| Vorschau U23-EM

Talente und Top-Stars in Bydgoszcz gefordert

Nach 14 Jahren macht die U23-EM wieder Station in Bydgoszcz. Von Donnerstag bis Sonntag werden in Polens „Leichtathletik-Hauptstadt“ in 46 Disziplinen Medaillen vergeben. Das 75-köpfige deutsche Team wird angeführt von Dreisprung-Europameister Max Heß und Lauf-Aufsteigerin Konstanze Klosterhalfen.
Martin Neumann

Carolina Klüft, Blanka Vlasic, Yelena Isinbayeva, Susanna Kallur, Kamila Skolimowska und Jennifer Oeser. Mo Farah, Ladji Doucouré, Leslie Djhone, Krisztián Pars, Marian Oprea, Rutger Smith, Tero Pitkämäki und André Niklaus. All diese Spitzenathleten haben im Laufe ihrer Karriere Medaillen bei großen Meisterschaften gewonnen oder Weltrekorde aufgestellt. Doch sie haben noch etwas Weiteres gemeinsam: 2003 standen sie bei den U23-Europameisterschaften in Bydgoszcz auf dem Podium.

14 Jahre später machen die kontinentalen U23-Titelkämpfe von Donnerstag bis Sonntag (13. bis 16. Juli) erneut Station in Polens „Leichtathletik-Hauptstadt“. Und mit Sicherheit wird der eine oder andere Medaillengewinner in Zukunft für Furore sorgen.

Das hat Sara Kolak schon vergangenes Jahr getan. Mit 66,18 Metern wurde die 22-jährige Kroatin in Rio sensationell Speerwurf-Olympiasiegerin. Bis zum vergangenen Donnerstag Bestleistung. Dann steigerte sie sich bei der Diamond League in Lausanne (Schweiz) im dritten Durchgang um 47 Zentimeter auf 66,65 Meter, um im finalen Versuch 68,43 Meter abzuliefern. Gleichbedeutend mit Weltjahresbestleistung, U23-Europarekord und Landesrekord.

Die Nummer eins gegen die Nummer drei der Welt

Trotzdem wird Sara Kolak hart um den Sieg in Bydgoszcz kämpfen müssen. Denn mit der binnen eines Jahres um achteinhalb auf 67,21 Meter verbesserten Türkin Eda Eda Tuğsuz (20 Jahre) wartet eine fast ebenbürtige Konkurrentin im Zdzisław-Krzyszkowiak-Stadion auf die Olympiasiegerin. Treten beide an, werden in Bydgoszcz die Nummer eins und Nummer drei der Welt aufeinander treffen.

Noch ohne großen internationalen Titel, dafür aber mit einer „weißen Weste“ reist Karsten Warholm nach Bydgoszcz. Der Langsprint-Aufsteiger aus Norwegen ist in diesem Jahr noch ungeschlagen – und das auf Strecken von 60 Meter bis 400 Meter Hürden. Welch eine läuferische Bandbreite! Zuletzt war der 21-Jährige, der 2015 noch Silber im Zehnkampf bei der U20-EM gewonnen hatte, zweimal in der Diamond League erfolgreich und steigerte die Landesrekorde über 400 Meter und 400 Meter Hürden binnen fünf Tagen auf starke 44,87 bzw. 48,25 Sekunden. Natürlich führt Karsten Warholm damit auch auf beiden Strecken die Meldeliste der U23-EM deutlich an.

Yasemin Can eine Klasse für sich

Noch klarer favorisiert ist bei den Frauen Yasemin Can. Die am 11. Dezember 1996 als Vivian Jemutai in Kenia geborene Langstrecklerin, die seit dem 24. Mai 2015 für die Türkei startberechtigt ist, lief in dieser Saison schon 14:36,82 Minuten über 5.000 Meter und 31:18,20 Minuten über 10.000 Meter. Auf der kürzeren Langstrecke liegt die Doppel-Europameisterin, die auch bei der U23-EM beide Strecken laufen will, rund 40 Sekunden oder umgerechnet 220 Meter vor der Nummer zwei der Meldeliste Alina Reh (SSV Ulm 1846).

Die zweifache U20-Europameisterin dürfte im Rennen um die zwei verbleibenden Medaillen sehr gute Chancen haben, kommt ihr doch ein schnelles Tempo entgegen. „Die U23-EM ist mein Saisonhöhepunkt. Darum habe ich auch auf die Deutschen Meisterschaften verzichtet“, sagte die 20-Jährige, die mit 15:16,39 Minuten auch die WM-Norm für London deutlich unterboten hat.

Konstanze Klosterhalfen trifft auf Lokalmatadorin

Auf Goldkurs läuft auf den 1.500 Metern Konstanze Klosterhalfen. Die Leverkusenerin führt mit ihrer Bestzeit von 3:59,30 Minuten die Meldeliste mit fast sechs Sekunden Vorsprung auf Sofia Ennaoui (Polen) an. Doch trotzdem sollte die deutsche Lauf-Aufsteigerin die Lokalmatadorin auf ihrem Weg zum ersten internationalen Bahn-Titel gut im Auge behalten. Schließlich lief die U23-Europameisterin im Crosslauf im vergangenen Jahr schon starke 4:01,00 Minuten. Außerdem wird die Lokalmatadorin die bekanntlich sehr enthusiastischen polnischen Leichtathletik-Fans im Rücken haben.

Europameister bei den „Großen“ ist Max Heß bereits. In Bydgoszcz schickt sich der Chemnitzer Dreispringer an, seinen letzten möglichen „U-Titel“ zu gewinnen. Mit einer Saisonbestleistung von 17,13 Metern (Halle: 17,52 m) liegt der Hallen-EM-Dritte allerdings „nur“ auf Platz zwei der Meldeliste. „Ich will in jedem Fall in Bydgoszcz um die Medaillen mitspringen, zumal es meine einzige Chance bei U23-Europameisterschaften ist“, blickte Max Heß auf die kommende Aufgabe.

Bei seinem DM-Sieg am Samstag in Erfurt hatte der Chemnitzer bei seinem 17,24-Meter-Sprung mit 2,1 Metern pro Sekunde minimal zu viel Rückenwind. Die Meldeliste führt Nazim Babayew (Aserbaidschan) mit 17,15 Metern an. Allerdings ist der Hallen-WM-Achte lange nicht so konstant in seinen Leistungen wie Max Heß. So blieb Nazim Babayew bei zwei von vier Wettkämpfen in der Sommersaison unter der 16-Meter-Marke.

Deutsches Team mit großem Potenzial

Gastgeber Polen schickt in Bydgoszcz neben Sofia Ennaoui einige weitere heiße Medaillenkandidaten ins Rennen. Allen voran Hallen-Europameister Konrad Bukowiecki (Kugelstoß; 21,51 m), der mit 1,18 Metern Vorsprung die Bestenliste anführt, und Sprinterin Ewa Swoboda (11,39 sec). Die Olympia-Halbfinalistin wird in Bydgoszcz zwei starke Konkurrentinnen weniger haben. Denn mit Gina Lückenkemper (LG Olympia Dortmund; 11,04 sec) und Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar; 22,64 sec) fehlen Europas jahresbeste U23-Sprinterinnen über 100 und 200 Meter.

Trotzdem schickt der DLV ein starkes Team bei der U23-EM ins Rennen. 13 Top-Drei-Platzierungen und gleich 31 Top-Sechs-Platzierungen in der europäischen U23-Bestenliste lassen das Potenzial der deutschen Starter erkennen. Dabei ist ein Erfolg in Bydgoszcz nicht gleichbedeutend mit einer großen internationalen Karriere. Beispielsweise blieb der Hochsprung-Sieger bei der U23-EM 2003 ein „One-Hit-Wonder“. Aleksander Waleriańczyk übersprang damals in Bydgoszcz die Weltklasse-Höhe von 2,36 Metern und war damit vor 14 Jahren am Ende des Jahres sogar Nummer eins. Es sollte sein größter weil einziger Erfolg bleiben.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024