Lisa Mayer ist eine der schnellsten deutschen Sprinterinnen und eines der Gesichter der DLV-Initiative #TrueAthletes: Echt.Stark.Fair. Die 22-Jährige ist auch abseits des Sportplatzes eine starke Persönlichkeit mit Vorbild-Charakter: 2016 wurde sie von der Deutschen Sporthilfe für ihre Leistungen auf der Bahn und als Studentin an der Goethe Universität in Frankfurt als „Sportstipendiatin des Jahres“ ausgezeichnet. Im Interview blickt die Olympia- und WM-Vierte mit der Staffel auf die verletzungsbedingt verpasste EM in Berlin zurück und voraus auf ihren Comeback-Plan für 2019.
Lisa Mayer, Sie sind eine der schnellsten deutschen Sprinterinnen. Ihr #TrueAthletes-Statement lautet: "Die Zeit läuft. Ich bin schneller." Ist es Ihr erstes Ziel eine bestimmte Zeit zu unterbieten?
Lisa Mayer:
Bei internationalen oder großen Meisterschaften geht es primär weniger um die Zeit als um die Platzierung. Gerade beim 100-Meter-Sprint spielen so viele äußere Faktoren eine Rolle, zum Beispiel die Wetterbedingungen. Nichtsdestotrotz sind wir in der Leichtathletik Athleten, die eigenständig ihre Leistung bringen, es ist keine Team-Sportart. Ich kann die Leistung meiner Konkurrentinnen, die neben mir auf der Bahn stehen, nicht beeinflussen, ich kann nur meine eigene Leistung beeinflussen. Mein Ziel ist es natürlich immer schneller und schneller zu werden, so dass die Zeiten über 100 und 200 Meter so gering wie möglich werden. Von daher ist es der erste Anreiz schneller als die Uhr zu sein. Wenn man schneller als die Uhr ist, ist man auch schneller als die Konkurrenz.
Bei der EM in Berlin waren Sie nur in der Rolle der Zuschauerin, weil Sie wegen einer Verletzung nicht starten konnten. Welche Sprint-Entscheidungen haben Sie live im Olympiastadion gesehen?
Lisa Mayer:
Ich war am Tag Q zu den Vorläufen der Männer im Stadion. Die Halbfinals der Frauen habe ich mir per Livestream auf dem Handy angeschaut, weil ich leider nicht da war, auch die Männer-Halbfinals konnte ich nicht sehen. Beim 100-Meter-Finale der Frauen wusste ich ehrlich gesagt nicht, ob ich es mir anschauen kann. Ich war zwar im Stadion, habe mir aber gesagt, wenn es zu sehr weh tut, dann gehe ich. Ich bin dann geblieben und froh darüber. Es war ein super spannendes Finale und ich war dann auch bei der Siegerehrung der Mädels. Um eine Medaille zu gewinnen, musste man bei Europameisterschaften unter elf Sekunden laufen. Das ist ein Niveau, das einfach nur grandios ist.
Konnten Sie trotz des weinenden Auges die Kulisse im Olympiastadion genießen?
Lisa Mayer:
Auf jeden Fall. Wenn man selbst im Einsatz ist, gerade mit der Staffel, die ja meist ganz zum Schluss an der Reihe ist, ist man immer eingespannt und fokussiert. Man bekommt von den anderen Wettkämpfen kaum etwas mit, weil man sich ausruhen muss und viel Zeit im Hotel verbringt. Deshalb habe ich es wirklich genossen, so eine Meisterschaft von einer anderen Seite zu erleben. Dass ich dennoch vor Ort sein konnte, hat es leichter gemacht. Es hat mir unglaublich viel Motivation für mein eigenes Comeback gegeben. Es war einfach schön.
100 Meter, 200 Meter oder 4x100 Meter, was ist Ihre Favoriten-Strecke und warum?
Lisa Mayer:
Mein Herz hängt an den 200 Metern, gar nicht so leistungsmäßig, sondern mehr von dem, was gefordert wird. Nach 150 Metern nochmal kämpfen zu müssen, wenn die Beine schwer werden, das ist anders als auf den 100 Metern. Dieses Kämpfen müssen hat für mich nochmal einen ganz besonderen Reiz. Deswegen mag ich die 200 Meter sehr. Die Staffel ist auch etwas Besonderes. Wir trainieren alle dafür, um in einer Einzeldisziplin erfolgreich zu sein. Aber im Team zu agieren und auf der Bahn zu stehen, das sind nochmal ganz andere Emotionen und ein ganz anderer Zusammenhalt, die dort hochkommen. Deshalb ist die Staffel immer ein großes Highlight.
Was kennzeichnet für Sie einen #TrueAthlete?
Lisa Mayer:
Man muss neben der Leidenschaft und Hingabe zum Sport, auch die Lockerheit und den Spaß bewahren. Mit Verbissenheit alleine kann man die Ziele auch nicht erreichen. Ich merke selbst, wie oft es Rückschläge im Leben und im Sport geben kann. Sich dann aber zu sagen, ich lasse mich nicht unterkriegen, ich lasse mich nicht verunsichern, ich glaube an mich und meine Stärken, ich gebe 100 Prozent, um es mir und allen zu beweisen – das ist für mich ein TrueAthlete. Ich bin jetzt verletzt und auch letztes Jahr hatte ich schon Probleme. Ich glaube, Rückschläge gehören für jeden Athleten dazu. Zu sagen, dass man nicht aufgibt, sondern noch stärker zurückkommt. Das ist für mich ein TrueAthlete.
Sie bringen nicht nur im Sport Höchstleistung, sondern auch im Studium. Haben Sie Ihr Studienfach Germanistik (mit Nebenfach Geographie) nach persönlichem Interesse ausgesucht oder steckt ein konkreter Berufswunsch dahinter?
Lisa Mayer:
Ich habe ein sehr konkretes Berufsziel, ich möchte im Journalismus arbeiten, am liebsten in den Bereich Fernsehen gehen. Deswegen habe ich mich für Germanistik entschieden, weil dieser Weg mit dem Studiengang möglich ist. Es ist aber auch noch eine andere Richtung möglich, diesen Plan B wollte ich mir bewusst offen halten. Das Germanistik-Studium ist schon trocken und nicht mein absolutes Favoriten-Fach, aber es bringt mich dorthin, wo ich hinwill und deswegen ziehe ich das natürlich voll und ganz durch. Ich bin im achten Semester, mir fehlt nur noch die Bachelor-Arbeit, die ich von Dezember bis Januar schreiben will.
Wie geht es nach dem Studienabschluss weiter?
Lisa Mayer:
Ich hatte überlegt, danach den Master oder ein Volontariat zu machen. Aber ich bin 22 Jahre und weiß, was sportlich noch in mir steckt. Ich will das ausreizen, wissen, was mein Körper leisten kann. Deshalb will ich nochmal 'all in' gehen und bin ganz froh, dass es die Möglichkeit dazu bei der Bundeswehr gibt. Ohne Studium wäre ich nicht zur Bundeswehr gegangen, es war mir schon wichtig etwas abgeschlossen zu haben. Im Dezember mache ich die Grundausbildung.
Wie würde das ideale Sportjahr 2019 der Lisa Mayer aussehen?
Lisa Mayer:
Ich kann jetzt schon sagen, dass es für mich keine Hallensaison geben wird. Ich trainiere zwar schon ein bisschen, aber meine Beine brauchen immer noch Pause, weil die Verletzung noch ausheilen muss. Wir haben uns auch dazu entschieden, weil die Bundeswehr in den Kerntrainingsmonaten November, Dezember Zeit in Anspruch nimmt. Ich will mir die Zeit geben, um von Grund auf alles aufzubauen und alle Schwachstellen auszumerzen und nicht wieder unter Zeitdruck arbeiten und Gas geben. Es ist nicht einfach: Ich bin Sprinterin, ich liebe die Geschwindigkeit und muss jetzt viel Geduld aufbringen. Das erste große Ziel sind im Frühling die Staffel-Weltmeisterschaften. Wir haben mit der 4x100 Meter-Staffel dort einen Titel aus dem letzten Jahr zu verteidigen.
Ihr letzter Wettkampf liegt schon lange zurück, wie wollen Sie sich wieder rankämpfen?
Lisa Mayer:
2019 wird zwar kein richtiges Übergangsjahr, weil auch die Weltmeisterschaften in Katar anstehen. Aber ich denke, es geht erstmal darum, gesund zu bleiben und Wettkampf-Routine mit nationaler und internationaler Konkurrenz zu sammeln und wieder beide Strecken zu laufen. Mein letzter Wettkampf war am 2. Februar, das ist schon eine Weile her (lacht). Nichtsdestotrotz möchte ich meine Bestzeiten angreifen, aber darüber mache ich mir momentan noch weniger Gedanken. Wichtiger ist, dass ich wieder Wettkampf-Routine bekomme und das Vertrauen in meinen Körper zurückgewinne. Für die WM werde ich mir natürlich Ziele setzen, wenn es soweit ist. Final-Teilnahmen sind natürlich immer ein Ziel, aber es ist noch über ein Jahr hin bis zur WM. Der Fokus wird dann auch auf Tokio 2020 liegen, dort will ich auf allerhöchstem Niveau konkurrenzfähig sein.
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