| Interview

Thomas Bach: „Schutz für die sauberen Athleten“

IOC-Präsident Thomas Bach hat harte Sanktionen gegen aktiv Beteiligte und Hintermänner im russischen Dopingskandal gefordert. Die Politik sei klar: „Strafe für die Gedopten und ihre Hinterleute, Schutz für die sauberen Athleten. Und das muss für alle weltweit gelten.“ Das IOC werde nicht zögern, „weitreichende Strafen gegen die Betroffenen - insbesondere den Ausschluss von zukünftigen Olympischen Spielen - zu verhängen“, sagte der Fecht-Olympiasieger am Sonntag in einem dpa-Interview.
dpa/fc

Dopingsumpf in Russland - waren auch Sie geschockt? Bei diesem langen Vorlauf und den vielen Gerüchten konnte man doch eigentlich kaum noch überrascht sein.

Thomas Bach:
Ich war tief geschockt über die Dimensionen, die dies vor allem auch im Internationalen Leichtathletik-Verband hatte. Dessen ehemaliger Präsident mit seinem Umfeld hat offensichtlich Bestechungsgelder von Athleten gefordert, um hinterher Wettbewerbe zu manipulieren, indem man gedopte Athleten zu Wettbewerben zulässt. Das ist eine wirklich mehr als schockierende Dimension.

Welche Folgen hat der Skandal für Russland selbst, für den Weltsport und die olympische Bewegung?

Thomas Bach:
Nun müssen alle Maßnahmen eingeleitet werden, damit der russische Leichtathletik-Verband gesäubert wird - man kann das nicht anders ausdrücken. Es muss dafür gesorgt werden, dass die russische Anti-Doping-Agentur und das Moskauer Kontroll-Labor wieder regelkonform werden. Hier ist die WADA gefordert, alle möglichen Maßnahmen einzuleiten. Gleiches gilt für die IAAF in Bezug auf den russischen Leichtathletik-Verband.

Und welche Konsequenzen drohen den Schuldigen?

Thomas Bach:
Alle betroffenen Offiziellen, Trainer und Ärzte müssen identifiziert und bestraft werden. Die gedopten Athleten müssen bestraft und die sauberen geschützt werden. Das russische NOK, das nicht in dem Report der unabhängigen WADA-Kommission erwähnt wird, hat die Führung übernommen.

Russland steht jetzt im Fokus - und das zu Recht. Besteht damit zugleich die Gefahr, dass der aktuelle Skandal alles überlagert und andere verdächtige Länder aus dem Blickfeld verschwinden?

Thomas Bach:
Nein. Hier habe ich Vertrauen in die WADA und in die neue Führung der IAAF, dass sie sich all diesen Fragen gleichmäßig zuwenden. Die Politik des IOC ist vollkommen klar: Strafe für die Gedopten und ihre Hinterleute, Schutz für die sauberen Athleten. Und das muss für alle weltweit gelten. Um dieses System noch wirksamer zu machen, haben wir ja auch vor einigen Wochen vorgeschlagen, das Anti-Doping-System von den Sportorganisationen unabhängig zu machen.

Olympia in Rio 2016 ohne russische Leichtathleten - muss man dieses Szenario wirklich befürchten?

Thomas Bach:
Ich will jetzt nicht spekulieren. Das russische NOK und sein Präsident haben uns sehr klare und weitreichende Maßnahmen vorgeschlagen: Die Bestrafung aller Verantwortlichen, eine vollkommene Re-Organisation des nationalen Verbandes, neue Strukturen auch für die Anti-Doping-Agentur und das Labor, um diese Organisationen wieder in Einklang mit den internationalen Anti-Doping-Bestimmungen zu bringen. Diese Regel-Konformität (Compliance), die zuvorderst von der IAAF festgestellt werden muss, ist dann die Voraussetzung für eine Teilnahme an den Olympischen Spielen.

Sehen Sie Chancen für die russische Leichtathletik, ihre größte Krise zu überwinden? Und wenn ja - wie?

Thomas Bach:
Überwinden ja, aber nicht unbeschadet. Die IAAF hat in ihrem Beschluss schon klare Kriterien für eine Wiederanerkennung des russischen Verbandes aufgezeigt. Alle Verantwortlichen - Offizielle, Trainer, Ärzte - müssen zur Verantwortung gezogen und der Verband grundlegend reformiert werden. Das IOC selbst wird nicht zögern, weitreichende Strafen gegen die Betroffenen - insbesondere den Ausschluss von zukünftigen Olympischen Spielen - zu verhängen. Alle gedopten Athleten müssen entsprechend der Regularien bestraft, die sauberen geschützt werden. Diese Grundsätze gelten weltweit - selbstverständlich auch für Russland.

Muss Präsident Vladimir Putin die Angelegenheit jetzt zur Chefsache machen? Sie haben ja gute Kontakte zu ihm.

Thomas Bach:
Ich habe weder mit Präsident Putin noch mit Minister Mutko Kontakt gehabt, ich habe mit NOK-Präsident Schukow gesprochen. Mit dem Ergebnis, dass das NOK die Führungsrolle für eine Säuberung des nationalen Leichtathletik-Verbandes übernehmen wird. Den Medien war die klare Aussage zu entnehmen, dass Präsident Putin eine vollkommene Aufklärung dieses Skandals und entsprechende Konsequenzen gefordert hat.

Also werden wir russische Leichtathleten 2016 in Rio sehen?

Thomas Bach:
Noch einmal: Das kann ich heute nicht sagen. Weder das eine noch das andere. Wir haben die klaren Aussagen des russischen NOK zur Kenntnis genommen, den nationalen Verband wieder in Einklang mit den internationalen Bestimmungen zu bringen. Dies ist Voraussetzung für die Teilnahme an den Olympischen Spielen.

Die Stabhochspringerin Yelena Isinbayeva ist von Sportminister Mutko als ein neuer Kopf der Reformbewegung ins Spiel gebracht worden. Könnte sie mit ihrer Vorbildrolle und Erfahrung etwas bewegen?


Thomas Bach:

Die Führung dieses Prozesses liegt beim russischen NOK. Und ich gehe davon aus, dass wir schon in den nächsten Tagen klare Maßnahmen sehen werden, um tatsächlich den russischen Leichtathletik-Verband vollkommen zu reformieren und neu aufzustellen.

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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