| Interview

Dr. Clemens Prokop: "Die Rekordlisten werden mit großer Skepsis verfolgt"

Am vergangenen Wochenende hat sich das Council des Europäischen Leichtathletik-Verbands EAA für weitreichende Änderungen ausgesprochen: Zukünftig soll es eine neue Europarekord-Liste geben und der Vorschlag auch auf Weltrekorde ausgedehnt werden. In der Kommission mitgewirkt hat auch DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop, der sich im SID-Interview zufrieden mit dem Beschluss gab.
SID/pr

Dr. Clemens Prokop, was waren letztendlich die Gründe, die zu diesem Reformplan geführt haben?

Dr. Clemens Prokop:

Hintergrund ist, dass die Rekordlisten, so wie sie derzeit sind, mit einer großen Skepsis verfolgt werden. Eine ganze Reihe von Rekorden sind unter Bedingungen zustande gekommen, die vor allem im Kampf gegen Doping mit heute nicht mehr vergleichbar sind. Bei objektiver Betrachtung ist eine Vergleichbarkeit der Leistungen nicht mehr gegeben. Und natürlich haben wir auch einige Rekorde, die ganz akut unter Dopingverdacht stehen, dadurch wird dieses Gefühl nur noch verstärkt. Deshalb ging es darum, die Rekorde für die Zukunft neu zu fassen. Es geht darum, dass man nicht jeden Rekord einzeln prüft, sondern einen Strich drunter macht und neu anfängt.

Ab wann soll denn neu angefangen werden?

Dr. Clemens Prokop:

Der europäische Verband würde gerne ab 1. Januar 2018 neu beginnen und dann die Rekorde zukünftig auch an klare Voraussetzungen knüpfen. Ein Beispiel, das ich für ganz wesentlich halte: Es werden nur Leistungen von Athleten anerkannt, die eine gewisse Mindestzahl von Trainingskontrollen aufweisen. So dass man zumindest von vergleichbaren Rahmenbedingungen ausgehen kann, wenn man die Leistungen vergleicht.

Wie waren denn die ersten Reaktion aus dem Weltverband IAAF?

Dr. Clemens Prokop:

Sebastian Coe hat sich sehr positiv zu dieser Neuregelung geäußert, aber auch hingewiesen, dass die anderen Kontinentalverbände ihr Votum abgeben müssen. Die IAAF geht jetzt mit dem Votum an die anderen Kontinentalverbände heran und versucht, eine Lösung zu finden. Es muss das Ziel sein, dass wir in der Leichtathletik einheitliche Rekordlisten haben. Es wäre schwer zu vermitteln, wenn die IAAF andere Rekordlisten als der europäische Verband führen würde.

Wie groß sehen Sie denn die Chancen, dass im August der IAAF-Kongress für diese Regelung stimmt?

Dr. Clemens Prokop:

Das ist schwer einzuschätzen. Der DLV hat ja in der Vergangenheit versucht, zum 1. Januar 2000 neue Rekordlisten einzuführen. Das ist nicht mit einer Mehrheit bedacht worden. Auf der anderen Seite: Wenn der europäische Verband seinen festen Willen bekundet, diese Neuregelung auf jeden Fall umzusetzen, wird es auch für den Weltverband schwierig zu sagen: 'Wir beharren auf unseren alten Rekorden'".

Was passiert, wenn die IAAF es nicht unterstützt, wird der europäische Verband es alleine umsetzen?

Dr. Clemens Prokop:

Da müsste ich jetzt spekulieren, diese Entscheidung liegt dann in den Händen des europäischen Verbandes. Aber ich würde die Prognose wagen, dass er im Notfall auch alleine so eine Neuregelung vornehmen würde.

Es gab von einigen Weltrekordhaltern schon negative Reaktionen auf den Vorstoß. Was sagen Sie diesen Athleten?

Dr. Clemens Prokop:

Es ist richtig, dass es im Einzelfall zu Ungerechtigkeiten führen kann. Auf der anderen Seiten sollen ihre Leistungen ja im Rahmen einer "Ewigen Rekordliste" nicht gelöscht werden. Ich glaube, letzten Endes kann man nur an die Solidarität der betroffenen Athleten appellieren und sie um Verständnis bitten, dass eine Neuregelung der Rekorde nur funktionieren kann, wenn einige Athleten letztendlich vielleicht ungerecht behandelt werden.

Es soll in Zukunft auch die Möglichkeit bestehen, Rekorde von später überführten Dopingsündern nachträglich löschen zu können. Ist so etwas rechtlich überhaupt haltbar?

Dr. Clemens Prokop:

Eine solche Regelung ist rechtlich sicherlich nicht unproblematisch. Ziel ist es, dadurch eine weitere Hemmschwelle für Dopingversuchungen aufzubauen. Ob diese Regelung letztendlich Bestand haben wird, werden eventuell Gerichte entscheiden.

Quelle: Sport-Informations-Dienst (SID)

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