Deutschlands Leichtathleten sprinten, laufen, gehen, springen, werfen und stoßen wieder! Leider aufgrund der fortwährenden Corona-Pandemie oft noch ohne Zuschauer. Aber auf der Ebene des Kader- und Leistungssports im Jahr 2021 schon wieder mit fast allen hochkarätigen Wettkämpfen. Und schließlich auch mit den Olympischen Spielen in Tokio, die unter ganz besonderen Bedingungen stattfanden. Wir blicken zurück und ordnen, jeweils eingeleitet durch Interviews mit den Leitenden Bundestrainerinnen und Bundestrainern der Disziplingruppen, die Leistungen ein. Heute: der Langsprint der Frauen.
Im Video: Interview mit dem Leitenden Bundestrainer Sprint Ronald Stein
Das ist passiert in 2021
Gleich zu Beginn des Jahres machte Corinna Schwab (LAC Erdgas Chemnitz) dort weiter, wo sie 2020 aufgehört hatte. Wie bereits ein Jahr zuvor sicherte sie sich auch bei der Hallen-DM in Dortmund ungefährdet den Titel und deutete an, dass auf nationaler Ebene auch in den kommenden Monaten kein Weg an ihr vorbeiführen würde. Erwartungsgemäß gewann sie einige Monate später in Braunschweig auch den Freiluft-Titel.
Dass Corinna Schwab dabei in den vergangenen Monaten ein neues Leistungsniveau erreicht hat, zeigt ein Blick in die Statistik: Gleich fünf Mal gelang ihr in diesem Jahr eine Zeit von unter 52 Sekunden – so oft wie noch nie zuvor. Auf 51,51 Sekunden konnte sie ihre Bestzeit steigern. Doch trotz dieser starken Leistungen wollte es international für die junge Athletin, die in diesem Jahr noch in der U23 hätte starten dürfen, noch nicht ganz rund laufen.
Bei der Hallen-EM in Toruń (Polen) war bereits nach dem Vorlauf Endstation und auch bei den Olympischen Spielen schied sie vorzeitig aus. Bei den Heim-Europameisterschaften im kommenden Jahr in München sowie der EM in Eugene (USA) bietet sich für die 22-Jährige nun die nächste Möglichkeit, ihr Leistungspotenzial endlich auch auf internationaler Ebene abzurufen.
Hinter Corinna Schwab ist national bereits eine große Lücke entstanden. Die zweitschnellste Zeit des Jahres gelang einer Athletin, die sich auf die Hürden-Distanz spezialisiert hat: Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen) zeigte Ende Juni in 52,05 Sekunden, das mit ihr auch auf der Flachdistanz zu rechnen ist.
Langsam, aber kontinuierlich findet auch Ruth Sophia Spelmeyer-Preuß (VfL Oldenburg) zu alter Stärke zurück. Die dreifache Deutsche Meisterin konnte mit 52,15 Sekunden die beste Zeit seit ihrem verletzungsbedingten Ausfall im Jahr 2018 auf die Bahn zaubern und scheint bereit zu sein, um im kommenden Jahr die entstandene Lücke zu Corinna Schwab weiter zu verkleinern.
Ihren Abschied vom Leistungssport verkündete dagegen die Deutsche Meisterin des Jahres 2018 Nadine Gonska. Die Athletin der MTG Mannheim möchte sich künftig auf ihren Beruf als Grundschullehrerin konzentrieren. Bei ihrer letzten DM konnte sie sich im Juni in Braunschweig noch einmal die Silbermedaille sichern. Bei den Olympischen Spielen war sie Teil der Mixed-Staffel, die im Finale nach einem Sturz unglücklich ausschied, sich zuvor jedoch im Vorlauf mit neuem nationalen Rekord stark präsentiert hatte.
Die deutsche 4x400-Meter-Staffel konnte zwar ihr Potential in diesem Jahr andeuten, Zählbares kam dabei jedoch nicht heraus. Bei den Olympischen Spielen verpasste das deutsche Team den Finaleinzug. Bei der Hallen-EM und den World Relays belegten die deutschen Frauen den sechsten Rang.
Doch der Blick in den Nachwuchs-Bereich ist vielversprechend. Bei der U20-EM in Tallinn (Estland) konnte die Staffel in der Besetzung Lara Noelle-Steinbrecher (SC Magdeburg), Anna Malia Hense (LG Olympia Dortmund), Lena Leege (LAC Berlin) und Maja Schorr (SV Go! Saar 05) die Goldmedaille gewinnen. Besonders bemerkenswert dabei: Drei der Athletinnen gehörten noch der U18-Klasse an. Lara-Noelle Steinbrecher, die einzige U20-Athletin im Bunde, konnte auch im Einzelwettbewerb mit Platz fünf überzeugen.
Ebenfalls den fünften Rang, allerdings eine Altersklasse höher, erlief sich Mona Mayer (LG Telis Finanz Regenburg) bei der U23-EM. Die erst 20-Jährige steigerte sich auf 52,25 Sekunden und könnte bei einer ähnlichen Leistungsentwicklung im kommenden Jahr erstmals die begehrte 52-Sekunden-Marke brechen. Mit der Staffel schrammte sie bei der U23-EM zudem mit Platz vier nur knapp am Podium vorbei.
Internationale Erfolge
Medaille | Finalplatzierung | |
---|---|---|
Hallen-EM | – | 6. Platz 4x400 m (Schwab, Müller, Cataria-Byll, Spelmeyer-Preuß) |
World Relays | – | 6. Platz 4x400 m (Gonska, Schwab, Pahlitzsch, Spelmeyer-Preuß) |
U20-EM | Gold 4x400 m (Leege, Steinbrecher, Hense, Schorr) | 5. Platz Lara-Noelle Steinbrecher (SC Magdeburg) |
U23-EM | – | 4. Platz 4x400 m (Cataria-Byll, Hartmann, Thiel, Mayer) 5. Platz Mona Mayer (LG Telis Finanz Regensburg) |
Olympische Spiele | – | Finale 4x400 m Mixed (Schlegel, Schwab, Gonska, Sanders), disqualifiziert |
Unser "Ass des Jahres"
Corinna Schwab (LAC Erdgas Chemnitz)
Deutsche Hallenmeisterin
Deutsche Freiluft-Meisterin
Unser "Talent des Jahres"
Lara Noelle-Steinbrecher (SC Magdeburg)
Gold mit der 4x400-Meter-Staffel bei der U20-EM
5. Platz bei der U20-EM im Einzelwettbewerb
Platzierung in den Top Ten der deutschen Jahresbestenliste
Die deutschen Top Ten 2021
400 Meter
Zeit | Name | Jahrgang | Verein |
---|---|---|---|
51,51 | Corinna Schwab | 1999 | LAC Erdgas Chemnitz |
52,05 | Carolina Krafzik | 1995 | VfL Sindelfingen |
52,15 | Ruth Sophia Spelmeyer-Preuß | 1990 | VfL Oldenburg |
52,19 | Nadine Gonska | 1990 | MTG Mannheim |
52,20 | Laura Müller | 1995 | SV GO! Saar 05 |
52,25 | Mona Mayer | 2001 | LG Telis Finanz Regensburg |
52,61 | Karolina Pahlitzsch | 1994 | LG Nord Berlin |
52,72 | Alica Schmidt | 1998 | SCC Berlin |
52,95 | Hannah Mergenthaler | 1997 | MTG Mannheim |
53,08 | Lara-Noelle Steinbrecher | 2003 | SC Magdeburg |
Statistik – Das sagen die Zahlen
Das deutsche Top-Niveau 400 Meter
Jahr | =/< 51,70 sec* | Schnitt Top 3 | Schnitt Top 5 | Schnitt Top 10 |
---|---|---|---|---|
2005 | – | 52,56 | 52,88 | 53,47 |
2006 | – | 52,02 | 52,43 | 53,02 |
2007 | – | 52,81 | 53,09 | 53,49 |
2008 | – | 52,09 | 52,38 | 53,00 |
2009 | 1 | 52,13 | 52,59 | 53,13 |
2010 | 1 | 52,00 | 52,25 | 52,80 |
2011 | – | 52,07 | 52,43 | 53,18 |
2012 | – | 52,34 | 52,70 | 53,24 |
2013 | 1 | 52,34 | 52,81 | 53,31 |
2014 | – | 52,45 | 52,65 | 53,01 |
2015 | – | 52,40 | 52,64 | 53,13 |
2016 | 1 | 51,89 | 52,39 | 52,98 |
2017 | – | 52,09 | 52,37 | 52,78 |
2018 | – | 52,35 | 52,60 | 53,00 |
2019 | – | 52,46 | 52,58 | 52,84 |
2020 | – | 51,92 | 52,07 | 52,47 |
2021 | 1 | 51,90 | 52,02 | 52,37 |
Entwicklung Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
---|---|---|---|---|---|
2005 | 52,07 (C. Marx) | 49,80 (Pospelova/RUS) | 2,27 | 48,92 (Richards/USA) | 3,15 |
2006 | 51,79 (C. Hoffmann) | 49,49 (Zayzseva/RUS) | 2,30 | 48,70 (Richards/USA) | 3,09 |
2007 | 51,98 (C. Hoffmann) | 49,61 (Ohuruogu/GBR) | 2,37 | 49,27 (Richards/USA) | 2,71 |
2008 | 51,90 (J. Tilgner) | 49,62 (Ohuruogu/GBR) | 2,28 | 49,62 (Ohuruogu/GBR) | 2,28 |
2009 | 51,53 (S. Nwachukwu) | 49,29 (Krivoshapka/RUS) | 2,24 | 48,83 (Richards/USA) | 2,70 |
2010 | 51,65 (C. Hoffmann) | 49,89 (Foriva/RUS) | 1,76 | 49,64 (Dunn/USA) | 1,95 |
2011 | 51,97 (J. Lindenberg) | 49,35 (Kapachinskaya/RUS) | 2,62 | 49,35 (Kapachinskaya/RUS) | 2,62 |
2012 | 51,76 (E. Cremer) | 49,16 (Krivoshapka/RUS) | 2,60 | 49,16 (Krivoshapka/RUS) | 2,60 |
2013 | 51,62 (E. Cremer) | 49,41 (Ohuruogu/GBR) | 2,21 | 49,33 (Montsho/BOT) | 2,29 |
2014 | 51,87 (E. Cremer) | 50,55 (Grenot/ITA) | 1,32 | 49,48 (McCorory/USA) | 2,39 |
2015 | 52,04 (R. Spelmeyer) | 50,16 (Ohuruogu/GBR) | 1,88 | 49,26 (Felix/USA) | 2,78 |
2016 | 51,43 (R. Spelmeyer) | 50,43 (Grenot/ITA) | 1,00 | 49,44 (Miller/BAH) | 1,99 |
2017 | 51,72 (R. Spelmeyer) | 50,89 (Zemlyak/UKR) | 0,83 | 49,46 (Miller-Uibo/BAH) | 2,26 |
2018 | 52,00 (N. Gonska) | 50,41 (Swiety-Ersetic/POL) | 1,59 | 48,97 (Miller-Uibo/BAH) | 3,03 |
2019 | 52,37 (L. Bulmahn) | 50,83 (Nielsen/GBR) | 1,54 | 48,14 (Eid Naser/BHR) | 4,23 |
2020 | 51,73 (C. Schwab) | 50,98 (Klaver/NED) | 0,75 | 50,50 (Irby/USA) | 1,23 |
2021 | 51,51 (C. Schwab) | 49,97 (Williams/GBR) | 1,54 | 48,36 (Miller-Uibo/BAH) | 3,15 |
Das fällt auf:
- Das Durchschnittsniveau der Top Fünf und Top Zehn war in diesem Jahr so gut wie noch nie zuvor seit Aufzeichnung der Werte auf leichtathletik.de. Die Durchschnittszeit der Top Drei war lediglich im Jahr 2016 besser.
- Corinna Schwab lief in diesem Jahr die schnellste deutsche Zeit seit dem Jahr 2016. Damals benötigte Ruth Sophia Spelmeyer-Preuß für die 400 Meter 51,43 Sekunden.
- Im Nachwuchs-Bereich hat der DLV mit Lara-Noelle Steinbrecher, Maja Schorr, Lena Leege, Anna Malia Hense und Mona Mayer einige hoffnungsvolle Talente in seinen Reihen.
- Maja Schorr, Lena Leege und Anna Malia Hense waren in diesem Jahr noch für die U18 startberechtigt, durften sich aber bereits bei der U20-EM über Staffel-Gold freuen.
- Shaunae Miller-Uibo (Bahams) lief in diesem Jahr in 48,36 Sekunden zur sechstschnellsten Zeit der Geschichte.
- Es war auch Shaunae Miller-Uibo, die sich in Tokio zur Olympiasiegerin krönte. Damit ging der Olympiasieg, wie bereits bei den Männern durch Steven Gardiner, an die Bahamas.
- Jodie Williams (Großbritannien) lieferte in 49,97 Sekunden die schnellste Zeit einer Europäerin seit dem Jahr 2013.
- Sie ist erst 18 Jahre, zählt jedoch jetzt schon zu den Etablierten: Christine Mboma (Namibia) blieb 2021 unter dem bisherigen U20-Weltrekord, den World Athletics aufgrund einer Regelung zu erhöhten Testosteron-Werten jedoch nicht anerkennt. Mit 49,22 Sekunden führt sie dennoch unangefochten die Weltjahresbestenliste der U20 an. In Tokio gewann sie Silber über 200 Meter.
leichtathletik.TV-Clips zum Langsprint
Zu den weiteren Disziplin-Checks:
* als Referenzwert dienen die WM-Normen des Jahres 2017