Jennifer Gartmann gehört zu den Aushängeschildern der deutschen Masters-Leichtathletik. Mit vier Weltrekorden bei vier Starts innerhalb von nur vier Wochen bewies die langjährige Oberfeldärztin der Bundeswehr im Winter 2024 ihre außergewöhnlichen Qualitäten. Leider wurde die für die LG Westerwald startende Athletin aus Montabaur anschließend von einer Oberschenkelverletzung ausgebremst und blieb somit ohne Meriten bei nationalen und internationalen Titelkämpfen. Bei der Wahl zur "Masters-Leichtathletin des Jahres" landete die Vorjahressiegerin auf Platz drei.
Jennifer Gartmann, wo erreichen wir Sie denn gerade, Sie klingen etwas außer Atem. Haben Sie wieder Wettkampfluft geschnuppert?
Jennifer Gartmann:
Das habe ich in der Tat, aber nicht als aktive Wettkämpferin, sondern ich habe einen Mannschaftskollegen bei den Hessischen Hallenmeisterschaften der Masters betreut und befinde mich nun auf der Rückfahrt. In dem Rahmen hat es mich natürlich sehr gefreut, viele bekannte Gesichter getroffen und mich mit ihnen ausgetauscht zu haben. Natürlich habe ich die Gelegenheit genutzt, um vor Ort ein wenig zu trainieren.
Konnten oder wollten Sie noch nicht wieder starten?
Jennifer Gartmann:
Ich bin immer noch nicht bei 100 Prozent. Ich befinde mich im Aufbau für die Sommersaison und habe die Hallensaison ausgesetzt. Zudem war ich Ende des vergangenen Jahres für längere Zeit auf Reisen am anderen Ende der Erde, unter anderem auch auf den Malediven, in Australien und zuletzt mehrere Wochen in Neuseeland. Dort standen Naturerlebnisse, Sightseeing und Städtetouren auf dem Programm und weniger das harte Training. Zudem haben sich bei mir berufliche Veränderungen dadurch ergeben, dass meine Zeit bei der Bundeswehr nach 29 Jahren zu Ende gegangen ist. Da taten der Break und das Durchatmen einmal richtig gut.
Das bedeutet doch wohl nicht, dass die Leichtathletik jetzt ins zweite Glied zurück rutschen muss, oder?
Jennifer Gartmann:
Aber in gar keinem Fall. Ich bleibe der Leichtathletik treu. Als absoluter Wettkampftyp brauche ich immer noch den besonderen Reiz. Die Zeit will ich mir auch weiterhin nehmen, weil mir der Sport als solcher immer noch sehr wichtig ist. Der Sport stählt einen auch mental. Ich kann das Jedem nur empfehlen. Leichtathletik ist eine Willensschule und die macht selbstbewusst und gibt einem die Kraft, Belastungen im beruflichen und familiären Umfeld besser verkraften zu können.
Ihre Motivation scheint ungebrochen. Aber war da der dritte Platz bei der Wahl zur Leichtathletik-Mastersportlerin 2024 nicht vielleicht doch eine kleine Enttäuschung? Auch aus dem Blickwinkel, dass Sie 2023 überragende Gewinnerin des Titels waren.
Jennifer Gartmann:
Auf gar keinen Fall. Ich war unglaublich berührt, dass man mich überhaupt wieder zur Wahl vorgeschlagen hat. Der Platz ist überragend für mich. Ich habe zwar starke Zeiten hingelegt, die besser waren als vor 30 Jahren, aber aufgrund der Nichtteilnahme an den internationalen Meisterschaften hat so etwas wie “das Einfahren der Ernte” gefehlt. Der deutsche Rekord über 60 Meter hat mich dabei total überrascht. Das war meine erste Zeit unter acht Sekunden überhaupt. Auch die Weltrekorde kamen aus einer guten Vorbereitung und waren aber sicher das Produkt einer gelungenen Vorbereitung. Weniger im Kraftraum, dafür mehr Technikarbeit – alles lief hervorragend, nur am Ende fehlten die Medaillen. Ich wollte bei der Masters-Hallen-EM im polnischen Torun meine Saisonbestzeiten angreifen und noch etwas schneller laufen, aber da habe ich die Rechnung ohne die Verletzung gemacht. Deshalb ist der dritte Platz im Ranking immer noch überragend.
Dann wollen wir die Saison 2024 jetzt einmal abhaken und blicken wir einmal nach vorne. Wie definieren Sie Ihre Ziele für 2025?
Jennifer Gartmann:
Die Hallensaison habe ich aus schon genannten Gründen nicht auf dem Zettel. Zu den Deutschen Masters-Hallenmeisterschaften werde ich zur Unterstützung der teilnehmenden Athleten als Athletensprecherin anreisen. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. An der Startlinie werde ich nicht stehen. Der qualitative und quantitative Aufbau für den Sommer steht für mich nun im Mittelpunkt mit dem Ziel, schnellstmöglich wieder auf die Bahn zurückzukehren.
Also andersherum gesagt. Die Master-Hallen WM in Gainesville in Florida lassen Sie jetzt sausen und konzentrieren sich ganz auf die Freiluft-Master-EM auf Madeira?
Jennifer Gartmann:
Madeira liegt spät in der Saison. Das kommt mir sicher entgegen. Damit habe ich länger Zeit meinen Saisonaufbau zu formen und mit der nötigen Leistungsfähigkeit und Frische in Portugal an den Start zu gehen. Es wird sicherlich für mich diesmal ein Stück weit schwieriger sein, da ich mich im letzten Jahr in der Altersklasse W45 befinde. Aber im Ernst: Ich freue mich schon auf Land und Leute.