| Paralympics

Johannes Floors gewinnt beim Sieg von Hunter Woodhall Silber – Bronze für Lindy Ave

© DBS / Tom Weller
Johannes Floors ist geschlagen: Der Weltrekordhalter in der Klasse T62, der seit der WM 2017 alle Titel geholt hatte, gewann am Freitag beim Sieg des US-Amerikaners Hunter Woodhall Silber. Nach zweijähriger Babypause landete Tokio-Paralympicssiegerin Lindy Ave über 400 Meter auch in Paris auf dem Podest – Bronze.
pm / svs

Als Johannes Floors in der Mixed Zone des Stade de France in Paris ankam, schaute er in unsichere, verdutzte Gesichter. „Ihr könnt euch freuen“, sagte der 29-Jährige und fügte ironisch hinzu: „Nicht, dass ich es noch machen muss.“ Doch da hatte er längst ein Grinsen im Gesicht, auch wenn er mit 46,90 Sekunden im paralympischen 400-Meter-Finale nicht zufrieden war. "Das ist eigentlich eine Zeit, die laufe ich nachts im Training. Ich könnte eigentlich schneller laufen“, sagte der Leverkusener: „Am Ende des Tages werde ich mich sicherlich über eine Silbermedaille freuen können, aber aktuell ist es noch nicht so leicht.“

Denn Floors hatte nach vier WM-Siegen und dem Paralympics-Triumph 2021 in Tokio (Japan) erstmals eine Niederlage erlitten. Hunter Woodhall, verheiratet mit Weitsprung-Olympiasiegerin Tara Davis-Woodhall, war mit 46,36 Sekunden auf der Zielgeraden vorbeigezogen. Auch der Niederländer Olivier Hendriks war gleichauf, doch Floors konnte ihn um ein Hundertstel auf der Ziellinie distanzieren. Auch deshalb, weil es Silber statt Bronze wurde, sagte er: „Die anderen brauchen einen guten Tag, ich brauche einen schlechten. Heute war es ein schlechter von mir, ein guter von den anderen. Es hat für Silber gereicht. Das wird im deutschen Haus gefeiert.“

Floors, der fast acht Jahre der Gejagte war, freute vor allem auch die schnelle Zeit des niederländischen Konkurrenten: „Es zeigt, dass sich der Sport der Amputierten weiterentwickelt. Mein Weltrekord steht noch bei 45,87 Sekunden. Der ist nicht mehr unantastbar. Es werden immer mehr, die noch ranlaufen. Auf der einen Seite hoffe ich, dass der noch lange hält, auf der anderen, dass er irgendwann fällt. Weil das zeigt, dass sich der Sport weiterentwickelt, dass man als Athlet an allem arbeiten muss. Es reicht nicht mehr, eine Prothese zu haben, man muss die auf sich selbst abstimmen. Die muss passen.“

Emotionaler Abschied für Irmgard Bensusan

Emotional wurde Floors auch, weil seine Teamkollegin Irmgard Bensusan knapp 20 Minuten vor ihm ihr letztes paralympisches Rennen bestritten hatte. Nach einem verpatzten Start wurde sie in 13,31 Sekunden Achte über 100 Meter, doch das war zweitrangig, auch für Floors: "Irmgard hatte heute ihren letzten Tanz. Wir sind beide quasi gleichzeitig nach Leverkusen gezogen. Die letzten zehn Jahre, da nehme ich ganz viel mit. Jeder, der Geschwister hat, weiß, wie das aussehen kann. Mit Höhen und Tiefen, mit Streit, mit Freude und vieler Unterstützung. Ich werde sie vermissen.“

Und auch Bensusan, die mit Bronze über 200 Meter in dieser Woche noch ein echtes Glanzlicht gesetzt hatte, wollte den emotionalen Aspekt des Abends hervorheben. „Ich darf noch nicht weinen, sonst höre ich nicht mehr auf. Ich saß noch kurz an der Bahn, habe auf Johannes gewartet. Ich wollte alles absorbieren und in meinem Herzen einschließen und speichern, dass ich diesen Moment für immer in meinem Leben erleben kann.“

Weitere Finalplatzierungen für deutsche Athletinnen

Katrin Müller-Rottgardt verpasste nach Bronze über 100 Meter gemeinsam mit Guide Noel Fiener das Finale über 200 Meter in 25,15 Sekunden um neun Hundertstel. Das Duo vom TV Wattenscheid gab sich mit Rang fünf aber versöhnlich: „Es ist schade, wir wären gerne ins Finale. Aber wir sind mit einer super Zeit Saisonbestleistung gelaufen und können mit einem sehr guten Gefühl mit der Bronzemedaille nach Hause fahren.“ Platz elf im Weitsprung gab es für Jule Roß. 

Lise Petersen, 2021 in Tokio mit gerade mal 16 Jahren die jüngste Athletin, stand mit 19 erneut im Speerwurf-Finale und wurde mit 36,62 Metern Achte. „Es war eine krasse Erfahrung und mega cool. Wie viele Leute angefeuert haben, obwohl sie vielleicht das erste Mal Speerwerfen gesehen haben, das war schon sehr, sehr geil. Ich war happy, als ich den ersten 36er rausgehauen habe. Als ich wusste, ich bin mindestens Achte und habe drei weitere Würfe, da ist schon ein bisschen was von mir abgefallen. Es macht in einem vollen Stadion extrem Spaß, einen Wettkampf zu haben. Das gibt Motivation in Richtung LA.“

Lindy Ave holt Bronze

Am Samstag fügte Lindy Ave der deutschen Bilanz noch eine weitere Medaille hinzu. Die Siegerin von Tokio holte über 400 Meter diesmal Bronze. Nach ihrem Überraschungstriumph im Regen von Tokio 2021 hatte die Athletin von Leichtathletik inklusiv Greifswald eine Babypause eingelegt und ein Comeback geschafft.Am Abschlussabend in Paris kämpfte sie sich auf der Zielgeraden durch, bewies ihr Stehvermögen und wurde in Saisonbestzeit von 1:00,37 Minuten Dritte. Die Siegerin Karen Palomeque aus Kolumbien musste Weltrekord laufen, um zu gewinnen. Für die Ungarin Luca Ekler war der Europarekord für Silber nötig.

In solch einem „krassen Wettkampf“ setzte sich Lindy Ave gegen hochklassige Konkurrenz durch und sagte: „Ich wusste, dass ich zwischen Zweiter und Sechster alles werden kann. Dass es jetzt für Bronze reicht, hätte ich wirklich nicht gedacht. Das letzte Jahr war hart genug. Als Alleinerziehende eine körperliche Einschränkung zu haben und dann das Training nebenbei zu absolvieren mit zwei unterschiedlichen Trainern [...] Darauf bin ich sehr stolz. Ohne mein Kind hätte ich das nicht erreichen können. Da steckt viel Kraft und Kampfgeist dahinter: Du kommst aus einer Babypause nicht einfach so zurück."

Die Silbermedaillengewinnerin im Weitsprung Nele Moos wurde in Bestzeit von 1:00,91 Minuten Siebte. Die Leverkusenerin verbesserte sich um mehr eine halbe Sekunde: "Es war einfach noch mal schön, vor über 70.000 Menschen laufen zu dürfen, das sind 70.000 mehr als sonst. Es war am Ende echt hart, da hatte die Konkurrenz mehr Körner als ich. Aber ich bin das Rennen sehr beherzt angegangen und habe die Fehler, die ich in der Vergangenheit gemacht habe, nämlich zu langsam angehen, besser gelöst. Ich bin aber auch sehr dankbar, dass die Spiele jetzt vorbei sind, weil es psychisch und physisch sehr anstrengend ist und ich durch bin. Ich freue mich, mit meinem Team den Erfolg zu feiern."

Felix Streng disqualifiziert

Im ersten Rennen des Abends war Felix Streng auf dem Silberrang disqualifiziert worden. Er hatte in der Kurve die Bahn bei drei Bodenkontakten verlassen, Silber für die Zeit von 21,86 Sekunden wurde einkassiert. Gold ging wie über 100 Meter an den Costa Ricaner Sherman Guity Guity.

"Es ist extrem frustrierend", sagte der Sprinter vom Sprintteam Wetzlar, der in London lebt und bei Steve Fudge trainiert: "Ich habe es noch gar nicht so richtig realisiert. Das darf mir als Athlet nicht passieren, ich muss als Athlet in meiner Linie laufen, es war am Ende eine Fingerbreite, die ich auf die Linie getreten bin. Es tut extrem weh, auch weil wir so weit vorneweg waren, da hätte ich nicht um den Zentimeter kämpfen müssen", sagte er mit Blick auf Guity Guity und sich selbst, die großen Vorsprung hatten.

"Ich wollte am Start alles rausholen, dann habe ich ein bisschen die Balance verloren und bin in die Kurveninnenseite gedriftet. Ich habe es gar nicht gemerkt. Es ist makaber, gefeiert zu haben und dann kommt das DQ und alles ist weg. Wir haben so viel gearbeitet dieses Jahr und sind eigentlich in einer top Form. Und jetzt gehe ich so aus dem Stadion raus."

Die kompletten Resultate finden Sie in unserer Ergebnisrubrik...

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