Dort, wo 16 Jahre zuvor seine Leichtathletik-Karriere begonnen hatte, hat sich Sprinter Sven Knipphals am Sonntag mit dem Abschiedsmeeting "SKlation" im alten VfL-Stadion in Wolfsburg von der sportlichen Bühne verabschiedet. Die Top-Sprinter Deutschlands starteten noch einmal mit der DLV-Staffel und traten über 30 Meter fliegend gegen Amateure an. Sven Knipphals will nun seine Familie und die Arbeit als Chiropraktor in den Vordergrund stellen.
"Eigentlich kann man sich gar nicht vorstellen, dass der Typ nicht mehr rennt", entfuhr es Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge), die am Sonntag bei der "SKlation" die Wettbewerbe über 30 und 150 Meter gewinnen konnte. Gastgeber Sven Knipphals vom VfL Wolfsburg hat sein Karriere-Ende dagegen schon länger realisiert. "Es war ja ein Abschied auf Raten. Ich wollte nie einer sein, dessen Laufbahn am Ende so dahinsiecht, bis er keine Rolle mehr spielt", erklärte er.
Im Juli hatte der 32-Jährige nach langanhaltenden Leistenproblemen sein Karriere-Ende verkündet. "Das Frustrationspotenzial war dann schon sehr groß. Die Probleme hatte ich schon seit 2016." Den Traum, noch einmal bei den Heim-Europameisterschaften in Berlin zu starten, konnte er sich damit nicht mehr erfüllen. "Ich hatte dann einen Tag schlechte Laune und dann war aber auch gut, weil ich insgesamt auf eine schöne Karriere zurückblicken kann."
Als Mitglied der DLV-Staffel konnte der "schnellste Wolf" seine größten Erfolge feiern: Silber und Bronze bei den Europameisterschaften 2014 in Zürich (Schweiz) und 2016 in Amsterdam (Niederlande) sowie zwei vierte Plätze bei den Weltmeisterschaften 2013 in Moskau (Russland) und 2015 in Peking (China). Seine Bestzeiten stehen bei 10,13 Sekunden über 100 Meter (Regensburg, 2015) und 20,48 Sekunden über 200 Meter (Mannheim, 2014).
Abschied inmitten von Freunden und Wegbegleitern
Gerne wäre Sven Knipphals ein internationales Einzelfinale gelaufen. Doch der Wolfsburger, der seit 2015 in Leipzig lebt und arbeitet, weiß auch eine andere Ebene seiner sportlichen Laufbahn zu schätzen. "Ich habe viele tolle Menschen kennengerlent und in gemeinsamen Trainingslagern und Wettkämpfen Freunde gefunden. Ich bin glücklich darüber, dass auch so viele hier sind."
So waren seine Staffel-Kollegen Robin Erewa, Aleixo Platini-Menga, Robert Hering, Roy Schmidt und Patrick Domogala in Wolfsburg am Start, ebenso wie Rebekka Haase, Alexandra Burghardt und Wolfsburgs neues Sprint-Talent Pernilla Kramer, die bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg Vierte über 200 Meter werden konnte und der Grund dafür ist, dass Knipphals' langjähriger Trainer Werner Morawietz noch nicht in den Ruhestand geht. Unter die Zuschauer hatten sich Hürdensprinter Alexander John und Staffel-Pechvogel Lucas Jakubczyk gemischt. Julian Reus, der ebenfalls bei der EM gestürzt war, konnte wegen einer Schulter-Operation nicht dabei sein.
Mehr Zeit für Job und Familie
Dass bei seinem Abschiedssportfest auch Amateure und Nachwuchsleichtathleten aus der Region an den Start gehen konnten, war Sven Knipphals wichtig. Die Heimatverbundenheit hat auch eine Rolle in der Entscheidung gespielt, den Verein niemals zu verlassene. Seine Urgroßmutter war Gründungsmitglied des VfL Wolfsburg, sein Vater war als Weitspringer für den Verein erfolgreich.
Als Weitspringer hatte zunächst auch Sven Knipphals als 16-Jähriger mit der Leichtathletik wieder angefangen, nachdem er einige Jahre nur Fußball gespielt hatte. Doch sein Trainer Werner Morawietz setzte auf den Sprint. "Ich habe ihm ganz viel zu verdanken. Er war immer mit großem Einsatz dabei. Auch als ich in England studiert habe, hat er mich unterstützt, auch er war ein Grund, warum ich dem VfL immer treu geblieben bin", erklärt der studierte Chiropraktor, der seit seinem Examen 2013 in Leipzig halbtags arbeitet. "Mein Chef Timo Kaschel hat mir immer Freiräume gegeben, sodass ich Trainingslager und Wettkämpfe wahrnehmen konnte, nun wird er mich öfter in der Praxis sehen."
Unmittelbar vor der EM in Berlin behandelte Sven Knipphals auch die Athleten des deutschen Teams während ihrer Vorbereitung in Kienbaum. "Ich dachte erst, dass das komisch wird, aber es war eine schöne Erfahrung." So wird er nun auch beim Bundestrainer Ronald Stein bei seiner alten Trainingsgruppe in Leipzig einsteigen. "Das ist eine tolle Aufgabe, den Trainern den Rücken frei zu halten, indem man die Athleten fit auf die Bahn bringt. Und wenn der DLV mich fragt, bin ich sicherlich bereit", erklärt er seine Motivation und Vorfreude auf mehr Arbeit, aber auch auf mehr Zeit mit der Familie.