Alina Reh (SCC Berlin) hat sich am Wochenende bei den Deutschen Cross-Meisterschaften in Löningen gegen starke Konkurrenz durchgesetzt und ihren dritten nationalen Meistertitel des Jahres gewonnen. Im Interview der Woche spricht sie über ihre Erwartungen für die Cross-Europameisterschaften in Italien, die schwierige Zeit nach den Europameisterschaften, die sie zu einer neuen Trainingsgruppe geführt hat, und welches Projekt sie gemeinsam mit Hanna Klein neben der Bahn verfolgt.
Alina Reh, herzlichen Glückwunsch zum Meistertitel und diesem starken Rennen. Im Ziel sahen Sie so ungläubig aus. Das muss heute sehr emotional für Sie gewesen sein.
Alina Reh:
Ja, das war es, weil ich überhaupt nicht damit gerechnet hatte. Am Donnerstag sind wir losgefahren und ich wollte eigentlich gar mit. Ich habe mich so schlecht gefühlt. Beim Training ging gar nichts die letzten Tage. Ich bin dann doch mit dem Tübinger Team zusammen hergefahren und das war scheinbar die richtige Entscheidung.
Gab es beim Rennen auch noch Zweifel oder waren die mit dem Startschuss verflogen?
Alina Reh:
In der ersten Runde gab es auf jeden Fall noch Zweifel. Dann habe ich mich gefragt, warum das Tempo so langsam war. Ich dachte, ich versuche es mal von vorne und habe ich mich ins Rennen reingelaufen und dann letztendlich auch ganz gut gefühlt bis zum Schluss. Ich habe aber schon auch darüber nachgedacht, ob ich das bis zum Ende durchstehe.
Das Frauen-Renen war unheimlich stark besetzt. Neben den bereits sehr erfolgreichen Läuferinnen Hanna Klein und Miriam Dattke kommen mit Eva Dieterich und Emma Heckel auch junge Läuferinnen sehr stark nach. Haben Sie da zusätzlichen Druck verspürt?
Alina Reh:
Ja, auf jeden Fall. Ich habe an der Startlinie gestanden und dachte: Wenn ich unter die ersten Zehn heute komme, ist das volkommen okay. Ich hatte auch wirklich eine schwere Zeit nach der EM in München. Mental war das echt hart. Ich trainiere jetzt in Tübingen mit Hanna und Eva zusammen und weiß, wie stark sie sind und wie sie mir im Training weglaufen.
Sie haben heute also vor allem sich selbst überrascht?
Alina Reh:
Ich war wirklich überrascht, dass ich meinen Schritt im Rennen gefunden habe. Vielleicht lief es gut, weil es sich vorne besser anfühlt, als wenn man mit der gleichen Geschwindigkeit auf dem zehnten Platz rennt. Dass ich überhaupt keine Erwartungen an mich selbst gestellt habe, hat mir offensichtlich gutgetan.
Sie hatten im Vorfeld mit Fußproblemen zu kämpfen, wurden Sie davon heute eingeschränkt?
Alina Reh:
Wir sind vor ein paar Wochen in München Cross gelaufen und der Boden tat meinem Fuß scheinbar nicht so gut. Hier war der Untergrund aber nicht so fordernd, dass man das Gewicht stark ausgleichen musste. Daher ging es meinem Fuß heute gut.
Die letzte Cross EM war mit Einzel-Bronze und Team-Silber sehr erfolgreich. Haben Sie schon Erwartungen für die diesjährigen Europameisterschaften in Italien?
Alina Reh:
Nein, die habe ich noch gar nicht. Vor ein paar Stunden habe ich noch gar nicht mit einer Qualifikation gerechnet. Deswegen muss ich das jetzt erst einmal noch ein bisschen relativieren. Vielleicht hatte ich heute auch einfach nur einen guten Tag. Ich weiß, dass meine aktuelle Form weit weg ist von dem, was ich letztes Jahr konnte. Ich nehme die EM gerne mit, aber ich will auch keine falschen Erwartungen schüren. Vielleicht kann ich dem Team helfen.
Konnten Sie mit dem Frauen-Team schon ein wenig darüber reden, welche Erwartungen Sie haben?
Alina Reh:
Bisher noch nicht. Ich bin mir sicher, dass wir mit einem starken Frauen-Team etwas reißen können und wir, wie im vergangenen Jahr, die Sache rocken können.
Was für eine Strecke würden Sie sich denn wünschen, mit viel Matsch oder lieber wenig?
Alina Reh:
Letztes Jahr war die Strecke in Dublin in Ordnung. Da waren nur einige Passagen etwas matschig. Ich hoffe, dass es nicht so schlimm wird wie bei der Cross-DM letztes Jahr in Sonsbeck. Das war schon echt grenzwertig.
Wie bereiten Sie sich nun auf die Cross-EM vor?
Alina Reh:
Wir fahren jetzt erst einmal mit meiner Trainingsgruppe für vier Tage ins Höhen-Trainingshaus nach Herxheim. Das ist das erste Mal, dass ich dort sein werde. Da bin ich auf jeden Fall schon sehr gespannt.
Seit wann sind Sie nun Teil der Tübinger Trainingsgruppe?
Alina Reh:
Ich fahre seit September regelmäßig zum Training dorthin. Ich hatte so ein richtig großes Tief nach der EM mit großen Selbstzweifeln. Die Gruppe hilft mir dabei extrem, das wieder hinzubekommen. Das sind alles superliebe Leute, deswegen passt das sehr gut.
Steuert Isabelle Baumann nun auch ihr Training oder sprechen Sie sich nur ab, welche Trainingseinheiten gemeinsam absolviert werden können?
Alina Reh:
Wir sprechen sehr viel zusammen, sie steuert das meiste. Das Wichtigste, was ich in dieser kurzen Zeit bisher mitbekommen habe, ist: Spaß haben und dann ist man auch schnell. Das muss ich mir aber noch ein wenig weiter einbrennen. Aber es wird.
Sie haben schon angedeutet, dass die Heim-Europameisterschaften in München schwierig verliefen und Sie dort die Rennen unter- bzw. abbrechen mussten. Es sah so aus, als hätten Sie mit Magenschmerzen zu kämpfen gehabt.
Alina Reh:
Ja, es waren Magenschmerzen durch den ganzen Druck, den ich mir selbst gemacht habe. Das ist mir auf den Magen geschlagen. Das war nicht meine EM, ich war nicht bei mir. Am Ende zählt der Kopf dann offensichtlich mehr als die reine Form. Es ist nicht einfach, wenn man immer wieder mit Zweifeln zu kämpfen hat und das Selbstvertrauen fehlt.
Haben Sie danach eine Laufpause eingelegt?
Alina Reh:
Ja, ich habe einen kompletten Cut gemacht. Ich hatte auch gar keine Lust aufs Laufen. Alles hat sich schwer angefühlt und die Leichtigkeit hat gefehlt. Die erarbeiten wir jetzt wieder schrittweise. Für mentale Probleme gibt es nicht den einen richtigen Schlüssel, denke ich. Da muss jeder für sich seinen eigenen Weg finden.
Sie scheinen sehr glücklich über den Weg, den Sie jetzt mit der neuen Trainingsgruppe gehen, zu sein.
Alina Reh:
Ja, das bin ich wirklich. Es ist eine starke und lustige Gruppe. Wir verstehen uns alle sehr gut und haben auch neben der Bahn viel Spaß zusammen. Mit Hanna [Klein] übernehme ich jetzt beispielsweise alle drei bis vier Wochen den „Auslaufen“-Podcast von unserem Trainingspartner Maximilian Thorwirth. Wenn wir die nächste Folge aufnehmen, haben wir dann bestimmt auch einiges über die Cross-DM zu berichten.