Drei Monate Vollgas, drei Monate voller Höhepunkte: Mit einem Sieg beim Heim-Meeting in die Saison gestartet, verabschiedet sich Karl Bebendorf auch mit einem Heimsieg in die Pause. Der Sommer hielt für den Dresdner Höhen und Tiefen bereit, daraus gelernt hat er immer. Mit EM-Bronze dekoriert, ist er hungrig auf mehr und schlägt auf seinem Weg in die Weltspitze ein neues Kapitel auf.
Im Mai hatte er seine Sommersaison beim heimischen Vereins-Meeting über 2.000 Meter Hindernis eröffnet, im Rahmen des „Goldenen Ovals“ zur Stadion-Eröffnung hat er sie als Sieger über 3.000 Meter Hindernis nun ebenfalls in Dresden erfolgreich beendet. Der Unterschied: Während das DSC-Meeting noch im Ausweich-Stadion mit Sportfestcharakter stattgefunden hatte, lief Karl Bebendorf (Dresdner SC 1898) im neuen Heinz-Steyer-Stadion vor stimmungsvoller Kulisse gegen starke internationale Konkurrenz.
Dies war nicht nur der Startschuss für ein neues Leichtathletik-Kapitel in der sächsischen Hauptstadt, sondern auch ein Beweis dafür, welch starke Entwicklung Bebendorf genommen hat. Einst noch als zierlicher Junge im alten Stadionbau zum Training erschienen, wuchs er nach und nach zum Spitzenläufer heran und verbesserte sich stetig, wie er selbst sagt, immer in einem Drei- bis Fünf-Sekunden-Fenster, anstatt nur den einen Ausreißer nach oben zu haben. Dass er es vom Sportschüler nun auf die größten Bühnen des Sports geschafft hat und zuletzt sogar bei Olympischen Spielen auf der Bahn stand, war dabei nie das eine große Ziel, auf das er verbissen hingearbeitet hat.
EM-Bronze als Schlüsselmoment
„Im Nachhinein war es auch eine gewisse Naivität. Ich hatte das nie fest in meinem Kopf, so dass ich gesagt habe, dass ich jeden Abend einschlafe und irgendwann mal Dritter bei der EM sein werde. Das war ganz weit tief hinten in meinem Kopf eingepflanzt und ich habe immer wieder durch kleine Erfolgserlebnisse – wie etwa ein deutscher Jugendmeistertitel – solche kleinen Flammen gesehen, die Hoffnung gegeben haben. Daran habe ich dann kontinuierlich gearbeitet. Dass der Plan irgendwann aufgeht, ist daher kein Zufall. Das ist ein Verdienst, auf den ich stolz sein kann“, sagt er rückblickend.
Seinen bisher größten Erfolg feierte der 28-Jährige in diesem Jahr bei der EM in Rom, als er Bronze über 3.000 Meter Hindernis gewann. „Das EM-Finale war ganz klar mein Höhepunkt dieses Jahr. Weil es ein magischer Moment in meiner Karriere war, den ich so oft schon verzweifelt gesucht habe und der endlich eingetreten ist. Das hat mir gezeigt, wie geil dieser Sport sein kann. Wenn man jahrelang nur hart arbeitet und trainiert, versucht und hofft, aber dann doch immer wieder ein bisschen daran zerbricht und zweifelt, dann ist das für mich ein sehr prägender Moment gewesen. Und irgendwo auch ein Schlüssel, der mir gezeigt hat, dass meine Reise noch sehr viel weiter gehen kann.“
Aus Fehlern gelernt und stets authentisch
Dass solch eine Reise jedoch nicht immer geradlinig läuft und auch Rückschläge dazu gehören, musste Bebendorf in diesem Sommer ebenfalls erleben. Ausgerechnet bei den Olympischen Spielen in Paris konnte er sein Leistungsvermögen nicht abrufen und schied nach dem Vorlauf enttäuscht aus. „Zu diesem Zeitpunkt wusste keiner, was mit mir los war. Deshalb tut es mir für alle anderen sehr leid, dass ich den Erwartungen nicht gerecht geworden bin. Aber ich wollte keine Ausreden, sondern habe es erst einmal in mich hineingefressen“, sagt er.
Im Nachhinein hatte er sich dann unter anderem über die Soziale Medien für sein Verhalten und das Rennen entschuldigt und darüber aufgeklärt, was los war: „Bei der Anreise nach Paris hatte ich Gliederschmerzen und Fieber – weil ich Rote-Bete-Saft nicht vertragen habe. Das ist eine total verrückte Geschichte und so was brauchst du keinem einen Tag vor dem Rennen erzählen. Da denkt jeder, dass du spinnst.“
Inzwischen ist die Erkenntnis dem Ärger gewichen und er sagt; „Im Endeffekt war es die richtige Entscheidung, das Rennen in Paris trotz allem anzugehen. Aber für die Öffentlichkeit und für das, was danach an Negativität auf mich zukam, das hätte ich mir ersparen können. Das macht mich als Sportler dann aber doch irgendwo aus, darüber zu stehen und die Fleißarbeit zu machen, den Leuten zu erklären, dass ich mehr kann.“
Abschiedsgeschenk für langjährigen Trainer
Erklärt hat er dies dann nicht nur verbal, sondern mit einem starken Auftritt beim Diamond League Meeting im polnischen Chorzów auch auf der Bahn gezeigt. In 8:17,52 Minuten lief er am 25. August noch einmal in den Bereich seiner Bestleistung (8:14,41 min) und konnte knapp eine Woche später mit dem Sieg in Dresden schließlich ein versöhnliches Ende für eine lange und kräftezehrende Saison finden. Zur Belohnung will er in der bevorstehenden Pause erst einmal nicht an Training denken und sich nur „just for fun“ etwas bewegen, um seine Form nicht wie in den Jahren zuvor ganz zu verlieren.
Zugleich beginnt für ihn schon bald ein neues Kapitel. Denn das Rennen in Dresden war nicht nur sein letztes Rennen der Saison, sondern auch das letzte unter seinem langjährigen Trainer Dietmar Jarosch. „Mit diesem Wettkampf beendet er jetzt unserer neunjährige Zusammenarbeit. Das kam heute emotional auch dazu und ich bin froh, dass ich ihm mit dem Sieg noch einmal ein schönes Geschenk zum Abschied machen konnte“, sagt Karl Bebendorf voller Dankbarkeit über die gemeinsame Zeit.
Neue Frische – neue Distanz?
Wohin ihn der weiterer Weg führen wird und wie er einen neuen Zyklus aufbaut und neue Reize setzt, das weiß der Dresdner aktuell selber noch nicht. „Ich werde auf jeden Fall eine schlaue Entscheidung treffen, denn irgendwelche Versuche kann ich mir in meinem Alter nicht mehr erlauben. Wenn, dann muss es etwas Richtiges sein, was mich langfristig in Richtung Weltspitze trägt“, ist er sich sicher.
Gleichermaßen wie darüber, dass insbesondere mit dem neuen Stadion ein Stadtwechsel für ihn nicht in Frage kommt. Vorstellen kann er sich hingegen eine „sehr international geprägte Geschichte“. Und sagt: „Ich trainiere ohnehin die Hälfte des Jahres irgendwo im Trainingslager im Ausland, von daher ist das nichts Besonderes. Mein Standort wird aber hier in meinem Wohnzimmer fortgeführt werden.“
Und auch was die Streckenwahl betrifft, hält er sich die Option offen, vermehrt auf den Unterdistanzen anzutreten. Bereits bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig zeigte er über 800 Meter, dass er auch hier konkurrenzfähig ist. „Da ich ursprünglich von der Mittelstrecke komme, werde ich da auch erst einmal zurückkehren und mir eine neue Frische holen. Denn mit dem Alter wird man automatisch träger und ein bisschen langsamer. Von daher kann es nicht schaden, das aufzufrischen – bei der EM hat man ja gesehen, welche Vorteile das mit sich bringen kann“, sagt er.
Mit Stolz und Vorfreude zur Heim-DM
Einen Wechsel auf die Straße, mit dem etwa Disziplinkollegin Gesa Krause (Silversterlauf Trier) liebäugelt, schließt Bebendorf für sich aus. Und sagt lachend in Bezug auf die Langdistanzen: „Nach oben werde ich höchstwahrscheinlich nicht gehen, das kann ich jetzt schon sagen. Wenn, dann wird mich der Weg immer wieder nach unten führen. Es ist einfach wichtig, denn man versteift irgendwo auf dieser Strecke, und die Hindernisse sind auch eine extreme Belastung für den Körper. Wenn man das dann wirklich noch ein paar Jahre machen will, dann muss man einfach mal wieder ein paar neue Bewegungsstrukturen angehen.“
Für welche Disziplin sich Karl Bebendorf etwa bei den Deutschen Meisterschaften 2025 entscheidet, für deren Austragung sich Dresden beworben hat, steht somit noch in den Sternen. Was ihn als Aushängeschild der Dresdner Leichtathletik bereits jetzt stolz macht, ist, dass Dresden nun auch von all seinen Sportkollegen wahrgenommen wird: „Es bedeutet mir so viel, dass jetzt jeder sehen kann, was wir hier auf die Beine stellen können und wie begeistert die Leute von dieser Stadt sind.“