In Doha feiert die 4x400-Meter-Mixed-Staffel ihre WM-Premiere. Erstmals treten Männer und Frauen bei einer Weltmeisterschaft in einem gemeinsamen Wettkampf gegeneinander an. Wir werfen einen Blick voraus auf die Herausforderungen des neuen Wettbewerbs und die Chancen der deutschen Auswahl in Katar.
Es begann als Experiment. Bei den U18-Weltmeisterschaften 2015 in Cali (Kolumbien) wurde erstmals eine gemischte 4x400-Meter-Staffel ins Programm genommen. Zwei Männer, zwei Frauen, je eine Stadionrunde. Reihenfolge frei wählbar. Von da an etablierte sich der Wettbewerb jährlich immer mehr. 2017 feierte die Mixed-Staffel ihre Premiere bei den IAAF World Relays auf den Bahamas. 2018 ersetzte sie beim Kontinentalvergleich Continental Cup die klassische 4x400-Meter-Staffel. 2019 qualifizierte sich die DLV-Auswahl bei den World Relays in Yokohama (Japan) für die WM-Teilnahme in Doha. Und nächstes Jahr in Tokio (Japan) soll die Disziplin olympisch werden.
Für Bundestrainer Edgar Eisenkolb liegt der große Reiz der Mixed-Staffel darin, dass die Teams die Reihenfolge ihrer Läufer frei wählen dürfen. „Eine Besonderheit ist, dass man bei unterschiedlichen Besetzungen erlebt, dass beispielsweise eine Frau gegen sieben Männer läuft oder ein Mann gegen sieben Frauen. Das ist psychisch sicher eine Herausforderung“, sagt der Bundestrainer der Langsprinter, der die DLV-Mixed-Staffel bei der WM in Doha (Katar; 27. September bis 6. Oktober) betreut.
Direktes Duell zwischen Männern und Frauen
Der Deutsche Meister über 400 Meter, Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund), sieht das ähnlich. „Es kann zu sehr spannenden Rennen kommen, weil Frauen im direkten Vergleich gegen Männer antreten. Ich bin in einem Wettkampf noch nie gegen eine Frau gelaufen, das könnte sich natürlich ungewohnt anfühlen“, sagt der Schlussläufer der 4x400 Meter-Staffel der Männer bei der Team-EM in Bydgoszsz (Polen).
Zu sehen war dieses bislang ungewöhnliche Duell der Geschlechter im dritten Vorlauf der diesjährigen World Relays im japanischen Yokohama. Die italienische Schlussläuferin schien für ihre Verfolger uneinholbar weit weg zu sein. Doch dann konnten die Zuschauer beobachten, wie der Vorsprung immer weiter schmolz, bis der US-amerikanische und der polnische Läufer die Athletin kurz vor dem Ziel schließlich doch noch überholten.
Die meisten Staffeln wählen jedoch mittlerweile die Reihenfolge Mann – Frau – Frau – Mann. Auch für das deutsche Team ist dies die erfolgversprechendste Variante. „Die Masse der erfolgreichen Staffeln läuft in dieser Besetzung“, sagt Edgar Eisenkolb. „Und auch wir werden mit dieser Konstellation in den Wettkampf gehen.“
Finalteilnahme als Zielsetzung
Bei den World Relays hatte sich das deutsche Team mit dem Einzug ins Finale für die WM qualifiziert. Auch für Doha haben sich Edgar Eisenkolb und seine Athleten eine Platzierung in den besten Acht vorgenommen. Leicht wird das sicher nicht. Für die sechs nominierten DLV-Athleten, die Deutschen Meister Manuel Sanders und Luna Bulmahn (VfL Eintracht Hannover) sowie Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz), Tobias Lange (TSV Bayer 04 Leverkusen), Karolina Pahlitzsch (SV Preußen Berlin) und Nelly Schmidt (LT DSHS Köln) ist es die erste WM-Teilnahme überhaupt. Und „natürlich werden unsere Gegner auch in Topform sein“, sagt der Bundestrainer.
Aber ob die anderen Teams in Bestbesetzung laufen, ist alles andere als sicher. Für viele Läufer der anderen Teams stehen im Anschluss an die Mixed-Staffel noch Einzelstarts und die klassischen 4x400-Meter-Staffeln an. Die deutschen Langsprinter können sich dagegen ganz auf ihren Einsatz in der Mixed-Staffel konzentrieren.
Im Trainingslager im türkischen Belek werden in den kommenden Tagen die Wechsel nochmals perfektioniert. Denn diese sind in der Mixed-Staffel eine besondere Herausforderung. „Die beiden Wechsel von einem Mann auf eine Frau und umgekehrt sind besonders schwierig zu meistern“, erklärt Edgar Eisenkolb. „Sowohl der Athlet als auch die Athletin haben in den Geschwindigkeitsbereichen des jeweils anderen wenig Erfahrung. Wenn die Athletin den Stab von einem Mann übernimmt, ist natürlich die Endgeschwindigkeit des Athleten wesentlich höher als bei einer Athletin. Das muss man richtig einschätzen können, was nicht ganz einfach ist. Und wenn ein Mann den Stab von einer Frau übernimmt, ist es für ihn ebenfalls sehr ungewohnt, dass sie so viel langsamer ist."
Teamgeist der besonderen Art
Für Luna Bulmahn ist die Mixed-Staffel dennoch ein ganz besonderer Wettbewerb. „Man lernt eine ganz andere Art des Wir-Gefühls und des Teamspirits kennen“, findet die 19-Jährige. „Es ist die einzige Disziplin, in der Mann und Frau zusammen ein und dasselbe Ziel verfolgen.“
Bundestrainer Eisenkolb ist überzeugt, dass die Mixed-Staffel ein Wettbewerb mit Zukunft ist. „Auch in anderen Sportarten, wie etwa im Biathlon oder Schwimmen, wurden gemischte Staffel-Wettkämpfe ins Leben gerufen und kamen beim Publikum sehr gut an“, sagt er. „Die Leichtathletik ist in Bewegung geraten, es gibt Veränderungen, neue Wettbewerbe kommen dazu. Ich bin fest davon überzeugt, dass die 4x400-Meter-Mixed-Staffel sich in unserem Sport auf lange Sicht etablieren wird.“
Am 28. September wird die Disziplin ihre WM-Premiere feiern. Vier deutsche Athleten werden dabei sein. Wie es ausgehen wird? Noch offen. Aber eines steht fest: An Spannung wird es nicht mangeln.
WM 2019 Doha