Der König von Ratingen heißt Arthur Abele. Der Zehnkämpfer vom SSV Ulm 1846 krönte das 20. Mehrkampf-Meeting mit der neuen Weltjahresbestleistung von 8.605 Punkten. Für DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska war die Vorstellung des 29-Jährigen ein sportliches „Wunder“. Arthur Abele führt nach seiner Gala-Leistung die drei deutschen Olympia-Zehnkämpfer an. Auch drei Siebenkämpferinnen werden dem DOSB zur Nominierung vorgeschlagen.
Arthur Abele hüpfte nach dem zweiten Speerwurf-Versuch wie ein Derwisch auf und ab. Erst in den Armen seines Trainers Christopher Hallmann endete der Freudentanz. Mit 71,89 Metern hatte er am Sonntag in der vorletzten Disziplin nicht nur endgültig den Weg zum Sieg beim 20. Ratinger Mehrkampf-Meeting eingeschlagen, sondern sich auch eine exzellente Ausgangsposition für eine neue Weltjahresbestleistung geebnet.
Mit 4:24,12 Minuten ließ der Ulmer über 1.500 Meter nichts mehr anbrennen und krönte sich mit 8.605 Punkten zum „König von Ratingen“. Die Weltjahresbestleistung des Kanadiers Damian Warner steigerte er um 82 Punkte. Arthur Abele hat sich mit dieser Leistung zum Medaillenaspiranten für die Olympischen Spiele gemausert.
Plötzlich Nummer eins der Welt
„Ich kann es noch gar nicht fassen, mir fehlen ein wenig die Worte. Eigentlich ging es ja nur um die Olympianorm von 8.100 Punkten“, meinte der 29-Jährige nach seinem Coup bei schwierigen äußeren Bedingungen jubelnd.
Am Samstag mussten die Mehrkämpfer in Ratingen mit Dauerregen fertig werden, auch am Sonntag waren Nässe und Kälte nicht gerade leistungsfördernd. Somit ist das Ergebnis des Vize-Europameisters im Hallen-Siebenkampf noch ein Stückchen höher einzuschätzen. Lediglich Ex-Weltrekordler Roman Sebrle (Tschechien) war in der Ratinger Meeting-Geschichte bei seinen Siegen 2002 mit 8.701 Punkten und im Folgejahr mit 8.606 Punkten besser.
Für Abeles Heimtrainer Christopher Hallmann war der Kugelstoß am Samstag der „Dosenöffner“ zum Erfolg: „Nach den drei ungültigen Versuchen von Götzis war schon eine Nervosität da. Aber das Ergebnis von 15,79 Metern war dann wegweisend.“ Bemerkenswert: In allen drei Wurfdisziplinen stellte Arthur Abele Bestleistungen auf. Auch im Diskuswurf verbesserte sich der 29-Jährige deutlich auf 46,20 Meter.
Ein sportliches „Wunder“
„Was wir an den beiden Tagen gesehen haben, ist für mich ein sportliches Wunder. Man darf nicht vergessen, dass Arthur sich am 21. April 2015 die Achillessehne gerissen hat. Er hat danach angekündigt, stärker zurückzukehren als zuvor. Und das hat er gehalten“, zollte DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska seinem Top-Mehrkämpfer ein großes Lob. Der Ulmer wird das deutsche Zehnkampf-Trio bei den Olympischen Spielen in Rio anführen. Ebenfalls dabei ist Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied), der mit 8.323 Punkten als Ratingen-Zweiter eine gute Leistung ablieferte. Zufrieden war er aber trotzdem nicht: „Ich hätte gern ein paar mehr Punkte gemacht und ein Wörtchen um den Sieg mitgeredet.“
Vorbehaltlich eines Leistungsnachweises beim Deich-Meeting am 27. Juli in Neuwied wird auch Rico Freimuth (SV Halle) in Rio dabei sein. Der WM-Dritte hatte den Zehnkampf nach dem Hochsprung beenden müssen. „Rico hat seine Wade wieder gespürt. Darum haben wir nach Absprache entschieden, kein Risiko einzugehen und den Wettkampf zu beenden“, sagte Idriss Gonschinska. Da der Hallenser mit 8.571 Punkten als WM-Dritter von Peking die Olympia-Norm aber im Nominierungszeitraum erfüllt hat, wird er vom DLV genauso wie Arthur Abele und Kai Kazmirek dem Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB) zur Rio-Nominierung vorgeschlagen. Die offizielle Nominierung soll bei der nächsten DOSB-Sitzung am Dienstag (28. Juni) erfolgen.
Carolin Schäfer mit starker Leistung
Ein ähnliches Bild bei den Frauen: Mit der Ratingen-Zweiten Carolin Schäfer (TV Friedrichstein; 6.476 Punkte) werden Claudia Rath (LG Eintracht Frankfurt), die verletzt in Ratingen fehlte, und Jennifer Oeser nach Rio fahren. Die Leverkusenerin landete am Wochenende auf Platz drei mit 6.058 Punkten, hatte aber die Olympia-Norm von 6.200 Punkten schon bei der WM 2015 in Peking erfüllt.
Die WM-Zweite von 2009 patzte im Hürdensprint extrem. „Ich bin voll in die zweite Hürde getreten. Das soll in Rio nicht passieren“, sagte Jennifer Oeser, die vor ihrem dritten Olympia-Start steht. Mit nur 15,21 Sekunden in der ersten Disziplin hatte sie knapp 200 Punkte im Vergleich zu ihrer Saisonbestzeit verschenkt.
Jessica Ennis-Hill kratzt am Meetingrekord
Besser lief es für Carolin Schäfer: Mit 6.476 Punkten musste sich die EM-Vierte nur der überragenden Jessica Ennis-Hill geschlagen geben. Die Olympiasiegerin aus Großbritannien kam auf 6.733 Punkte und absolvierte damit im Stadion am Ratinger Stadionring den besten Siebenkampf seit ihrem Olympia-Triumph vor vier Jahren in London. Lediglich Meeting-Rekordlerin Sabine Braun (TV Wattenscheid 01) war 1997 mit 6.787 Punkten besser. „Ich glaube, dass wir hier die Favoritin auf den Olympiasieg gesehen haben“, sagte Idriss Gonschinska, Cheftrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), anerkennend.
Besonders stolz war Carolin Schäfer auf ihre Speerwurf-Bestleistung von 50,73 Metern, erstmals überhaupt übertraf sie die 50-Meter-Marke „Es war meine älteste Bestleistung. Darum bin ich so froh, sie endlich gebrochen zu haben. Dafür haben wir viel und hart gearbeitet“, stellte Carolin Schäfer fest. Dass sie der besten Mehrkämpferin der Gegenwart unterlegen war, konnte sie verkraften, „Es war noch ein richtig guter Siebenkampf nach dem schwierigen ersten Tag“, sagte die 24-Jährige. Was Mehrkämpferinnen als „schwierig“ bezeichnen, nennt Otto Normalbürger schlicht und einfach „Sauwetter“.
Mehr:
<link news:48283>Zehnkampf Tag 2 - Von Disziplin zu Disziplin
<link news:48275>Siebenkampf Tag 2 - Von Disziplin zu Disziplin
<link news:48280>Zehnkampf Tag 1 - Von Disziplin zu Disziplin
<link news:48254>Siebenkampf Tag 1 - Von Disziplin zu Disziplin