Mit 7,98 Metern hat sich Oliver Koletzko (Wiesbadener LV) am Wochenende zum Weitsprung-Europameister der U20 gekrönt. Im einem wahren Krimi setzte er sich mit seinem letzten Sprung an die Spitze und kratzte damit erstmals an der 8-Meter-Marke. Vom Deutschen U20-Rekord ist er nur noch acht Zentimeter entfernt. Im Interview spricht der 17-Jährige über das Gefühl als neuer Europameister, den engen Zusammenhalt mit seinen Nationalmannschafts-Kollegen sowie über seine große Motivation.
Oliver Koletzko, wie waren die ersten Tage als frischgebackener Europameister?
Oliver Koletzko:
Der Abend nach dem Wettkampf und auch die Zeit danach waren für mich persönlich sehr emotional. Ich habe nach dem Sieg direkt angefangen zu weinen vor Freude und auch das erste Mal, als ich im Hotel einen kurzen Moment für mich alleine hatte, war äußerst emotional. Am Morgen nach dem Wettkampf bin ich aufgewacht und hatte noch nicht das Gefühl, dass ich jetzt Europameister bin. Es war ein ganz normaler Morgen, ich bin zum Frühstück gegangen, wie auch die Tage zuvor. Aber umso mehr die Menschen einen darauf angesprochen haben und umso öfter man es in den Medien gesehen hat, umso klarer wurde es mir.
Die Siegehrung war dann einen Tag später. Kamen dort die Emotionen wieder hoch?
Oliver Koletzko:
Es war für mich ja das erste Mal überhaupt, dass ich an internationalen Meisterschaften teilgenommen habe. Und dann auf dem Podest zu stehen, die eigene Nationalhymne zu hören und alle Menschen stehen auf, das war ein Gänsehaut-Moment.
7,98 Meter! Das war dein Gold-Sprung. Wie hast du ihn erlebt?
Oliver Koletzko:
Ich bin rausgekommen aus der Grube und wusste, dass der Sprung gut war. Aber nicht, dass er so gut war. Ich war mir in dem Moment nicht mal sicher, ob er überhaupt gültig war. Das Brett habe ich ja haarscharf getroffen. Als dann die weiße Fahne nach oben ging, haben wir natürlich gejubelt. Bis die Weiten angezeigt wurden, hat es aber immer relativ lange gedauert. Das war nicht einfach, alle warten und fiebern mit. Als die Weite dann angezeigt wurde, habe ich es erstmal gar nicht realisiert, ich habe nur den Jubel um mich herum gehört. Kevin Brucha kam dann zu mir her und hat mich umarmt. Das war für mich alles ein bisschen verschwommen und unreal. Als ich dann ein zweites Mal draufgeschaut habe und die 7,98 Meter gesehen habe, habe ich mich mega gefreut. Aber ich wusste, dass ich noch abwarten muss, bis die zwei Franzosen gesprungen sind. Ich wusste, dass da noch was passieren kann.
Doch keiner konnte dich mehr vom ersten Platz verdrängen…
Oliver Koletzko:
Beim Sprung von Bryan Murcret dachte ich kurz, dass er weiter gewesen sein könnte. Der sah verdammt gut aus. Als er dann eine 93 gesprungen ist, ging es mit den Emotionen bei mir richtig los. Da kam dann alles auf einmal raus.
Im Weitsprung-Wettbewerb waren mit Kevin Brucha und Roman Zöllner zwei weitere deutsche Athleten dabei. Man konnte euch Drei immer wieder beobachten, wie ihr euch gegenseitig angefeuert und gepusht habt. Wie hast du diesen Zusammenhalt wahrgenommen?
Oliver Koletzko:
Es war ein Miteinander, kein Gegeneinander. Jeder hat es dem anderen gegönnt, wir haben uns gegenseitig – im Wettkampf, aber auch im Hotel – unterstützt, haben miteinander geredet und was miteinander gemacht, sodass keiner vor Langeweile im Zimmer rumsitzen musste. Uns war das wichtig, weil wir wussten, dass es zusammen einfacher ist als alleine. Also haben wir auch den ganzen Wettkampf miteinander gestaltet. Wir haben währenddessen geredet, uns gegenseitig aufgehypt und angeklatscht, sobald wir gesprungen sind. Unter uns war eine wirklich sehr, sehr gute Stimmung. Und letztlich ist es auch schön für einen selbst, wenn man im Wettkampf sieht, dass die Team-Kollegen einen unterstützen.
Woher ziehst du deine Motivation als Sportler? Hast du Vorbilder aus dem Sport?
Oliver Koletzko:
Für jeden Weitspringer ist es quasi Standard, dass man zu Mike Powell oder Carl Lewis aufschaut. Das sind natürlich zwei Weitsprung-Legenden, allein schon von der Technik her. Meine Motivation ganz allgemein ist es, das Mindset zu haben, meinen Körper so weit zu bringen wie möglich. Ich weiß, dass mein Körper irgendwann ´Stopp´ sagen wird. Aber es ist der Anreiz, herauszufinden, wann er das sagt und wie er mit Drucksituationen umgeht. Ich habe in Tallinn ehrlich gesagt sehr viel Druck verspürt. Ich bin als Weltjahresbester angereist und das bei meinen ersten internationalen Meisterschaften. Ich konnte zeigen, was möglich ist und mein volles Potenzial ausleben. Das treibt mich an: In der Lage zu sein, bei großen Wettkämpfen zu performen.
Gibt es ein bestimmtes Ritual, das du vor Wettkämpfen immer machst?
Oliver Koletzko:
Nach dem Aufstehen dusche ich erstmal kalt, um den Kreislauf anzuregen. Dann kommt es auch sehr darauf an, wie spät der Wettkampf stattfindet. Bei der EM war es relativ schwierig, weil wir sehr spät gesprungen sind. Man muss dann schauen, dass man nicht zu früh zu stark motiviert ist und zu viel aufdreht, weil irgendwann der Motivationspegel wieder sinkt. Wenn das kurz vor dem Wettkampf geschieht, ist es das Ungünstigste was passieren kann. Ich bin am Anfang eines Wettkampf-Tages immer recht entspannt, versuche den Kopf frei zu bekommen und nicht ausschließlich an den Wettkampf zu denken. Ich frühstücke, mache ein bisschen was auf dem Handy, lese, zeichne und fülle damit den Tag aus. Ich brauche vor dem Wettkampf auch immer soziale Kontakte, um mich ein bisschen abzulenken. Ich bin in jedem Fall kein Typ, der vorher auf Startlisten schaut. Ich finde es einfacher, in den Wettkampf zu gehen und dort die Konkurrenten zu sehen.
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