Mit 9,99 Sekunden über 100 Meter hat Owen Ansah (Hamburger SV) bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig nicht nur Sportgeschichte geschrieben, sondern auch für den wohl größten Gänsehausmoment des Wochenendes gesorgt. Im Interview spricht der 23-Jährige über das Rennen, sein positives Mindset und das Verhältnis zu seinem Trainer.
Owen Ansah, herzlichen Glückwunsch zu diesem sporthistorischen Rennen mit deutschem Rekord, deutschem Meistertitel und Meisterschaftsrekord! Was bedeutet Ihnen vor allem die Zeit von 9,99 Sekunden und dass Sie damit der erste deutsche Sprinter sind, der die 100 Meter unter zehn Sekunden gesprintet ist?
Owen Ansah:
Den deutschen Rekord kann mir zwar wieder jemand wegnehmen. Aber dass ich der erste Deutsche bin, der unter zehn Sekunden gerannt ist, das kann mir niemand mehr wegnehmen. Ich bin mega happy.
Wie war das Rennen für Sie, wie haben Sie es selbst wahrgenommen?
Owen Ansah:
Ich weiß gar nicht so viel von dem Rennen, nur, dass ich vorne weggerannt bin und im Augenwinkel Joshua Hartmann gesehen habe. Das hat mir noch einmal mehr Power und Push gegeben, zu rennen, zu rennen, zu rennen und dann perfekt an der Ziellinie zu dippen. Ich denke, dass mir das ganz gut gelungen ist am Samstag.
Wie haben Sie die Stimmung und Atmosphäre im Stadion erlebt?
Owen Ansah:
Ich nehme die Atmosphäre im Stadion wahr. Als ich vorgestellt wurde, habe ich gehört, wie die Leute mich angefeuert haben. Das gibt mir unnormal viel Kraft. Aber dann bin ich natürlich ganz schnell wieder in meinen Fokus gegangen.
Mit Ihrer Vorliebe für blaue Bahnen bot Ihnen Braunschweig schon einmal bestes Terrain. Wie war es aber, auf der Gegengeraden zu laufen? Das ist eher ungewöhnlich…
Owen Ansah:
Das beschäftigt mich eigentlich gar nicht so viel. Ich konzentriere mich darauf, was da ist, und da bestmöglich zu präsentieren, was ich draufhabe. Und heute ist mir das mega gelungen.
War es bereits vorab Ihr Ziel, in Braunschweig den Titel zu holen und so eine starke Zeit auf die Bahn zu bringen?
Owen Ansah:
Es war auf jeden Fall mein Ziel, mit einer Goldmedaille nach Hause zu gehen. Was die Zeit angeht, da habe ich immer gesagt, dass ich bei so großen Meisterschaften gern meine PB angreifen möchte. Der erste Deutsche unter zehn Sekunden zu sein, ist mega.
Der Vorlauf über 100 Meter in Braunschweig war erst Ihr sechstes Rennen in dieser Saison. Bereits in Rom hatten Sie mit Platz fünf überzeugt, das EM-Finale war Ih viertes Saisonrennen. Wie haben Sie es geschafft, in so kurzer Zeit solch ein hohes Leistungsniveau aufzubauen und so schnell zu sein?
Owen Ansah:
Ich habe hart trainiert, und es fühlt sich gut an, jeden Tag ins Training zu gehen, ohne dass etwas weh tut und ich mich wirklich auf das Training konzentrieren kann. Es macht mega Spaß, dann beim Training teilzunehmen. Und am Samstag war es genauso. Ich bin am Morgen wach geworden und habe mich gut gefühlt. Auf der Hinfahrt tags zuvor habe ich noch zu meinem Trainer gesagt: „Basti, ich habe es im Gefühl, dass ich dieses Wochenende richtig schnell laufen werde.“ Und das habe ich gezeigt.
Sie sprechen es bereits an – Sie fühlen sich endlich wieder gut und sind schmerzfrei. Letztes Jahr wurden Sie gleich von zwei hartnäckigen Verletzungen ausgebremst, einem Schambein-Ödem und einem Ermüdungsbruch im Fuß. Können Sie auch vom Kopf her wieder befreit laufen, oder schwirrt das doch noch irgendwo im Unterbewusstsein herum?
Owen Ansah:
Nein, die Verletzungen sind weg. Auf den Bildern von MRT und CT ist nichts mehr zu sehen. Deswegen konzentriere ich mich gar nicht mehr auf die Vergangenheit, sondern blicke nur noch in die Zukunft.
Das passt zu dem, was Sie zuletzt in einem Podcast erzählt haben: Dass Sie sich von allem Negativen fernhalten und sich nur auf positive Dinge konzentrieren. Welche sind das für Sie?
Owen Ansah:
Solche Momente wie in Braunschweig. Es lief am Samstag gut, und das werde ich in meinem Kopf abspeichern. Ich versuche, mich daran zurückzuerinnern, wie ich aus dem Startblock gegangen bin und wie mein fliegender Bereich war. Dann speichere ich das in meinem Kopf ab und konzentriere mich fortan nur noch auf dieses Rennen.
Welchen Anteil hat Ihr Trainer Sebastian Bayer an Ihrem Erfolg?
Owen Ansah:
Einen riesengroßen Anteil. Er hat mir das unter anderem auch ermöglicht und immer an mich geglaubt. Und das pusht einen, wenn du weißt, dass dein Trainer immer an dich glaubt. Durch die Verletzungen hatte ich noch einmal einen anderen und besseren Kontakt zu ihm. Das hat mir auf jeden Fall Kraft gegeben.
Ihre EM-Medaille mit der 4x100-Meter-Staffel haben Sie sich zu Hause an die Eingangstür gehängt, um sich damit jeden Tag beim Weg zum Training neu zu motivieren. Kommen jetzt auch die goldenen DM-Medaillen mit an diese Tür?
Owen Ansah:
Auf jeden Fall, die klebe ich da irgendwo auch noch mit dran.
Mit der Direktnorm haben Sie sich für die Olympischen Spiele auch einen Einzelstart über 100 Meter gesichert. Wie viel Steigerungspotenzial sehen Sie selbst noch? Steht das beste Rennen der Saison bei den Olympischen Spielen erst noch bevor?
Owen Ansah:
Das weiß ich nicht. Ich werde weiterhin so hart trainieren, wie bisher, und dann gucken wir mal, was in Paris dabei herauskommt. Der Traum ist es, im Olympischen Finale zu stehen.
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