Der erste Zwei-Meter-Sprung von Marie-Laurence Jungfleisch am Samstag in Eberstadt hat für Begeisterung und sogar Freudentränen gesorgt. Als Zweite der Weltjahresbestenliste hinter der US-Amerikanerin Chaunté Lowe (2,01 m) ist die Stuttgarterin mit ihrem „perfekten Sprung“ in den Kreis der Medaillenkandidatinnen in Rio geflogen.
Gratulationskur, Autogrammjäger, Siegerehrungsjubel – Marie-Laurence Jungfleisch (VfB Stuttgart) badete nach ihrem ersten Zwei-Meter-Sprung am Samstag in den Emotionen. Es war spürbar, dass dieser perfekte Sprung und der Sieg beim Hochsprung-Klassiker in den Weinbergen von Eberstadt ein Sprung in eine neue Dimension war.
„Heute ist mit einem perfekten Sprung endlich der Knoten geplatzt“, strahlte die Hochspringerin. Das Plakatmotiv zum Eberstädter Meeting – eine strahlende Marie-Laurence, den Siegerpokal in den Himmel reckend, aufgenommen im Vorjahr – hat sich bei der Siegehrung jetzt exakt wiederholt. Und der Sprung in den Zwei-Meter-Klub zeigt beste Perspektiven für die Zukunft auf.
Zwei-Meter-Flug beim Lieblingsmeeting
„Die Nähe zum Publikum, meine Familie auf der Tribüne, hier ist mein Lieblingsmeeting, deshalb kann ich hier auch solche Leistungen bringen“, sagte die 25-Jährige. Ihr Vater weinte vor Freude: „Ich bin stolz auf meine Tochter.“ Während Marie-Laurence Jungfleisch mit der Sonne um die Wette strahlte.
„Heute hat Marie für den VfB Stuttgart mehr positive Schlagzeilen gebracht als die Bundesliga-Fußballer im ganzen Jahr“, stellte VfB-Abteilungsleiter Dieter Göggel fest. Die Jubelarie ergänzte Trainer Tamas Kiss: „Ich bin überglücklich.“ Der Ungar hatte nicht nur ein Dreisprungwunder mitgestaltet und eine Disziplin, die „tot“ war im DLV aus dem Tief geführt, sondern jetzt auch ein Glanzlicht im Hochsprung gesetzt. „Marie wird ihre Karriere nicht mit diesem Zwei-Meter-Sprung beenden“, wagte Kiss eine Prognose für weitere Höhenflüge.
Bei der EM passte der Anlauf noch nicht
Vor knapp einer Woche in Amsterdam (Niederlande) bei der EM war die Stimmung noch nicht so ausgelassen. „Dort waren die Voraussetzungen ganz anders“, sagte die mit 1,93 Metern Fünfte der kontinentalen Titelkämpfe. Es war windig und ihr Anlauf passte einfach nicht. Eine relativ leicht erreichbare Medaille wurde verpasst. Eine Trainingseinheit am vorigen Dienstag genügte, um die Probleme zu beseitigen.
„Nach der heutigen Leistung muss man in Rio an eine Medaille denken“, zeigte sich auch Bundestrainerin Brigitte Kurschilgen beeindruckt von der deutschen Vorzeigespringerin. „Entscheiden wird aber nicht die Vorleistung, sondern die Tagesform“, verwies die zweimalige Olympiateilnehmerin auf die Besonderheit des olympischen Finals.
Zwei Meter mussten für den Sieg her
Dass in diesen Höhenbereichen alles zusammenpassen muss, zeigt auch schon der Verlauf des Wettkampfes in Eberstadt. Nach vier blitzsauberen Sprüngen von Marie-Laurence Jungfleisch bis 1,96 Meter war plötzlich der Faden gerissen. Sie benötigte drei Versuche für diese Höhe.
Danach klappte es mit den zwei Metern im zweiten Versuch. Die Polin Kamila Licwinko, die zuvor mit in Runde eins übersprungengen 1,96 Meter geführt hatte, konnte nicht mehr nachziehen. „Wenn ich in Rio eine ähnliche Leitung bringen kann, werde ich eine Medaille gewinnen können“, schaut die DLV-Athletin optimistisch auf ihren ersten Olympiastart, dem noch ein letzter Test am 29. Juli in Mannheim vorausgehen wird.
In Großereignisse hineingewachsen
Grund zum Optimismus gibt die Luft zwischen Athletin und Latte beim Versuchs zur Bestleistung: Der Siegsprung von Eberstadt war nach dem optischen Eindruck in der Höhe mindestens 2,02 Meter wert. Die Ergebnisse der genauen biomechanischen Analyse stehen noch aus.
Auch die Bilanz der vergangenen Jahreshöhepunkte kann sich sehen lassen. Bei er WM in Peking (China; 1,99 m) im vergangenen Sommer und der EM in Zürich (Schweiz; 1,97 m) ein Jahr zuvor hatte die Deutsche Meisterin jeweils auf den Punkt eine Bestleistung abgeliefert, nachdem sie vorher schon bei der Hallen-WM in Sopot und der WM 2013 in Moskau (Russland) ins Finale eingezogen war und sich so Stück für Stück in die Weltspitze vorarbeitete.
In den Statistiken vorgerückt
Rosemarie Ackermann war 1977 in Berlin als erste Frau der Welt im Straddle über zwei Meter gesprungen. Jetzt steht Marie-Laurence Jungfleisch mit dieser Höhe auf Platz zwei der Weltjahresbestenliste. Die Marke zur absoluten Weltspitze hatte als letzte DLV-Hochspringerin Ariane Friedrich (LG Eintracht Frankfurt) im September 2010 übersprungen.
Freiluft- und Hallenwettkämpfe zusammengenommen hat Marie-Laurence Jungfleisch als elfte Deutsche die zwei Meter gemeistert. Unter freiem Himmel ist ihr das als achter Athletin gelungen. Weltweit haben in der Geschichte bei Freiluftwettkämpfen 58 Athletinnen die zwei Meter geknackt. Seit Samstag zählt auch Marie-Laurence Jungfleisch zu diesem elitären Klub.
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