Von Freitag bis Sonntag (18. bis 20. März) finden in Belgrad die Hallen-Weltmeisterschaften statt. Fünf der 18 Athletinnen und Athleten, die den Deutschen Leichtathletik-Verband in der serbischen Hauptstadt vertreten, stehen in der Meldeliste unter den Top Acht, für manch andere geht es darum, WM-Luft zu schnuppern und sich ein Kräftemessen mit der internationalen Konkurrenz zu liefern. Einige Leistungsträger verzichten zugunsten einer optimalen Vorbereitung auf die zwei Sommer-Highlights WM und EM auf eine Teilnahme.
Die beste Weitspringerin der aktuellen Hallensaison suchen Leichtathletikfans in den „Final Entries“ für die Hallen-WM in Belgrad (Serbien; 18. bis 20. März) vergeblich. Denn Olympiasiegerin Malaika Mihambo (LG Kurpfalz), die in diesem Winter bereits auf 6,96 Meter geflogen ist, hat sich im Hinblick auf die Sommersaison gegen eine Teilnahme entschieden. Mit gutem Grund: Im Sommer warten mit den Freiluft-Weltmeisterschaften in Eugene (USA; 15. bis 24. Juli) und der Heim-EM in München (15. bis 21. August) gleich zwei internationale Meisterschaften, bei denen Deutschlands „Sportlerin des Jahres“ als Titelverteidigerin an den Start geht.
Auch einige andere DLV-Stars haben die Hallensaison trotz erfüllter Normen für die Hallen-WM vorzeitig beendet und konzentrieren sich auf die Freiluftsaison. Darunter sind die frühere Europameisterin über 60 und 100 Meter Hürden Cindy Roleder (SV Halle), die Münchner Mittelstrecklerinnen Christina Hering und Katharina Trost und 400-Meter-Spezialistin Corinna Schwab (LAC Erdgas Chemnitz), die Anfang Februar die schnellste Hallenzeit einer Deutschen seit 2003 sprintete.
Fünf unter den besten Acht der Meldeliste
Geblieben ist ein kleines, aber feines deutsches Team, das nach der Absage von Sprinterin Tatjana Pinto (TV Wattenscheid 01) 18 Athletinnen und Athleten umfasst. „Nach der Hallen-DM in Leipzig wollen wir bei der Hallen-WM zeigen, dass auch ein kleines deutsches Team mit guten Leistungen für Aufsehen sorgen kann“, formuliert Chef-Bundestrainerin Annett Stein das Ziel für die Reise in die serbische Hauptstadt.
Immerhin fünf der 18 Starterinnen und Starter sind in den „Final Entries“ in den besten Acht platziert und werden alles geben, um sich bestmöglich zu verkaufen. Zwei der fünf Top-Acht-Meldeleistungen gehen auf das Konto der Mittel-/Langstreckenläufer, die sich in diesem Winter bislang besonders stark präsentierten. Obwohl mit Mohamed Mohumed (LG Olympia Dortmund) ein zweifacher Normerfüller fehlt, konnte das Starter-Kontingent über 1.500 und 3.000 Meter bei den Männern mit je zwei nominierten Teilnehmern ausgeschöpft werden.
Robert Farken dran an den Besten
Der Leipziger Robert Farken und Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe) nehmen die 1.500 Meter, Maximilian Thorwirth (SFD 75 Düsseldorf-Süd) und Sam Parsons (Eintracht Frankfurt) die 3.000-Meter-Strecke in Angriff. Dabei darf sich vor allem Olympia-Halbfinalist Farken Chancen auf eine Platzierung weit vorne ausrechnen: Mit Bestzeit (3:35,44 min) belegt er in der Meldeliste Rang sechs – auf Tuchfühlung mit den Besten, abgesehen von Weltrekordler Jakob Ingebrigtsen (Norwegen). Und spätestens seit seinem furiosen Spurt auf den letzten 300 Metern des Hallen-DM-Endlaufs ist klar: Ein taktisch gelaufenes Meisterschaftsrennen könnte Robert Farken in Belgrad in die Karten spielen.
Für Christoph Kessler ist es die erste internationale Meisterschaft auf Weltniveau. Der Karlsruher kommt wie Farken von den 800 Metern und holte sich nach zwei Hallen-EM-Halbfinalteilnahmen im Februar seinen ersten deutschen Meistertitel über seine bisherige Spezialstrecke. In Belgrad wird er sich erstmals über die längere Distanz mit der starken internationalen Konkurrenz messen. Nach einer schweren Verletzung im vergangenen Jahr kann Sam Parsons bei seinem Comeback im DLV-Trikot wieder Wettkampfpraxis sammeln.
Der Aufsteiger dieses Winters ist Maximilian Thorwirth. Der Düsseldorfer kratzte bereits am deutschen 3.000-Meter-Hallenrekord von Dieter Baumann und kann als Achter der Meldeliste im 35 Athleten starken Feld eine Finalteilnahme anpeilen. Diese Hürde muss seine Tübinger Trainingspartnerin Hanna Klein voraussichtlich gar nicht nehmen: Laut Zeitplan von World Athletics sind für die 21 Starterinnen über 3.000 Meter keine Vorläufe eingeplant. Taktisches Geschick wird also gefordert sein, um sich möglichst gut im Kampf um die vorderen Plätze zu behaupten.
Sara Gambetta reist als Nummer sechs der Welt an
Aussichtsreich ist die Ausgangslage auch im Kugelstoßen: Sara Gambetta (SV Halle) reist mit ihrem ersten 19-Meter-Stoß als Nummer sechs der Meldeliste an. Vor vier Jahren in Birmingham (Großbritannien) wurde in dieser Preisklasse die Bronzemedaille vergeben, in diesem Jahr haben drei Kugelstoßerinnen ihr Arbeitsgerät bereits auf mehr als 19,70 Meter befördert. Das angestrebte Ergebnis in den Top Sechs ist aber für Gambetta, die sich bei ihrer Zielsetzung an der Bestenliste orientiert, auf jeden Fall möglich.
Rang acht im Feld der Kugelstoßerinnen hat nach den Vorleistungen Katharina Maisch (LV 90 Erzgebirge) inne, die nach dem „Augenöffner“, wie sie ihren Olympia-Start im vergangenen Jahr bezeichnet, ihre dritte internationale Meisterschaft bei den Aktiven bestreitet. Als Devise für die Hallen-WM hat die 24 Jahre alte Athletin „Erfahrungen sammeln“ ausgegeben.
Zernikel und Heß mit Chancen auf vordere Platzierungen
Ebenfalls Rang sechs im aktuellen Klassement nimmt Dreispringer Max Heß ein. Mit 16,85 Metern befindet sich der Chemnitzer in Schlagdistanz zum drittbesten gemeldeten Springer Yasser Mohamed Triki (Algerien; 16,95 m). Doch Heß kämpfte bei den Deutschen Hallenmeisterschaften noch mit Fersenproblemen. Hat der 25-Jährige diese Problematik überwunden, könnte es in Belgrad in Richtung der 17 Meter gehen. Erfolg bei einer Hallen-WM ist ihm nicht fremd: 2016 konnte er als 19-Jähriger bereits Silber in Portland (USA) erringen.
Verletzungssorgen machten auch Disziplin-Kollegin Neele Eckhardt-Noack (LG Göttingen) in den vergangenen Wochen zu schaffen. Die Deutsche Freiluft-Meisterin ist nach einem Unterarmbruch und einer Kehlkopfentzündung noch ein Stück von der Bestform (14,52 m) entfernt, mit der sie im vergangenen Jahr Bronze bei der Hallen-EM gewann. Momentan ist sie nur Zwölftbeste der 17 Belgrad-Starterinnen. Den einen Zentimeter zu den in diesem Winter noch nicht übertroffenen 14 Metern wird sie aber sicher draufpacken wollen.
In Belgrad um die Medaillen mitkämpfen – das hatte Stabhochspringer Oleg Zernikel (ASV Landau) als Ziel ausgegeben. Ein ambitioniertes Unterfangen: Zernikel ist als Neuntbester gemeldet, allerdings tummeln sich gleich sieben der zwölf besten Athleten, darunter der Ersatzstarter der USA, in Regionen zwischen 5,80 und 5,85 Meter. Somit ist eine Top-Fünf-Platzierung nicht gänzlich außer Reichweite. Technische Fehler wie bei der Hallen-DM, als er nur Dritter wurde, dürften Zernikel in Serbien teuer zu stehen kommen. Der Deutsche Hallenmeister Torben Blech (TSV Bayer 04 Leverkusen) müsste seine Jahresbestleistung (5,61 m) deutlich steigern, um vorne mitmischen zu können.
Internationales Hallen-Debüt für Gina Lückenkemper
Einen besseren Austragungsort für seine Premiere im DLV-Trikot hätte sich Sprinter Aleksandar Askovic (LG Stadtwerke München) nicht wünschen können: Der 24-Jährige ist in Belgrad geboren. „Eine Heim-WM für mich, denn [Belgrad] ist nicht nur mein Geburtsort, sondern prägt bis heute noch mein Leben“, schrieb er nach seiner Nominierung bei Instagram. Ein Halbfinaleinzug wäre für den Vierten der Hallen-DM, der durch die Absage der in Leipzig vor ihm platzierten Sprinter ins Team rutschte, sicherlich ein Erfolg.
Ihr internationales Debüt unter dem Hallendach gibt in Belgrad auch Gina Lückenkemper (SCC Berlin). Trotz vier EM-Medaillen im Freien und Halbfinalteilnahmen bei WM und Olympischen Spielen hat die Sprinterin in den vergangenen Jahren auf internationale Hallen-Meisterschaften stets verzichtet. Mit einer Saison-Bestmarke von 7,20 Sekunden über 60 Meter hat die Deutsche Hallen-Vizemeisterin durchaus Chancen aufs Halbfinale – betrachtet die Hallen-WM aber in erster Linie als zusätzliche Trainingseinheit, bevor sie zu ihrer Trainingsgruppe in die USA zurückkehrt.
Kai Kazmirek kann überraschen
Vor vier Jahren stellte Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) im Siebenkampf der Hallen-WM in Birmingham seine bis heute gültige Bestleistung auf – 6.238 Punkte reichten damals zu Platz vier. Kann Kazmirek in ähnliche Bereiche vorstoßen, ist ein Top-Ergebnis drin. Aber auch diesmal muss sich der Olympia-Vierte im Zehnkampf von 2016, der als Sieger der Combined Events Challenge eine Wildcard vom Weltverband erhielt, starker Konkurrenz erwehren: Zwei Athleten haben in diesem Winter bereits mehr Punkte erzielt als Kazmirek je zuvor. Olympiasieger Damian Warner (Kanada), der in diesem Winter noch keinen Mehrkampf absolviert hat, hat diese Punktzahl auch drauf.
Über 60 Meter Hürden schickt der DLV ein Duo ins Rennen, das im vergangenen Jahr gemeinsam mit zwei weiteren Hürdensprintern bei den World Relays mit der Mixed-Staffel triumphierte: Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen) und Monika Zapalska (TV Wattenscheid 01). Während Traber nach schwächeren Jahren wieder den Anschluss zur internationalen Spitze finden will – vor acht Jahren erreichte er bei der Hallen-WM in Sopot (Polen) das Finale –, ist es für die Wattenscheiderin der erste große Einsatz auf internationaler Bühne. Sie möchte in Belgrad ihre persönliche Bestmarke (8,11 sec) knacken, die sie im Hallen-DM-Finale von Leipzig nur um zwei Hundertstel verfehlte.
Die erste globale Meisterschaft und doch nur eine Durchgangsstation – der Deutsche 400-Meter-Hallenmeister Patrick Schneider (TV Wattenscheid) möchte im Sommer auf die 800 Meter umsteigen. Vorher nimmt er aber noch die Erfahrung eines WM-Starts mit, auch wenn gegen glänzend aufgelegte Konkurrenz eher keine Top-Platzierung herauskommen wird. Sein Frankfurter Trainingskollege Marc Reuther wird sich über 800 Meter gegen die starken Spanier und US-Amerikaner wohl ebenfalls schwertun. Fest steht jedoch: Ob es um Medaillen geht oder ums Schnuppern von Wettkampfluft, die Athleten haben alle Kräfte mobilisiert und werden in Belgrad ihr Bestes geben.