| Interview der Woche

Claudine Vita: „In die Fußstapfen von Shanice Craft treten“

Sie war der kleine Star: Lokalmatadorin Claudine Vita hat bei der Jugend-Hallen-DM am Wochenende in Neubrandenburg mit starken Leistungen den Doppelsieg im Diskuswurf und Kugelstoßen eingefahren. Von der Wettkampfstätte Jahnsportforum kann man die bunte Fassade des Sportinternats, in dem die 18-Jährige wohnt, sehen. Nach der Doping-Kontrolle erzählt die Werferin mit angolischen Wurzeln im Interview, was ihr der Auftritt vor heimischem Publikum gegeben hat und warum Shanice Craft ihr Vorbild ist.
Pamela Ruprecht

Claudine Vita, Sie haben am Samstag mit 55,15 Metern Gold im Diskuswurf und am Sonntag Gold im Kugelstoßen (16,49 m) gewonnen. Nach der zweiten Siegerehrung kam auch das Fernsehen zu Ihnen. Wie empfinden Sie diese Medienaufmerksamkeit?

Claudine Vita: 
Es ist ein sehr schönes Gefühl, dass meine Leistung dadurch belohnt wird, dass die Leute Interesse zeigen und sich freuen, wenn man erfolgreich ist. Ich bin auf jeden Fall sehr dankbar für die tolle Unterstützung bei diesem wichtigen Heimwettkampf. Es ist kein Vergleich zum Auswärtswettkampf.

Hat Sie die Situation, dass Sie zweimal die große Favoritin waren und vor heimischem Publikum starten unter Druck gesetzt?

Claudine Vita:
Natürlich setzt es einen ein bisschen unter Druck, weil die Erwartungen hoch sind. Aber es hat mehr unterstützend gewirkt. Ich bin mit meiner Leistung zufrieden. Es wäre mehr möglich gewesen. Aber ich denke, wenn man zweimal gewinnt, sollte man mit der Platzierung zufrieden sein. Da ist die Leistung mehr nebensächlich.

Dennoch waren beide Leistungen stark - nicht weit von Ihren Bestmarken entfernt…

Claudine Vita:
Ja, Kugel war knapp unter Bestleistung [16,62 m; Anmerkung der Redaktion], und Diskus ungefähr zwei Meter  darunter [56,98 m]. Ich hoffe, das kann ich beim Länderkampf in Lyon [Frankreich; 28. Februar bis 1. März] nachholen. 

Wie gehen Sie  mental in so einen Wettkampf? Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Claudine Vita:
Ich bin eigentlich immer aufgeregt und mach mir auch gern mal selber Druck. Manchmal auch ein bisschen zu viel. Aber ich denke dann einfach daran, wie meine Form im Training war und die ist vor Wettkämpfen meistens gut. Damit versuche ich mich zu pushen. Ich höre auch ganz viel Musik. Das hilft und gibt mir den nötigen Adrenalinkick.

Und welche Musik kommt aus Ihren Kopfhörern?

Claudine Vita:
Egal, eigentlich alles, Hauptsache schnell und laut.

Diskus ist Ihre Paradedisziplin, im Kugelstoßen, das nebenher läuft, sind Sie nun national auch die Nummer eins in der Jugend. Was bedeuten Ihnen die beiden Deutschen Meistertitel?

Claudine Vita:
Es bedeutet mir sehr viel, dass ich zum ersten Mal Doppelmeisterin geworden bin. Sonst war ich im Kugelstoßen immer nur Vize oder Drittplatzierte. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man in einer anderen Disziplin auch noch stark ist und den Kugel-Spezialisten ein bisschen davonrennt. Ich habe mich sehr darüber gefreut und hoffe, dass ich das im Sommer nochmal wiederholen kann. Ich weiß aber auch, dass meine Konkurrentinnen das Potential haben, mit der Kugel ähnlich weit zu stoßen. Deshalb bin ich gespannt wie das ausgeht.

Für den Kugelstoß-Wettbewerb wurde extra ein großes Fangnetz aufgezogen. Eine traditionsreiche Disziplin des Vereins mit hervorragender Besetzung des SC Neubrandenburg - U18-Weltmeister Patrick Müller holte den Titel in der männlichen Jugend - wurde ins Zentrum gerückt. Haben Sie an der Veranstaltungsstätte in letzter Zeit auch regelmäßig trainiert?

Claudine Vita:
Das ist eigentlich eine reine Wettkampfanlage,  auf der wir nicht trainieren. Wir machen im Winter aber viel Sprint- und Sprung-Training in der Halle. Also allgemeines Training, das auch sehr wichtig ist. Sonst bin ich eher selten in der Halle, sondern meist im Kraftraum und im Werfer-Kabinett, vorzufinden. Dort sind mehrere Kugelstoß-Anlagen und jeweils auch zwei Diskus-Ringe vorhanden. Das heißt, wir haben auch die Möglichkeit im Winter sehr gut die Möglichkeit an unserer Technik zu arbeiten.

In Neubrandenburg wurden zu DDR-Zeiten beide Diskus-Weltrekorde, Männer und Frauen, aufgestellt, eine erfolgreiche Disziplin-Historie liegt zurück. Wie sehr strahlt das auf Ihre Gegenwart und Ihre Motivation aus?

Claudine Vita:
Die Diskus-Weltrekorde sind natürlich eine zusätzliche Motivation, da sie wiederspiegeln, das man hier die besten Möglichkeiten und Voraussetzungen hat, eine gute Weite zu erzielen.

Ihr Trainer ist Dieter Kollark, früherer Coach von Dreifach-Weltmeisterin Franka Dietzsch, Ihre Trainingspartnerin U23-Europameisterin Anna Rüh. Wie läuft der Trainingsalltag unter den zahlreichen Neubrandenburger Werfern?

Claudine Vita:
Meine Trainingspartnerin ist eigentlich nur Anna Rüh. Aber dadurch, dass wir alle im gleichen Altersbereich sind, trainieren wir trotzdem alle gemeinsam. Man sieht sich jeden Tag, trainiert zusammen und zieht sich auch gegenseitig. So sind wir alle Trainingskameradinnen.

Sie wohnen im Internat gleich gegenüber der Halle und besuchen die gestreckte zwölfte Klasse des Sportgymnasiums. Wie sind Sie nach Neubrandenburg gekommen?

Claudine Vita:
Ich bin eigentlich aus Berlin und vor vier Jahren wegen dem Leistungssport hergezogen. Mal sehen wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt und ob man hier sesshaft wird.

Bevor Sie sich auf den Wurfbereich spezialisiert haben, waren Sie in der U16-Klasse eine sehr gute Mehrkämpferin. Sie haben jeweils den Blockwettkampf Wurf der W14 und W15 gewonnen. Wie ging es danach weiter?

Claudine Vita:
Herr Kollak kannte meinen Trainer Joachim Weihrich meines ersten Vereins Fürstenwalde und ist durch meine Platzierungen im Blockwettkampf auf mich aufmerksam geworden. Ich bin dann zu einem Probetraining gekommen, bei dem er mein Potential gesehen hat, und es hat auch gleich Spaß gemacht. Da ich verletzungsanfällig bin, bin ich im Wurfbereich auch besser aufgehoben. 

Optisch betrachtet sehen Sie gar nicht aus wie die typische Werferin. Inwieweit profitieren Sie von Ihren athletischen Voraussetzungen?

Claudine Vita:
Die Schnellkraft ist auf jeden Fall meine Stärke. Ich bin für den Wurfbereich ja relativ leicht und das muss ich durch meine Kraftwerte und die Schnelligkeit wieder ausgleichen. Bisher klappt das gut. 

Wie sieht die Trainingsaufteilung der beiden Wurfgeräte aus?

Claudine Vita:
Der Schwerpunkt liegt auf dem Diskuswurf, Kugelstoßen mache ich zum Ausgleich. Gerade solche Erfolgserlebnisse wie am Wochenende verstärken den Drang, auch mal was anderes zu machen und nicht immer die gleiche Disziplin. Aber ich bleibe auf jeden Fall beim Diskuswerfen. Wenn das Kugelstoßen so läuft, kann man auch weiter Doppelstarts machen.

Das klingt ein bisschen wie bei Shanice Craft (MTG Mannheim), die EM-Dritte im Diskuswurf, die beim ISTAF Indoor den inoffiziellen Hallen-Weltrekord auf 62,07 Meter verbesserte. Ist Sie so etwas wie ein Vorbild für Sie?

Claudine Vita:
Ja, auf jeden Fall. Es ist schon sehr beeindruckend zu sehen, was Shanice erreicht hat, ganz besonders im jungen Alter. Ich hoffe, ich kann irgendwann in ihre großen Fußstapfen treten. Genauso  Anna Rüh, die zeitweise international auch Doppelstarts gemacht hat und erfolgreich war. Ich sehe sie als Vorbilder an, weil sie nicht viel älter sind als ich. 

Auch im Aussehen gibt es Parallelen zu Craft.  Aus welchem Land haben Sie Ihre Wurzeln?

Claudine Vita:
Meine Eltern kommen aus Angola. Ich wohne schon immer hier und bin auch in Deutschland geboren. Mein Heimatland kenne ich gar nicht, wenn man das so sagen darf. Ich war noch nie dort. 

In Ihrer internationalen Diskus-Bilanz steht bisher: U18-Vize-Weltmeisterin 2013 und Platz fünf bei der U20-WM 2014. Welche Ziele haben Sie sich diesen Sommer für die U20-EM in Eskilstuna (Schweden; 16. bis 19. Juli) gesteckt?

Claudine Vita:
Ich war bei der U20-WM die beste des Jahrgangs 96. Das ist für mich die Motivation, das dieses Jahr zu wiederholen. In Europa ist die Konkurrenz nicht ganz so stark wie in der Welt. Deswegen will ich bei der U20-EM auf jeden Fall eine Medaille erkämpfen. Bestimmte Weiten sage ich ungern, sonst beißt man sich an dieser Weite die Zähne aus. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn die 60 Meter im Sommer fallen würden.

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