Kaum sind die U23-Europameisterschaften in Tallinn zu Ende, geht es am Donnerstag in der estnischen Hauptstadt mit den nächsten internationalen Nachwuchs-Meisterschaften weiter. Diesmal auf dem Programm: Die U20-Europameisterschaften. Bundestrainerin Elke Bartschat sieht die deutsche Nationalmannschaft gut gerüstet.
U20-EM Tallinn kompakt
Sechs Mal Gold, vier Mal Silber, einmal Bronze. Die deutschen U23-Athleten haben am vergangenen Wochenende die estnische Hauptstadt Tallinn genutzt, um auf sich aufmerksam zu machen. An diese starken Leistungen möchten nun an gleicher Stelle auch die deutschen U20-Starter nahtlos anknüpfen. Von Donnerstag bis Sonntag (15. bis 18. Juli) finden dort die U20-Europameisterschaften statt.
„Wenn man sich die Saison-Entwicklung und die Leistungen von der Junioren-Gala in Mannheim anschaut, bin ich davon überzeugt, dass wir ein gutes Ergebnis erzielen werden“, gibt sich DLV-Chef-Bundestrainerin Nachwuchs Elke Bartschat optimistisch. Während sie zu Beginn der Woche mit dem Team nach Tallinn reist, ist Dietmar Chounard, DLV-Bundestrainer U23, U20 & Duale Karriere, schon seit der U23-EM vor Ort im Dauereinsatz, um für die Nationalmannschaften die beste organisatorische Unterstützung und in Zeiten von Corona auch die größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten.
Die Liste der deutschen Athletinnen und Athleten, die in Tallinn an den Start gehen werden, ist lang. Insgesamt 90 Starter hat der DLV nominiert. Angeführt wird das Feld vom Deutschen U18-Meister 2020 im Kugelstoßen und Diskuswurf Steven Richter (LV 90 Erzgebirge). Der 18-Jährige plant auch bei der U20-EM einen Doppelstart und hat in beiden Wettbewerben gute Erfolgsaussichten. In der Weltjahresbestenliste liegt er im Kugelstoßen mit seinen 20,34 Metern aus Mannheim unangefochten auf Platz eins, im Diskuswurf rangiert er auf Platz vier (64,25 m).
Kugelstoßen und Diskuswurf äußerst stark besetzt
„Es könnte viel davon abhängen, wie er in den ersten Wettbewerb reinkommt. Ein Erfolg im Kugelstoßen kann sich positiv auf den Diskuswurf auswirken, das kann beflügeln. Umgekehrt kann es aber auch Druck aufbauen. In Mannheim hat er gezeigt, dass er innerhalb weniger Stunden zu starken Leistungen in beiden Wettbewerben in der Lage ist. Daher bin ich sehr optimistisch“, ordnet Elke Bartschat die Doppelbelastung des Athleten ein.
Doch nicht nur mit Steven Richter ist der DLV in beiden Disziplinen äußerst stark besetzt. Im Diskuswurf ist Mika Sosna (TSG Bergedorf; 65,81 m) in der Weltbestenliste sogar noch einen Rang besser positioniert und somit heißester deutscher Medaillenkandidat. Mit Magnus Zimmermann (SV Halle; 63,29 m) gibt es einen dritten deutschen Athleten im Bunde, dem eine Podestplatzierung ebenfalls ohne Weiteres zuzutrauen ist. Einen Durchmarsch der deutschen Riege wird jedoch vor allem Mykolas Alekna (Litauen; 69,77 m) verhindern wollen, der derzeit an der Spitze der Weltbestenliste trohnt.
Im Kugelstoß-Wettbewerb ist neben Steven Richter mit Joel Akue (LG Stadtwerke München) die derzeitige Nummer drei der Welt und somit ein weiterer deutscher Medaillenkandidat vertreten. Auch Claudio Stoessel (SC Neubrandenburg) könnte in der Nähe seiner Bestleistung (19,34 m) um die vorderen Plätze mitstoßen.
Oliver Koletzko und Merlin Hummel als große Hoffnungen
Im Weitsprung ruhen die deutschen Hoffnungen auf dem DM-Dritten Oliver Koletzko (Wiesbadener LV). Auch er liegt in der Weltjahresbestenliste mit seinen 7,90 Metern in Führung an und sprang damit in diesem Jahr zwölf Zentimeter weiter als der zweitbeste Europäer, der Franzose Bryan Mucret. Mucret und sein Landsmann Sacha Quequin werden aller Voraussicht nach die größten Herausforderungen für den jungen Athleten auf dem Weg zum Titel sein. „Oliver hat schon in Braunschweig bei den Aktiven gezeigt, dass er mit der Situation und dem Druck einer Meisterschaft umgehen kann. Bei ihm wird viel davon abhängen, wie er in den Wettkampf reinfindet. Spätestens nach seinen 7,88 Metern in Mannheim traue ich ihm zu, dass er vorne reinspringt“, sagt Elke Bartschat.
Ein weiterer deutscher Athlet ganz oben an der Weltspitze ist Merlin Hummel. Der Hammerwerfer vom UAC Kulmbach hat Ende Juni mit 81,21 Metern den deutschen U20-Rekord geknackt, ist überhaupt der erste deutsche Athlet unter 20, der die 80-Meter-Marke gebrochen hat und kann somit voller Selbstvertrauen zur EM reisen. „Er hat sich in dieser Saison sehr stabil gezeigt, sodass wir mit einer vorderen Platzierung rechnen können“, so Elke Bartschat.
Voller Selbstvertrauen kann auch Yassin Mohumed (LG Olympia Dortmund) über 3.000 Meter ins Rennen gehen. Europaweit auf Platz fünf liegend ist das Podium für ihn in Reichweite. Nach dem U20-EM-Sieg von Teamkollege Elias Schreml 2019 in Boras (Schweden) wäre es die zweite Medaille in Folge für das deutsche Team in dieser Disziplin. Gleichzeitig würde Yassin Mohumed seiner Familie das zweite Edelmetall innerhalb weniger Tage bescheren. Erst am vergangenen Wochenende krönte sich sein Bruder Mohamed bei der U23-EM zum Europameister über 5.000 Meter.
Johanna Göring mit Debüt im DLV-Trikot
Im Mai sorgte Hochsprung-Talent Johanna Göring (SV Salamander Kornwestheim) für Aufsehen: Mit 1,92 Meter hatte die erst 16-jährige Athletin ihre Bestleistung von 1,72 Meter mit einem Schlag auf 1,92 Meter gesteigert. Sie wird nun in Tallinn ihr internationales Debüt im Deutschland-Trikot geben. „Sie hat sich in diesem Jahr super entwickelt und ist stabil Höhen deutlich über 1,80 Meter gesprungen. Gelingt ihr das in Tallinn bei ihrem ersten internationalen Einsatz, kann sie sich weit vorne platzieren. "Für alle Athleten und Athletinnen, die in dieser Woche an den Start gehen, die meisten tragen hier oft zum ersten Mal das Nationaltrikot, gilt es zu lernen. Es wird nicht jedem, obwohl er top vorbereitet ist, gelingen, in dieser Situation seine Leistung abzurufen. Ich denke, wir müssen der Jugend hier auch eine Chance geben, damit sie in diese neue Situation auf der internationalen Bühne langsam reinwachsen kann“, sagt Elke Bartschat.
Zahlreiche weitere DLV-Athletinnen könne sich gute Chancen auf ein erfolgreiches Abschneiden bei der U20-EM ausrechnen, darunter auch Lara-Noelle Steinbrecher (Sportclub Magdeburg). Die 18-Jährige braucht sich über 400 Meter nicht zu verstecken, mit 53,08 Sekunden liegt sie in diesem Jahr europaweit auf Platz drei.
Gleich drei Athletinnen unter den besten zehn Europas kann der DLV über die 3.000-Meter-Distanz vorweisen. Die Deutsche U20-Meisterin Anneke Vortmeier (ASC Duisburg), die Deutsche Meisterin über 5.000 Meter Johanna Pulte (SG Wenden) und Lisa Merkel (LG Region Karlsruhe) könnten für ein erfolgreiches Ergebnis sorgen.
Mikaelle Assani fordert Tessy Ebosele heraus
Ein ähnliches Bild ergibt sich über die Hindernis-Strecke sowie im Stabhochsprung. Mit Olivia Gürth (Diezer TSG Oranien), Carolin Hinrichs (VfL Löningen) und Ronja Funck (TV Jahn Walsrode) geht Deutschland mit einem Trio ins Hindernis-Rennen, welches im europäischen Vergleich auf den Plätzen zwei, fünf und sechs liegt. Sie könnten an die Erfolge der U20-EM von vor zwei Jahren anknüpfen, als Paula Schneiders (LAZ Mönchengladbach) und Josina Papenfuß Gold und Bronze gewannen.
Im Stabhochsprung rangieren Chiara Sistermann (TSV Gräfelfing) und Laura Giese (TSV Bayer 04 Leverkusen) gar auf den Plätzen zwei und drei. Im Kugelstoßen hat 16-Meter-Stoßerin Jaqueline Gippner (SC Potsdam) beste Karten, um um die vorderen Plätze mitzumischen.
Im Weitsprung reist die Zweite der Weltbestenliste Mikaelle Assani (LG Region Karlsruhe) mit dem DLV-Team nach Estland. Mit 6,60 Metern liegt sie gerade einmal einen Zentimeter hinter der Spanierin Tessy Ebosele, sodass sich hier ein spannendes Duell anbahnt.
Debüt auch für Chef-Bundestrainerin Nachwuchs Elke Bartschat
Im Mehrkampf ist Deutschland traditionell stark besetzt. Dies trifft in diesem Jahr vor allem auf die Siebenkämpferinnen zu. Marie Dehning (LG Celle-Land), die Inhaberin der deutschen U18-Bestleistung Serina Riedel (TSV Zeulenroda) und Lara Siemer (Rukeli Trollmann) liegen auf den Plätzen drei, fünf und sieben der Welt und könnten für deutsche Erfolge in der Königsdisziplin sorgen.
Während es für viele der deutschen Athletinnen und Athleten der erste Einsatz bei internationalen Meisterschaften sein wird, wird es in Tallinn auch im Trainerstab der Nationalmannschaft ein Debüt geben. Elke Bartschat wird dort erstmalig als DLV-Chef-Bundestrainerin Nachwuchs bei einem Großereignis aktiv sein.
Zuvor war sie als Nachwuchs-Bundestrainerin Weitsprung im Einsatz. „Ich bin wahrscheinlich genauso aufgeregt wie die Athletinnen und Athleten auch – obwohl ich ein alter Hase bin, was internationale Nachwuchs-Meisterschaften angeht. Aber es ist etwas Anderes, ob man als Trainerin an der Grube steht oder ob man eine ganze Mannschaft im Blick haben muss. Ich freue mich in jedem Fall riesig auf die EM in Tallinn.“
U20-EM Tallinn kompakt