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DM Tag 1: Freudentränen, Olympianormen und ein packender Dreikampf im Dreisprung

Sprinterin Alexandra Burghardt war eine von vielen großen Überraschungen am ersten Tag der 121. Deutschen Meisterschaften in Braunschweiger Eintracht-Stadion. Über 100 Meter holte sich die 27-Jährige den Titel und erfüllte sich in 11,14 Sekunden den Traum von den Olympischen Spielen. Im Stabhochsprung der Männer glänzte Oleg Zernikel mit 5,80 Metern und dem Olympia-Ticket. Im Dreisprung begeisterten gleich drei Springerinnen mit starken Leistungen.
Alexandra Dersch

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Im Ziel konnte sie vor Freude schier nur noch taumeln. Alexandra Burghardt (LG Gendorf Wacker Burghausen) sorgte im Finale über 100 Meter für einen der wohl emotionalsten Momente des ersten Tages der Deutschen Meisterschaften in Braunschweig. Die 27-Jährige erwischte einen phänomenalen Start und schaffte es, die hohe Frequenz bis ins Ziel zu halten. Und das, obwohl sie im Augenwinkel Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar) heranfliegen sah. 11,14 Sekunden ihre Siegerzeit – Gold! Und das direkte Olympia-Ticket. „Ich bin endlich über mich hinausgewachsen und habe gezeigt, was in mir steckt“, sagte die Sprinterin tränenüberströmt. Über Silber freute sich Lisa Mayer in starken 11,16 Sekunden vor ihrer Vereinskollegin Rebekka Haase (11,32 sec).

Den Sieg über 100 Meter der Männer erkämpfte sich erneut ein Athlet der Kategorie der jungen Wilden. Marvin Schulte (SC DHfK Leipzig), schon als aktuell Jahresbester angereist, steigerte sich im entscheidenden Moment erneut und warf sich mit entschlossenem Blick und in 10,19 Sekunden als Erster ins Ziel. Hauchdünn vor dem Hamburger Lucas Ansah-Peprah, der in 10,20 Sekunden eine neue Bestzeit aufstellte. Bronze teilen sich der Wolfsburger Niels Torben Giese (10,30 sec) und Joshua Hartmann (ASV Köln, 10,30 sec). Beide liefen auf die Tausendstel identische 10,300 Sekunden.

Auch die Stabhochspringer erfüllten alle Erwartungen. Im Vormittagsprogramm wussten sie ihre Bühne vor 2.000 Zuschauern geschickt zu nutzen. An der Spitze waren es Titelverteidiger Bo Kanda Lita Baehre (TSV Bayer 04 Leverkusen) und der Hallen-EM-Vierte Oleg Zernikel (ASV Landau), die sich zu starken Leistungen pushten. 5,70 Meter legte der U23-Europameister aus Leverkusen im ersten Versuch vor. Oleg Zernikel leistet sich hier einen Fehlversuch, pokerte und sparte sich seine verbleibenden Versuche für die nächste Höhe auf – mit Erfolg. In seinem letzten Versuch schwang er sich über 5,80 Meter. Bestleistung. Sein erster DM-Titel und ein erfüllter Traum. Denn: Die Deutschen Meister mit erfüllter Norm können fest mit den Olympischen Spielen in Tokio (Japan) planen.

Kristin Gierisch mit bestätigter Olympia-Norm

Bronze holte sich der ehemalige Weltmeister Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken), der sich im dritten Versuch über seine Einstiegshöhe von 5,50 Meter zitterte. Bis zum 29. Juni kann er die Bestätigungsnorm für seine vierten Olympischen Spiele (5,70 m) noch nachreichen. Der Deutsche Hallenmeister Torben Blech (TSV Bayer 04 Leverkusen) musste sich bereits nach 5,30 Metern (Platz sechs) verabschieden. Der 26-Jährige, der in der Hallensaison so viele schöne Wettkämpfe gezeigt hatte, kämpft noch mit den Nachwehen einer überstandenen Covid-Infektion.

Einen packenden Dreikampf bekamen die 2.000 Zuschauer im Eintracht-Stadion im Dreisprung-Finale der Frauen zu sehen. An der Spitze baute Neele Eckhardt-Noack (LG Göttingen) ihre Medaillensammlung weiter aus. Die Dritte der Hallen-EM präsentierte sich im Eintracht-Stadion in bestechender Form. 14,26 Meter zauberte sie in die Grube – unschlagbar für die Konkurrenz. Doch diese kommt immer besser in Schwung. Allen voran die deutsche Rekordhalterin Kristin Gierisch (TSV Bayer 04 Leverkusen). Mit 14,11 Metern bestätigte sie nicht nur satt die Olympianorm, sondern wehrte auch den Angriff ihrer ehemaligen Trainingskollegin Maria Purtsa (LAC Erdgas Chemnitz) ab. Die Titelverteidigerin sprang erstmals in ihrer Karriere über die 14-Meter-Marke und freute sich überschwänglich über ihre neue Bestleistung von 14,11 Metern. Den Unterschied zwischen Silber und Bronze machten die zweitweitesten Sprünge, in denen Kristin Gierisch mit 13,98 Metern ein Stück weiter sprang als Maria Purtsa (13,85 m).

Mohamed Mohumed mit imposanter Vorstellung

Der Favorit ließ nichts anbrennen: Max Heß setzte sich auch in Braunschweig die Dreisprung-Krone auf. 16,51 Meter bescherten dem Europameister von 2016 seinen insgesamt fünften Freiluft-Titel. „Ich wäre gerne weiter gesprungen, aber heute hat es nicht sein sollen.“ Mit einem Strahlen im Gesicht verließ der Leverkusener Christoph Garritsen das Stadion. Der Athlet von Trainer Charles Friedek, der in der Vergangenheit so viel mit Verletzungen zu kämpfen hatte, steigerte seine Saisonbestleistung auf 15,78 Meter und bestätigte damit seinen Aufwärtstrend. Es war die beste Leistung des 24-Jährigen seit 2016. Bronze erkämpfte sich der Mannheimer Felix Mairhofer mit Saisonbestleistung von 15,47 Metern.

Die 5.000 Meter waren eine Demonstration der Stärke von Mohamed Mohumed (LG Olympia Dortmund). Der Titelverteidiger, der am Donnerstag noch in Huelva (Spanien) seine Bestleistung auf starke 13:21,21 Minuten gedrückt hatte, lieferte taktisch, läuferisch und auch mental ein weiteres Meisterstück ab. Nachdem sein Vereinskollege Steffen Baxheinrich das Feld auf Kurs gebracht hatte, übernahm der 22-Jährige die Spitze. Sein ärgster Konkurrent: der Deutsch-Amerikaner Sam Parsons. Der WM-Teilnehmer im Trikot der Eintracht Frankfurt kämpfte, lauerte im Nacken des Dortmunders. Doch dann verschärfte Mohamed Mohumed weiter, fuhr seinen eleganten, raumgreifenden Schritt, der nicht nur so schön anzusehen, sondern auch unfassbar schnell ist. Sam Parsons musste abreißen lassen, kämpfte und stieg dann entkräftet 500 Meter vor dem Ziel aus. Davon bekam der alte und neue Deutsche Meister nichts mit und lief mit ausgebreiteten Armen in 13:30,78 Minuten ins Ziel. 13:30,78 Minuten – das ist die schnellste Siegerzeit bei Deutschen Meisterschaften seit 1998 und Dieter Baumann. Entsprechend stark, erst recht für ein DM-Finale, waren die weiteren Zeiten. Maximilian Thorwirth (SFD 75 Düsseldorf-Süd) lief in 13:48,22 Minuten zu Silber vor dem Regensburger Marathon-Ass Simon Boch (13:53,53 min).

Im vergangenen Jahr musste sie entkräftet aufgeben, in diesem Jahr ist sie zurück in altbekannter Stärke: Gesa Felicitas Krause (Silvesterlauf Trier) lief in einem kontrollierten 3.000-Meter-Hindernis-Finale zu ihrem sechsten Deutschen Meistertitel über ihre Paradestrecke. Anfangs kümmerte sich noch Lea Meyer (VfL Löningen), die 23 Jahre alte Nachwuchshoffnung, die in diesem Jahr schon vier Bestleistungen aufgestellt hat, um das Tempo. Doch vier Runden vor dem Ziel übernahm dann die zweimalige Europameisterin. Leicht. Locker. Gleichmäßig. 9:31,36 Minuten – mit sattem Vorsprung vor der Konkurrenz holte sie sich die Goldmedaille. „Ich habe mich heute sehr gut gefühlt“, sagte Gesa Krause im Ziel, bedauerte aber, dass Titelverteidigerin Elena Burkard (LG farbtex Nordschwarzwald) ihren Start kurzfristig aufgrund von Achillessehnenproblemen absagen musste. „Ich hätte mich gerne mit ihr gemessen, sie hat sich so toll entwickelt.“ Silber holte sich wie im Vorjahr Lea Meyer (9:41,02 min). Bronze geht nach Leverkusen an Olympia-Teilnehmerin Sanaa Schretzmair (10:01,62 min), die beweist, dass man auch mit 36 Jahren noch zur deutschen Spitze gehören kann.

Thomas Röhler geht kein Risiko ein

Christin Hussong – so heißt die alte und neue Deutsche Meisterin. 63,30 Meter reichten für einen klaren Sieg für die Weltklasse-Werferin vom LAZ Zweibrücken im Speerwurf. „Ich bin schleppend in den Wettkampf reingekommen“, sagte die Europameisterin zu ihrem insgesamt fünften Deutschen Meistertitel. „Aber ich weiß, wo die kleinen technischen Fehler heute lagen. In den nächsten Wettkämpfen fliegt der Speer dann auch wieder weiter.“ Silber holte sich die Leipzigerin Christine Winkler (54,83 m) vor ihrer Vereinskollegin Lea Wipper (51,06 m).

Im Speerwurf der Männer gab es das heißerwartete Comeback des Olympiasiegers. Doch schon bevor er den ersten Speer in den Braunschweiger Himmel feuerte, fasste sich Thomas Röhler (LC Jena) immer wieder an den Brustmuskel, versuchte ihn zu lockern. Einmal ließ er den Speer fliegen, doch unter Schmerzen kann auch ein Ausnahmeathlet wie der 29-Jährige schwer werfen. Nach einem ungültigen Versuch musste er das Comeback-Experiment abbrechen. „Ich habe das Ziehen schon im Einwerfen gemerkt und dann schnell entschieden, dass wir hier kein Risiko eingehen“, sagte Thomas Röhler. Sein letzter Wettkampf lag rund eineinhalb Jahre zurück. So war der Weg frei für einen neuen Deutschen Meister. Julian Weber (USC Mainz) setzte sich mit 80,33 Metern gegen den Potsdamer Bernhard Seifert (78,35 m) und Tom Meier (LC Jena; 75,63 m) durch.

Erik Balnuweit erstmals Gold unter freiem Himmel

Imke Onnen (Hannover 96) sprang im Hochsprung-Finale der Frauen am höchsten. Mit 1,87 Metern holte sich die WM-Neunte, die zuletzt mit Knieproblemen zu kämpfen hatte, ihren ersten Freiluft-Titel. Zu Silber sprang überraschend die Bronzemedaillengewinnerin aus der Halle, Lea Halmans (SV Go! Saar 05), die mit 1,84 Meter ihre Bestleistung einstellte. Der Bronzerang war gleich dreigeteilt – Jara Ellinger (TSG 1845 Heilbronn), die EM-Dritte Marie-Laurence Jungfleisch (VfB Stuttgart) und die Deutsche Hallenmeisterin Alexandra Plaza (LT DSHS Köln) sprangen allesamt über 1,80 Meter bei einer exakten Anzahl an Fehlversuchen.

Das Finale über 110 Meter Hürden begann mit einem Schockmoment für den großen Favoriten Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen). Der Jahresschnellste, der auch im Vorlauf mit der schnellsten Zeit geglänzt hatte, zuckte zu schnell aus den Blöcken. Fehlstart. Aus für den dreimaligen Deutschen Meister. Damit war der Weg frei für den Wattenscheider Erik Balnuweit, der mit entschlossenem Blick und schnell wie noch nie in dieser Saison in 13,61 Sekunden ins Ziel flog. „Das war ein schönes Jahr im Spätherbst meiner Karriere“, sagte der 32-Jährige, der kürzlich auch Gold in der Hürden-Mixed-Staffel bei der Staffel-WM und nun erstmals überhaupt in seiner Karriere den Freiluft-Titel holen konnte. Auf dem Silberrang bestätigte der Leipziger Martin Vogel seine derzeit gute Form in 13,70 Sekunden vor dem Frankfurter Georg Fleischhauer, der in 13,78 Sekunden Bestzeit lief.

Favoritensieg von Ricarda Lobe und Sara Gambetta

Bei den Frauen gab es indes eine erfolgreiche Titelverteidigung. Nach einem etwas verhaltenen Start fand die Mannheimerin Ricarda Lobe über die 100 Meter Hürden immer besser ins Rennen und zwang den Angriff der aufstrebenden Anne Weigold (LG Mittweida) nieder. In 13,18 Sekunden setzte sich die EM-Fünfte vor der Team-EM-Fünften (13,24 sec) und der Paderbornerin Monika Zapalska (13,34 sec) durch.

Im Kugelstoßen war es die Jahresbeste Sara Gambetta (SV Halle), die in Abwesenheit von Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge; Quarantäne aufgrund ihres Starts in Gateshead) ihrer Favoritenrolle gerecht wurde. 18,31 Meter aus dem ersten Durchgang reichten der Sechsten der Hallen-EM für ihren zweiten Deutschen Meistertitel nach 2017. Auf Platz zwei steigerte sich Katharina Maisch (LV 90 Erzgebirge) auf Bestleistung von 18,13 Metern. Die schönste Überraschung aber war die Leistung der jungen Mannheimerin Yemisi Ogunleye. Die 22-Jährige legte alle Energie in den letzten Versuch und schraubte ihre Bestleistung von 17,65 Meter auf 18,13 Meter – eine Bestmarke, die mit der Bronzemedaille veredelt wurde.

Tristan Schwandke verlängert Titel-Abo

Auch eine beschwerliche Anreise konnte Tristan Schwandke (TV Hindelang) im Hammerwurf nicht stoppen. Mit jedem seiner gültigen Würfe hätte der 29-Jährige in Braunschweig den Titel abgeräumt. Sein weitester Versuch landete bei 73,52 Metern, was gleichbedeutend mit der Verlängerung mit seines seit 2019 laufenden Titel-Abo war. „Ich bin guter Dinge, dass die Olympianorm in einem der nächsten Wettkämpfe fällt“, sagte Tristan Schwandke. 77,50 Meter sind hier gefordert. Silber holte sich in Saisonbestleistung Johannes Bichler (LG Stadtwerke München; 66,99 m) vor Konstantin Steinfurth (LG Eppstein-Kelkheim; 63,86 m).

Im Vorlauf über 400 Meter Hürden zeigte Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen) in 55,43 Sekunden ein mitreißendes Rennen und schob sich mit der schnellsten Zeit einer deutschen Läuferin über diese Strecke seit 2007 bis auf drei Hundertstelsekunden ran an die Olympianorm. Im Finale am Sonntag will die 26-Jährige einen erneuten Angriff wagen – der Titel sollte ihr kaum zu nehmen sein (wir berichteten).

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