher sich nach einer schwierigen Saison 2018 eindrucksvoll bei der Hallen-EM in Glasgow mit 17,10 Metern zurückmeldete und damit die Bronzemedaille gewann. Ebenfalls beeindruckend war sein Gewinn der DM in der Freiluftsaison, als Saisoneinstieg unter dem Vorzeichen einer vorausgehenden Rückenverletzung und unter der Drucksituation, die ihm Felix Wenzel bereitete. Wer im Stadion diesen Wettkampf mitverfolgen konnte, sah vielleicht nicht die absoluten Topleistungen, aber eine Wettkampfdramaturgie, die wirklich sehr spannend war.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison mit den Olympischen Spielen in Tokio und der EM in Paris?

Charles Friedek:

Zunächst gilt es, in den kommenden Jahren weiterhin strukturelle Weichen für eine erfolgreichere Nachwuchsarbeit zu stellen. Noch immer ist eine Lücke im nationalen Wettkampfangebot U14 (AK12/AK13) zu beklagen. Das heißt, während in der Kinderleichtathletik zumindest ein mehrfachsprungorientiertes Angebot gemacht wird, gibt es in der Jugendleichtathletik erst in der U16 die Möglichkeit, den Dreisprung zu betreiben. Nationale Angebote wie Fünfer-Mehrfachsprung und Dreisprung ab der AK 14 würden hier im Raum stehen.

Ferner würde ich mir einen funktionierenden leichtathletikinternen Transfer von Talenten wünschen. Insbesondere der Weitsprung wartet immer wieder mit sehr interessanten Athleten auf, welche durchaus Potenzial für eine Dreisprungkarriere hätten. Diese Athleten hängen oftmals den Sport an den Nagel, wenn sie erkennen, dass sie im Weitsprung nicht vorne ankommen. Und natürlich gilt es, weiterhin Trainer für den Dreisprung zu begeistern, sowie auch hier die Hauptamtlichkeit auszubauen.

Bezogen auf die kommende Saison wird Max Heß wieder ein heißer Kandidat für Tokio und Paris sein, wenn seine Rückenverletzung keine Probleme mehr bereitet und eine störungsfreie Vorbereitung realisierbar ist. Die Hauptaufgabe hier ist es also, ihn gesund zu erhalten. Felix Wenzel könnte ein Kandidat für Paris sein, wenn er es schafft, etwas mehr Anlaufgeschwindigkeit in den Sprung zu transferieren sowie überhaupt mehr das Duell mit leistungsstärkeren Springern zu suchen.

Internationale Erfolge 2019

  Medaillen (Weitere) Final-Platzierungen
WM  –  –
Hallen-EM Bronze Max Heß  –
U23-EM  –  –
U20-EM  –  –
EYOF  –  –

Die deutschen Top Ten 2019

Dreisprung Männer

Weite Name Jahrgang Verein
16,50 m Max Heß 1996 LAC Erdgas Chemnitz
16,10 m Felix Wenzel 1994 SC Potsdam
15,96 m Paul Walschburger 1998 LG Stadtwerke München
15,63 m Felix Mairhofer 1994 TSG 1862 Weinheim
15,28 m Max-Ole Klobasa 2001 LC Jena
15,26 m Thomas Schmidt 1993 TSG 1862 Weinheim
15,25 m Christoph Garritsen 1997 TSV Bayer 04 Leverkusen
15,14 m Gabriel Wiertz 1997 TuS 1860 Pfarrkirchen
15,12 m Vincent Vogel 1997 LAC Erdgas Chemnitz
14,96 m Tobias Hell 1995 Schweriner SC

Statistik – Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau: Dreisprung Männer

Jahr > 16,80 m
(WM-Norm 2017)
Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005 1 16,78 16,55 16,24
2006 1 16,71 16,49 16,14
2007  – 16,57 16,27 15,80
2008 1 16,64 16,27 15,82
2009 1 16,50 16,28 15,88
2010  – 16,13 16,01 15,77
2011  – 16,40 16,24 15,86
2012  – 16,50 16,37 15,99
2013  – 16,24 16,15 15,90
2014  – 16,57 16,48 16,21
2015  – 16,19 16,12 15,95
2016 1 16,74 16,56 16,17
2017 1 16,40 16,16 15,86
2018 1 16,36 16,21 15,97
2019 16,19 15,89 15,52

Entwicklung der internationalen Jahresbestleistungen

Jahr Deutschland Europa Diff Welt Diff
2005 17,39 (C. Friedek) 17,81 (Oprea/ROM) 0,42 17,81 (Oprea/ROM) 0,42
2006 16,97 (A. Pohle) 17,67 (Olsson/SWE) 0,7 17,71 (Davis/USA) 0,74
2007 16,72 (A. Pohle) 17,74 (Evora/POR) 1,02 17,90 (Gregorio/BRA) 1,18
2008 17,04 (C. Friedek) 17,67 (Evora/POR) 0,63 17,67 (Evora/POR) 0,63
2009 16,97 (C. Friedek) 17,73 (Idowu/GBR) 0,76 17,73 (Idowu/GBR) 0,76
2010 16,29 (A. Pohle) 17,98 (Tamgho/FRA) 1,69 17,98 (Tamgho/FRA) 1,69
2011 16,53 (A. Pohle) 17,91 (Tamgho/FRA) 1,38 17,96 (Taylor/USA) 1,43
2012 16,64 (A. Pohle) 17,53 (Aykman/USA) 0,89 17,81 (Taylor/USA) 1,17
2013 16,35 (M. Ziegler) 18,04 (Tamgho/FRA) 1,69 18,04 (Tamgho/FRA) 1,69
2014 16,62 (A. Pohle) 17,48 (Compaoré/FRA) 0,86 17,76 (Pichardo/CUB) 1,14
2015 16,29 (R. Spank) 17,52 (Evora/POR) 1,23 18,21 (Taylor/USA) 1,92
2016 17,20 (M. Heß) 17,20 (M. Heß) 0 17,86 (Taylor/USA) 0,66
2017 17,13 (M. Heß) 17,32 (Donato/ITA) 0,19 18,11 (Taylor/USA) 0,98
2018 16,95 (M. Heß) 17,95 (Pichardo/POR) 1,0 17,95 (Pichardo/POR) 1,0
2019 16,50 (M. Heß) 17,62 (Pichardo/POR) 1,12 18,14 (Claye/USA) 1,64

Das fällt auf:

  • Max Heß konnte aufgrund seiner schweren Rückenverletzung nur bei einem Wettkampf in diesem Sommer antreten. Nach der DM in Berlin, wo er mit 16,50 Metern Gold holte, musste der 23-Jährige seine Saison wieder beenden. Welch enormes Talent in ihm schlummert, zeigen aber eben auch schon diese 16,50 Meter, die er unter diesen Bedingungen in die Grube brachte.
  • Dabei hatte Max Heß nach langer Verletzungspause im Winter in der Halle erst ein starkes Comeback gefeiert. Bei der Hallen-EM in Glasgow sprang er wie vor zwei Jahren zu Bronze mit 17,10 Metern. Nur die Winzigkeit von einem Zentimeter fehlte hier zu Silber.
  • Ohne Max Heß ist Deutschland international nicht konkurrenzfähig. Das zeigt sich auch in den Top-Five- und Top-Ten-Schnitten dieses Sommers, die so niedrig sind wie noch nie zuvor seit Beginn unserer Statistik.
  • Hinter Max Heß konnte mit Felix Wenzel nur ein weiterer Springer in diesem Sommer über 16 Meter springen. Ein weiteres Zeichen für den fehlenden Unterbau, den Bundestrainer Charles Friedek in seiner Saisonanalyse (siehe oben) feststellt.
  • An der Weltspitze diktieren die US-Amerikaner das Geschehen. Auf Platz eins bis drei der Weltbestenliste stehen in diesem Jahr Athleten im Trikot der USA. Gleich zweimal sprang in diesem Jahr Will Claye gar über 18 Meter, bei der WM hatte sein Landsmann Christian Taylor aber die bessere Tagesform und sprang zu seiner insgesamt vierten WM-Gold-Medaille.

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint – Männer
Sprint – Frauen
Langsprint – Männer
Langsprint – Frauen
Mittelstrecke – Männer
Mittelstrecke – Frauen
Langstrecke – Männer
Langstrecke – Frauen
Hürdensprint – Männer
Hürdensprint – Frauen
Langhürden –- Männer
Langhürden – Frauen
Hindernislauf – Männer
Hindernislauf – Frauen
Gehen – Männer
Gehen – Frauen
Hochsprung – Männer
Hochsprung – Frauen
Stabhochsprung – Männer
Stabhochsprung – Frauen
Weitsprung – Männer
Weitsprung – Frauen

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