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Eddie Reddemann – Chance auf Titel genutzt

© Theo Kiefner
Bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig haben im zurückliegenden Sommer acht Athletinnen und Athleten ihren ersten nationalen Einzeltitel bei den Erwachsenen gewonnen. Für einige kam das überraschend, andere blicken trotzdem nicht nur zufrieden auf die Saison zurück. Wir stellen sie alle vor, heute Sprinter Eddie Reddemann (TSV Bayer 04 Leverkusen).
Jan-Henner Reitze

Eddie Reddemann
TSV Bayer 04 Leverkusen

Bestleistung: 

100 Meter: 10,37 sec (2024)
200 Meter: 21,15 sec (2023)

Erfolge:

Deutscher Meister 2024

Der Deutsche Meister über 200 Meter heißt Eddie Reddemann. Keiner, auch nicht der erst 20-Jährige selbst, hatte das von dem DM-Wochenende erwartet, zumal der Nachwuchssprinter lange davon ausging, in Braunschweig über 100 Meter an den Start zu gehen. Der Überraschungscoup begann damit, dass sich sein Trainer Jannik Engel die Meldelisten anschaute und seinen Athleten im Vorfeld der DM anrief. „Jannik hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, doch die 200 Meter zu laufen. Dort hat er die Chance gesehen, dass ich ins Finale komme“, erzählt der Überraschungssieger. „Ich habe zugestimmt und bin völlig ohne Druck an den Start gegangen.“

Auch über die kühlen und regnerischen Bedingungen sowie seine Außenbahn im Finale machte sich der Leverkusener keine Gedanken und lief in 21,30 Sekunden zum Titel. Für alle Athleten im Feld war es das erste Einzelfinale bei einer Freiluft-DM, sechs der sieben Finalisten waren erst zwischen 19 und 21 Jahre alt. Und das nur einen Tag nach dem schnellsten DM-Finale der Geschichte über 100 Meter, in dem Owen Ansah (Hamburger SV) bei strahlendem Sonnenschein als erster DLV-Athlet bei regulären Bedingungen die 10,00-Sekunden-Marke unterboten hatte, vor dem Dutschen 200-Meter-Rekordler Joshua Hartmann (ASV Köln; 10,06 sec) und Titelverteidiger Yannick Wolf (LG Stadtwerke München; 10,16 sec).

In diesen Sphären möchte Eddie Reddemann in Zukunft mitrennen, seinen Gold-Coup auf der längeren Sprintstrecke ordnet er entsprechend ein. „Ich sehe mich noch in der Ausbildung zum Sprinter. Im Training ist noch Luft nach oben.“ Ohne sich konkrete Zeiten als Ziele zu setzen, möchte er seine Leistung in den kommenden Jahren steigern.

Im zweiten Anlauf zur Leichtathletik

Das Talent des gebürtigen Kölners für die Leichtathletik fiel zum ersten Mal in der sechsten Klasse so richtig auf. Damals nahm Eddie Reddemann an der jährlichen Sichtungsaktion des ASV Köln teil, bei der die schnellsten Schüler der Stadt gesucht werden. Mitorganisator war sein heutiger Trainer Jannik Engel. „Ich bin Zweiter geworden und habe eine Jahresmitgliedschaft beim ASV Köln gewonnen“, erzählt der Deutsche Meister. Allerdings ließ er diese Gelegenheit sausen. „Leichtathletik hat mich damals nicht interessiert. Ich habe lieber Fußball oder Basketball gespielt und auch Parkcour gemacht.“

Zum Leichtathletik-Training verschlug es ihn erst etwas später nach einem Umzug mit seiner Mutter nach Vaterstetten bei München in Bayern. „Durch den Zeitpunkt des Umzugs hatte ich acht Wochen Sommerferien und nichts zu tun. Außerdem kannte ich an meinem neuen Wohnort niemanden“, erinnert sich der heutige Leistungssportler. „Mein Stiefbruder ist dort zur Leichtathletik gegangen und ich habe mich überzeugen lassen mitzugehen.“ Beim TSV Vaterstetten nahmen der inzwischen verstorbene Trainer Florian Cucu sowie Albert Süß den Neuling herzlich auf und erkannten sein Potential.

In der Altersklasse M14 bestritt der damalige Schüler seine ersten Wettkämpfe, ganz klassisch auch im Mehrkampf. „Ich habe mich damals für den Block Wurf entschieden. Aber ich habe schnell gemerkt, dass der Mehrkampf nichts für mich war. Ich wollte am liebsten immer nur die Spikes anziehen und rennen.“ Schon in seinem zweiten Wettkampfjahr trat er nur noch im Sprint an und hatte mit dem Bayerischen Meistertitel in der Altersklasse M15 (11,42 sec) sein erstes Erfolgserlebnis. „Das war ein Schlüsselmoment, in dem ich gemerkt habe, dass sich Training auszahlt.“

Rückkehr nach NRW und Wiedersehen mit Jannik Engel

In seinem folgenden ersten U18-Jahr steigerte sich Eddie Reddemann über 100 Meter auf 11,07 Sekunden und über 200 Meter auf 22,23 Sekunden. Außerdem nahm er an seiner ersten Jugend-DM teil. Der Sport wurde zum festen Bestandteil des Alltags und der Zukunftsplanungen.

Um in einem professionelleren Umfeld zu trainieren, wechselte der damals 16-Jährige mit einigen Mitstreitern zur LG Stadtwerke München und konnte sich unter der Anleitung von Michael Ehrenreich weiter steigern. Im Jahr 2020 fiel die 11,00-Sekunden-Marke über 100 Meter und mit Rang acht (10,96 sec) gelang der erste Finaleinzug bei einer Jugend-DM. „Ich habe viel gelernt und unter anderem mit Fabian Olbert trainiert.“

Dem jungen Sprinter war allerdings klar, dass er sportlich nur ein Jahr in München verbringen würde, bis die Realschule beendet war. Denn das Abitur nahm der Schüler in Nordrhein-Westfalen in Angriff. „Ich wollte weiter Sport machen und fand es herausfordernd, neben dem Leistungssport ein gutes Abi in Bayern zu machen. Im Schulsystem in NRW habe ich die besseren Chancen gesehen.“ So zog er zurück zu seinem Vater. Auch sportlich hatte er in der alten Heimat einen Ansprechpartner im Hinterkopf. „Ich habe Jannik Engel eine Mail geschickt. Er hat sich an mich erinnert und in seine Gruppe in Leverkusen aufgenommen.“

Dort unter anderem gemeinsam mit Joshua Hartmann (ASV Köln) zu trainieren, veränderte den Blick auf den Sport noch einmal. „Nach Lust und Laune mal zum Training zu kommen und mal nicht, das gab es nicht mehr.“ Resultat war ein Leistungsschub im Jahr 2022, in dem sich der damals 18-Jährige über 100 Meter bis auf 10,38 Sekunden steigerte, mit dieser Zeit Silber bei der Jugend-DM gewann und sich für seinen ersten Start im Nationaltrikot bei der U20-WM in Cali (Kolumbien) qualifizierte. Damit war endgültig klar, dass der Weg in den Leistungssport führen soll.

Immer mehr Bausteine perfektionieren

In den vergangenen beiden Jahren arbeitete der U23-Athlet daran, seine Leistung zu stabilisieren und die Voraussetzungen für weitere Steigerungen zu schaffen. Eine wichtige Baustelle ist der Start. „Um besser aus den Blöcken zu kommen, versuchen wir, meine Schrittlänge und Hüftposition zu optimieren. Schwierigkeiten habe ich vor allem, das mit dem Übergang in den fliegenden Sprint zu verbinden. Das hat zum Beispiel in der vergangenen Hallensaison in den Wettkämpfen über 60 Meter gar nicht funktioniert“, erzählt der 20-Jährige, der ein Lehramtsstudium in den Fächern Sport und Spanisch aufgenommen hat. Besser lief es auch in der Halle schon über 200 Meter, wo 2023 mit dem Bronzeplatz und 2024 mit Rang fünf jeweils der Einzug ins DM-Finale gelang.

Um die Geschwindigkeit über 200 Meter noch länger hoch halten zu können, kann das Tempolauf-Programm noch ausgebaut werden. „Ich trainiere noch nicht so wie Joshua Hartmann. Jannik baut das Training Schritt für Schritt auf, da wird nichts erzwungen.“

Gemeinsam mit einem Sportpsychologen arbeitet Eddie Reddemann außerdem an seiner mentalen Einstellung zum Leistungssport. „Ich versuche mich möglichst von konkreten Zielen und Zeiten zu befreien. Ich habe gemerkt, je mehr ich im Wettkampf will, desto weniger bekomme ich. Wenn ich mir Rennen von Usain Bolt anschaue, sehe ich, dass es um die Kunst der Entspannung in der Anspannung geht“, erzählt der Student. „Ich möchte Tag für Tag körperlich und mental an mir arbeiten, den Spaß behalten und wenn das gelingt, bin ich überzeugt, dass noch was kommt.“ Sein überraschender DM-Titel hat gezeigt, dass dieser Ansatz aufgehen kann.

Video-Interview: Eddie Reddemann: "Ich habe schon gemerkt, dass ich heute was draufhabe"
Video: Eddie Reddemann nutzt die Gunst der Stunde

Das sagt Bundestrainer David Corell:

Eddie hat in Braunschweig ein gutes Rennen gemacht und sich bei schwierigen Bedingungen durchgesetzt. Er hat die Gunst der Stunde genutzt, die sich geboten hat, weil die schnellsten nationalen Konkurrenten auf einen Start über 200 Meter verzichtet haben. Eddie hat in den vergangenen Jahren hart an sich gearbeitet und ist im Training dran geblieben. Er gehört zu einer Reihe von jungen Nachwuchssprintern mit Potenzial, die in den kommenden Jahren zur Spitze in Deutschland aufschließen können.

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