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Gordon Wolf - Ein Diskuswerfer auf Abwegen

Marius Broening, Martin Grothkopp, Candy Bauer, Joshua Bluhm, Tino Paasche, Martin Putze, Alexander Rödiger: Die Liste von ehemaligen Leichtathleten, die jetzt als Bob-Anschieber aktiv sind, ist lang. Und sie könnte sogar noch länger werden. Diskuswerfer Gordon Wolf (SCC Berlin) schickt sich an, ebenfalls Wintersportler zu werden. Die ersten Tests liegen hinter dem 24-Jährigen – und verliefen zufriedenstellend.
Sandra Arm

Januar 2015. Oberhof hat sich in ein winterliches Weiß gehüllt. Ein scharfer Wind peitscht Gordon Wolf Schnee ins Gesicht. Das Gefühl von nass-kaltem Schnee auf der Haut hat für einen Sommersportler wie ihn noch etwas Befremdliches.

Die Leichtathleten zieht es bei diesen Temperaturen eher in wärmere Gefilde, um sich auf die kommende Saison vorzubereiten. „Ich muss ehrlich zugeben, dass ich überhaupt kein Wintermensch bin. Ich sehe mich eher als Schön-Wetter-Sportler“, gesteht der Bob-Neuling im Oberhofer Schneetreiben.

Umgewöhnung nicht einfach

Wolf befindet sich mitten im Umgewöhnungsprozess. „Wenn man sich hier im Winter bei Schnee und Eiseskälte warm macht, um dann beim Test einmal 100 Prozent zu geben, das fiel mir wirklich schwer“, gesteht er.

Nicht so schwer fiel ihm die Entscheidung für den Bobsport. „Ich habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, irgendwann zum Bob zu gehen.“ Dass das Irgendwann schon nach der letztjährigen Freiluftsaison kommen sollte, kam für Wolf nicht wirklich überraschend - obwohl es eigentlich mit seinen Leistungen bergauf ging.

Stabil, aber ohne Ausreißer nach oben

Gordon Wolf war vor einem Jahr zum SSC Berlin in die Trainingsgruppe von Werner Goldmann gewechselt. "Meine Leistungen habe ich mehrfach abrufen können. Die Würfe haben sich stabilisiert und gingen wieder über die 60-Meter-Marke“, sagt er. Der große Ausreißer war allerdings nicht dabei. Für den Falkenseer ging es nicht entscheidend voran: „Ich muss zugeben, dass ich was auf der Strecke liegen gelassen habe und mich nicht mehr deutlich verbessern konnte.“

Sein Saisonziel, die Erfüllung der Norm für die  Europameisterschaften in Zürich, blieb in weiter Ferne. Der Deutsche Leichtathletik-Verband forderte 65 Meter, in die Ergebnislisten fanden 61,82 Meter als Saisonbestweite Einzug. „Für mich war in dem Moment klar, dass ich mit dieser Leistung aus der Sportfördergruppe herausfallen werde. Ich habe diese Entscheidung nachträglich auch verstanden, weil ich selbst wusste, dass ich meine Ziele nicht erreicht habe und niemandem einen Platz wegnehmen wollte.“

Gordon Wolf gesteht Fehler ein

Lange galt Wolf als eines der größtendeutschden Diskus-Talente: 2008 gewann er den Weltmeistertitel der U20-Altersklasse, ein Jahr später segelte die 1,75-Kilo-Scheibe auf 66,45 Meter und zugleich auf einen deutschen U20-Rekord. Seither zog die nationale Konkurrenz an ihm vorbei. Verletzungen, aber auch die innere Einstellung ließen seine Leistungen stagnieren. „Dass sich meine Leistungen nicht verbessert haben, daran bin ich selbst schuld. In jungen Jahren schon so erfolgreich zu sein, hat mich ein bisschen überheblich werden lassen“, gesteht er sich heute ein.

Widergespiegelt hat sich das unter anderem im täglichen Training: „Ich habe einfach nicht so trainiert, wie man es hätte tun sollen. Das war meine eigene Dummheit. Wäre ich zu der Zeit am Ball geblieben und hätte mehr gekämpft, dann wären eventuell auch bessere Ergebnisse herausgesprungen.“ Wolf spricht sehr offen über seine Fehler aus der Vergangenheit, aus denen er für die Zukunft viel gelernt hat.

Gute Voraussetzungen für einen Bob-Anschieber

Es sind auch Einsichten eines jungen Sportlers, der nicht lange mit seinem Schicksal haderte. „Ich stand vor der Entscheidung - entweder Bob oder gar nichts mehr.“ Das Neue, das Unbekannte siegte. „Ich habe mir gedacht, ich probiere einfach mal was Neues aus. Die Voraussetzungen als Bob-Anschieber sind nicht so schlecht. Ich bin groß, das Gewicht stimmt und schnell bin ich auch.“ Beim sogenannten Probe-Anschieben mit Bob-Pilot Manuel Machata vor eineinhalb Jahren hat er einen guten Eindruck hinterlassen. „An diesem Tag bin ich zum ersten Mal gelaufen und habe einen Schlitten angefasst.“

Auch seine erste Fahrt im Bob auf der Oberhofer Rennschlittenbahn hat er schon hinter sich. Chauffiert von Christin Senkel (PSV Meiningen), die als ehemalige Leichtathletin bereits den Sprung in den Weltcup und zwei Winter-Olympiaden geschafft hat. Nach der ersten Fahrt fuhren die Gefühle sprichwörtlich Achterbahn: „Man spürt einfach alles. Die Strecke war anfangs ganz schön holprig, weil man nicht wusste, auf was man sich einlässt und nicht sah, wo man hingeschleudert wird. Je mehr Fahrten, desto ruhiger und entspannter wurde es. Zum Schluss war es richtig toll.“

Erster Starttest zufriedenstellend

Zum Trainieren geht es mindestens einmal monatlich für ihn und die Trainingsgruppe um Top-Anschieber Kevin Kuske nach Oberhof oder in die warme Stube – in die Halle nach Potsdam. Der Schwerpunkt in den Einheiten liegt vor allem auf der Lauftechnik: „Sie ist noch nicht ansatzweise so, wie sie sein sollte.“ Gewöhnt war Wolf bisher nur 30-Meter-Sprints. Jetzt heißt es für ihn über 60 Meter Vollgas geben. „Das war schon eine Riesenumstellung. Ich muss mich langsam an die Strecke herantasten und bin guter Dinge, dass ich beim Test im nächsten Jahr weiter vorn bin.“

Gemessen wurde beim seinem Premieren-Start eine Zeit von 5,01 Sekunden. „Mit der Leistung bin ich total zufrieden. Für mich war der Test eine gute Gelegenheit, um bei den Anschiebern reinzuschnuppern.“ Bob-Cheftrainer Christoph Langen hatte am ersten Sonntag im Januar zum Start-Leistungstest ins Wintersportmekka geladen. Insgesamt gingen 44 Teilnehmer für die Position Bremse an den Start.

Wolf genießt die familiäre Atmosphäre unter den Bobsportlern sichtlich. Die Freude will er auch weiterhin in der Leichtathletik als Diskuswerfer spüren und im Sommer an einigen nationalen Wettkämpfen teilnehmen. „Ich werde definitiv bei den Landesmeisterschaften starten. Ebenso hoffe ich auf einen Start bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg.“ Vorbereiten darauf wird er sich nicht direkt. Schon jetzt freut sich der selbsternannte „Schön-Wetter-Sportler“ auf ein paar wärmende Sonnenstrahlen.

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