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Nach Triumph in Berlin: Marlene Meier führt erfolgreiche Familien-Tradition fort

Marlene Meier hat bei den Deutschen Meisterschaften als Überraschungssiegerin mit neuer starker Bestzeit über die 100 Meter Hürden begeistert. In ihrem ersten Aktiven-Jahr schnappte sie sich im Berliner Olympiastadion den Titel in 13,15 Sekunden. Die 20-Jährige strahlt die Freude am Hürdensprint regelrecht aus, mit der sie eine andere Disziplin gewählt hat als ihre erfolgreichen Eltern.
Birte Grote

Auch am nächsten Tag wirkte für Marlene Meier (TSV Bayer 04 Leverkusen) noch alles unwirklich, was sie am Sonnabend auf die blaue Bahn von Berlin gezaubert hatte. „Ich habe es überhaupt noch nicht realisiert – sowohl was es heißt Deutsche Meisterin bei den Erwachsenen zu sein als auch so eine krasse Zeit gelaufen zu sein!“ Im Finale war sie an Favoritin Monika Zapalska (TV Wattenscheid 01) vorbeigezogen und hatte ihre Bestzeit um 16 Hundertstel auf 13,15 Sekunden pulverisiert.

Den Lauf hatte sie sich hinterher noch nicht angeschaut. „Ich habe mich noch nicht getraut. Dann fallen einem die Fehler auf, die man noch gemacht hat, aber ich möchte das gute Gefühl behalten. Beim Einschlafen ist mir aufgefallen, dass ich mich an fast nichts mehr erinnern kann. Sonst weiß ich immer genau, welche Fehler ich gemacht habe.“

In den Fußstapfen der Eltern

Und obwohl Marlene Meier kaum überwältigter von ihrem Erfolg hätte sein können, gab es eine Person, die dies noch toppen konnte. „Mein Vater war noch viel aufgeregter als ich am Telefon.“ Ihr Vater, kein geringerer als der ehemalige Top-Zehnkämpfer, Olympiateilnehmer und WM-Bronzemedaillengewinner Paul Meier. Und damit nicht genug: Ihre Mutter ist Hochsprung-Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin Heike Meier-Henkel. Beide konnten den großen Erfolg ihrer Tochter nur vor dem Fernseher verfolgen. „Meine Mutter ist leider an Corona erkrankt und mein Papa ist deswegen auch zuhause geblieben. Aber sie haben die ganze Familie akquiriert, die Übertragung anzuschauen. Sie haben sich total gefreut und sind sehr stolz.“

Dass ihr Weg automatisch zur Leichtathletik geführt habe, verneint Marlene Meier. „Meine Eltern wollten nur, dass ich überhaupt einen Sport mache. Ich hatte so viel Energie als Kind, das musste irgendwo raus. Ich habe auch Ballett gemacht und geturnt.“ Erst in der vierten Klasse sei bei den Bundesjugendspielen aufgefallen, dass sie gut sei und auch Spaß daran hatte, sodass sie zum Leichtathletiktraining im kleinen Verein TSV Glessen ging. Dort war sie jedoch die einzige, die Lust auf Wettkämpfe hatte. „Dadurch waren manchmal auch die Trainer nicht dabei, sodass Papa das ab und zu gemacht hat. Aber meine Eltern möchten sich aus meinem Training komplett raushalten, weil sie die Eltern-Trainer-Doppelrolle nicht gut finden. Und weil ich Spaß an Wettkämpfen hatte, haben sie mich in Leverkusen zum Training angemeldet.“ Damit trat die damals Elfjährige in die Fußstapfen ihrer Eltern, die ebenfalls beide für den Verein gestartet sind.

Der Unterschied zum Dorfverein sei enorm gewesen. „Da sind wir dann mit 50 Kindern und fünf Trainern zu Wettkämpfen gefahren. Aber das hat mir dann auch noch einmal mehr Spaß gemacht. Ich weiß auch noch, wie aufgeregt wir waren, als wir in der U16 das erste Mal in der großen Leichtathletikhalle trainieren durften.“

Als Favoritin zur Junioren-DM

Beim Training und bei Wettkämpfen wüssten viele Leute nicht, dass sie aus einem erfolgreichen Leichtathletik-Haushalt kommt. „Wenn ich Trainingspartner neu kennenlerne, erfahren die das oft erst nach einiger Zeit. Und dann kommt meist diese Reaktion: ‚Was? Das sind deine Eltern?‘ Dann sind sie erst immer etwas geschockt. Von älteren Leuten hört man bei Wettkämpfen eher mal ein ‚das ist die Tochter von‘.“ Dies sei weder Fluch noch Segen, Druck verspürt sie deswegen nicht. „Früher kamen vereinzelt mal Sprüche wie ‚wenn ich solche Eltern hätte, könnte ich auch so schnell laufen‘ aber meine Mutter hat eine ganz andere Disziplin gemacht und mein Vater war auch kein guter Hürdenläufer.“

Bei ihr selbst habe sich von ganz allein herauskristallisiert, dass der Hürdensprint ihr Ding ist – trotz auch guter Leistungen im Weit- und Hochsprung. „Da hatte ich meine erste Einzelnorm für die Deutschen Jugendmeisterschaften und dann hat sich das so entwickelt, dass ich immer mehr Hürde gelaufen bin und die anderen Disziplinen weniger gemacht habe.“ Auf ein paar Weitsprung-Wettbewerbe in der Late-Season oder im Winter hätte sie trotzdem mal wieder Lust.

Bis dahin bleibt der Fokus natürlich bei den Hürden. International steht keine Junioren-Meisterschaft an, aber in vier Wochen geht es zu den Deutschen U23-Meisterschaften nach Wattenscheid – natürlich als große Favoritin. „Ich habe schon darüber nachgedacht, wie es ist, wenn ich beim Start als Deutsche Meisterin angekündigt werde. Das ist dann auch mehr Druck, weil die Leute etwas sehen wollen und mehr erwarten.“

Traum vom internationalen Start verwirklicht

Dass sie mit Druck umgehen kann, hat Marlene Meier im vergangenen Jahr mit der Qualifikation zu den U20-Europameisterschaften gezeigt. „Da mussten wir bei drei Wettkämpfen auf den Punkt da sein und liefern. Da ist schon die Last abgefallen, als ich die Qualifikation geschafft habe.“ Der erste internationale Start war auch die Verwirklichung eines großen Traums. „Ich wollte immer mal im Deutschland-Trikot starten. Auch wenn der Wettkampf dann nicht so lief wie erwünscht, würde ich das gerne wieder erleben.“

Den Schlüssel zum Erfolg sieht sie in ihrer starken Trainingsgruppe von Markus Irrgang, die die Kurzhürdenwettbewerbe an diesem Wochenende mit ihrem Titel, dem Silber von Tim Eikermann und der Bronzemedaille der gleichaltrigen Franziska Schuster dominierte. „Wir sind eine tolle, starke Gruppe. Gerade Franziska und ich können uns richtig gut pushen.“

Insgesamt sei sie in diesem Jahr deutlich schneller geworden, erzählt Marlene Meier. „Ich habe in diesem Jahr auch keine Hüftprobleme mehr gehabt, die mich sonst manchmal eingeschränkt haben.“ Ihre Stärke in ihrer Disziplin sei, dass sie hinter der Hürde schnell wieder zum Boden käme und neuerdings auch das Zwischentreten.

Start ins Studium

„Hürden sind viel spannender als die flache Strecke“, erklärt sie auf die Frage, was ihr an der Disziplin so gefällt. „Sonst merkt man, wie man langsamer wird und man kann nicht so wirklich was dagegen tun. Bei den Hürden kann man bei jeder Hürde alles geben und auf so viele Kleinigkeiten achten.“ Ihre Vorbilder sind Cindy Roleder und Pamela Dutkiewicz-Emmerich. „Sie haben gezeigt, dass man als deutsche Sprinterin international Medaillen gewinnen kann.“

Ab Herbst steht nun eine große Veränderung im Leben von Marlene Meier an: Nachdem sie sich ein Jahr komplett auf den Sport konzentrierte, weil sie sich nach dem Abitur erst orientieren wollte, in welche Richtung es beruflich gehen soll, fängt sie ihr Studium für nachhaltiges Design in Köln an. „Ich hatte schon immer eine künstlerische Ader, habe immer viel gezeichnet, auf Leinwand oder auch digital. Und auch an Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit habe ich ein großes Interesse und ernähre mich auch vegan. Deswegen verbindet das Studium genau meine Interessen.“

Neben dem Studium freut sie sich auch auf alles, was sportlich noch kommt – vor allem auf aufregende Momente wie bei den Deutschen Hallenmeisterschaften im Februar, als sie erstmals gegen Cindy Roleder antrat („Ich habe mich gefreut, dass wir beide gleich groß sind, weil ich immer Bedenken hatte, dass ich in das Schema der kleinen, kompakten Hürdensprinterin nicht reinpasse“) – oder wie bei ihrem Überraschungssieg am Sonnabend im Olympiastadion.

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