In Mittweida, Schauplatz der Deutschen 10.000-Meter-Meisterschaften, schnappte er sich den vierten nationalen Titel in seiner Karriere. Nils Voigt (TV Wattenscheid 01) hatte über 25 Runden die Nase vorn. Nur fünf Tage nach einem zehnwöchigen Aufenthalt in den USA schüttelte er den Jetlag aus seinen Beinen und siegte souverän in 28:03,15 Minuten. Im Interview redet der 26-jährige Voigt ausführlich über seine Saisonpläne auf der Bahn und auf der Straße.
Nils Voigt, herzlichen Glückwunsch zum Sieg bei den Deutschen 10.000-Meter-Meisterschaften! Wie sehen Sie das Rennen im Rückblick?
Nils Voigt:
Danke. Mit Filimon Abraham hatte ich mich abgesprochen, dass er auf der ersten Hälfte vorneweg läuft und ich dann übernehme. So haben wir’s auch durchgezogen. Zwei Runden lang hat Filimon nochmal Tempo gemacht, bis ich mich auf den letzten 1.000 Metern absetzten konnte.
Waren Sie zufrieden mit Ihrer Endzeit?
Nils Voigt:
Nicht ganz. Ein schnelleres Rennen wäre sicher für das World Ranking gut gewesen. Ich hatte nicht die gewohnte Sicherheit im Rennen und bin kein Risiko eingegangen. Trotzdem haben Filimon und ich unser Bestes versucht.
Warum hatten Sie Zweifel?
Nils Voigt:
Sieben Wochen nach meiner 10.000-Meter-Bestzeit in San Juan Capistrano bin ich zur Vorbelastung in Winston-Salem über 5.000 Meter gestartet. Dort ging leider gar nichts. Unglaublich, wie ich da geradezu rückwärts gegangen bin mit 72-er Runden hinten raus, ich war völlig von der Rolle.
Woran hat’s gelegen, dass Sie in dort nicht annähernd Ihr normales Leistungsniveau abrufen konnten?
Nils Voigt:
Diese Frage habe ich mir mit meinem Trainer Tono Kirschbaum auch gestellt. In Flagstaff hatte ich vorher gut trainiert. Als ich aus der Höhe heruntergekommen bin, hatte ich auf einmal schwere Beine und fühlte mich nicht wirklich fit. Gute und schlechte Einheiten wechselten sich ab, es fehlte die Konstanz. Dass die Form trotzdem noch da ist, glaube ich jetzt aber auch wieder.
Wie lange waren Sie denn in Flagstaff?
Nils Voigt:
Ich war für knapp vier Wochen in Flagstaff und danach noch einmal für vier Wochen in North Carolina. Dort hat die Puma-Gruppe, welche von Amy und Alistair Cragg geleitet wird, ihren Standort. Vor meinem ersten Rennen war ich auch schon für zwei Wochen da, um mich zusammen mit der Gruppe auf den Wettkampf vorzubereiten.
Ist Alistair Cragg nicht der neue Trainer von Konstanze Klosterhalfen?
Nils Voigt:
Ja genau. Die Gruppe gibt es auch noch nicht so lange.
Warum haben Sie sich dieser Gruppe angeschlossen?
Nils Voigt:
Bei der Überlegung, wie man den Aufenthalt in den USA am besten gestalten kann, hatte Tono vorgeschlagen, einmal bei Alistair nachzufragen, ob ich mich nicht anschließen kann. So konnte ich mich an die Zeitverschiebung anpassen, gemeinsam zum Wettkampf anreisen und war auch sonst gut betreut. Die Organisation wäre auch alleine möglich gewesen, aber so war es deutlich einfacher, und ich konnte mich auf das Wesentliche, Training und Wettkampf, konzentrieren.
Haben Sie Konstanze Klosterhalfen auch getroffen?
Nils Voigt:
In den ersten beiden Wochen nicht, da habe ich allein gewohnt und das Haus sozusagen getestet. Dann kamen die 10.000 Meter in San Juan Capistrano, und danach bin ich nach Flagstaff geflogen.
Normalerweise sind Sie regelmäßig in Kenia. Warum gerade Flagstaff?
Nils Voigt:
Ich war ja bereits in den Staaten. Von daher war Flagstaff ideal. Allein schon wegen der Zeitumstellung und der kürzeren Anreise. Kenia wäre mit deutlich mehr Aufwand verbunden gewesen.
Hätten Sie nicht auch bei den Craggs bleiben können?
Nils Voigt:
Das haben wir auch überlegt. Auch weil in Flagstaff zu dem Zeitpunkt noch viel Schnee lag. Zusammen mit Tono habe ich mich dann aber entschieden, an dem im Herbst aufgestellten Plan festzuhalten und ein Höhentrainingslager einzuschieben.
Flagstaff wird auch als „Tor zum Grand Canyon“ bezeichnet. Waren dort noch andere internationale Athleten?
Nils Voigt:
Ja, die Niederländer haben ein Camp gemacht, und auch sonst trainieren in Flagstaff viele Athleten. Das Training habe ich allerdings für mich alleine durchgezogen, wie ich es auch von zuhause gewohnt bin.
Wie lange haben Sie sich in Flagstaff aufgehalten?
Nils Voigt:
Vier Wochen habe ich mich allein durchgeschlagen. Dann ging es wieder zurück ins Camp von Alistair Cragg, was allerdings erst im zweiten Anlauf funktioniert hat. Weil der Flieger vereist war, wurde mein eigentlicher Flug kurzerhand gestrichen. Im zweiten Versuch hat das Wetter mitgespielt, und ich konnte Flagstaff verlassen..
Waren Sie froh, als es endlich wieder heimwärts ging?
Nils Voigt:
Doch, besonders wo es auch hier jetzt mit Wettkämpfen losgeht. Die zehn Wochen in den USA waren erstmal genug..
Wann sind Sie denn zurückgekommen?
Nils Voigt:
Am Montag vor der DM. So konnte ich noch ein paar Einheiten in Wattenscheid machen.
Wie geht’s weiter? Wann folgt der nächste Wettkampf?
Nils Voigt:
Am übernächsten Samstag starte ich beim Meeting „Night oft the 10.000 m P.B.s“ in London.
Die WM-Norm von 27:10,00 Minuten wird kaum zu knacken sein, sie liegt noch unter Dieter Baumanns deutschem Rekord. Wollen Sie in London Punkte für die Weltrangliste sammeln, um sich auf diesem Weg für die Weltmeisterschaft in Budapest zu qualifizieren?
Nils Voigt:
Das ist der Plan. Die Qualifikation für die 10.000 Meter ist nicht einfach, von den 27 Plätzen werden nochmal acht über das Cross Country Ranking vergeben. Aber man muss es versuchen.
Welches Ziel haben Sie sich für London gesetzt?
Nils Voigt:
Ich werde vorne mitgehen. Es wird wieder Pacemaker geben, und das Feld ist stark besetzt..
Was ist mit dem 10.000-Meter-Europacup zwei Wochen später in Frankreich, wo Sie vor zwölf Monaten gelaufen sind?
Nils Voigt:
Dort haben wir mit dem Männerteam Bronze geholt, Filimon war vor mir. Momentan konzentriere ich mich aber voll und ganz auf London.
Sind die Deutschen Meisterschaften in Kassel im Juli auch in Ihrem Terminkalender rot eingekreist?
Nils Voigt:
In Kassel werde ich die 5.000 Meter laufen.
Zwei Ihrer Konkurrenten, Amos Bartelsmeyer und Aaron Bienenfeld, haben am Tag nach Ihrem DM-Titelgewinn, dem nunmehr vierten in Ihrer Karriere, flotte 5.000-Meter-Resultate in den USA erzielt. Das wird spannend in Kassel, oder?
Nils Voigt:
Ich hoffe, dass die besten Läufer am Start sind! In Mittweida waren leider nicht alle gemeldeten am Start, so wie dieses Jahr auch schon in der Halle über 3.000 Meter. Wenn alle da wären, könnte man gemeinsam ein starkes Meisterschaftsrennen auf die Beine stellen, wovon alle profitieren würden. Schade, dass das nicht immer klappt. Es wäre optimal, wenn in Kassel alle starten würden: Mohamed Abdilaahi, Sam Parsons, Amos Bartelsmeyer, Aaron Bienenfeld, Max Thorwirth und Markus Görger.
Tono Kirschbaum, Ihr Trainer, mit dem Sie seit Herbst 2018 erfolgreich zusammenarbeiten, sprach davon, dass Sie Anfang des Jahres den Halbmarathon in Sevilla anvisiert hatten. Ist da was im Herbst geplant?
Nils Voigt:
Ganz sicher! Da bieten sich einige Möglichkeiten an, Kopenhagen beispielsweise oder die Halbmarathon-WM in Riga. Vor Sevilla hatte ich im Trainingslager in Monte Gordo leider muskuläre Probleme. Daher musste ich absagen.
Und wann erleben wir Ihre Marathonpremiere?
Nils Voigt:
Möglicherweise in diesem Jahr noch. Mit Tono bin ich mir einig, dass Berlin [24. September] zu früh kommt. Im Sommer hat bei mir die Bahn absolute Priorität. Wenn ich einen Marathon laufe, dann im November oder Dezember.
Der bekannt schnelle Kurs in Valencia würde sich anbieten.
Nils Voigt:
Valencia ist eine von mehreren Optionen, doch eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.
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