Die Leichtathletik-Community und die Fachjury haben M50-Kugelstoßer Andy Dittmar (BiG Basketball in Gotha) zum "Masters-Leichtathleten des Jahres" gewählt. Im Interview verrät der 50-Jährige, warum ihn das Wahlergebnis überrascht und wie sich das gemeinsame Training mit seinem Sohn Lenny in der "Trainingsgruppe Sonnenschein" gestaltet.
Andy Dittmar, wie sehr hat Sie das Votum der Leichtathletik-Community und der Fachjury überrascht?
Andy Dittmar:
Es hat mich absolut überrascht. Es war für mich schon ein absolutes Glücksgefühl und ein unheimlicher Stolz, in die Top Drei gewählt worden zu sein. Dass dann eine Jury einen Werfer wählt, bei der Konkurrenz wie Zehnkämpfer Willi Klaus mit seinen über 80 Jahren und Weltrekord im letzten Zehnkampf, das sind Leistungen, wo man eine ganze Karriere honorieren kann, da habe ich gesagt, das ist die Nummer Eins. Als dann der Anruf kam, dass ich gewonnen habe, war ich in dem Moment absolut geplättet, stolz, motiviert und hatte schon ein Tränchen im Auge.
Wann hat es das bei Ihnen zuletzt gegeben, dass Sie ein Tränchen im Auge hatten?
Andy Dittmar:
Das war zwischen den Feiertagen, als wir uns die Doku über die „Wagner Brothers“ angeschaut haben. Das ist eine Doku in der ZDF Mediathek, die müsste für jeden Sportler, nicht nur Basketballer im Alter zwischen zwölf und 18, als Pflicht angesehen werden. Es wird dargestellt, was die Jungs investieren und wie sie in der Familie mit Höhepunkten und Niederschlägen umgehen. In der Doku waren Momente dabei, wo ich auf der Couch saß und Tränen in den Augen hatte.
Was treibt Sie jeden Tag an, um diese Topleistungen abzurufen?
Andy Dittmar:
Das ist wie eine Sucht – es ist einfach cool, sich selbst etwas zu beweisen. Das i-Tüpfelchen oder Schulterklopfer ist dann so eine Wahl. Ich mache es wirklich für mich, setze mir Ziele und will bestimmte Weiten erreichen. Ich will meinen Schweinehund überwinden. Es gibt wirklich dienstlich Tage, wo keine Sekunde Pause ist, und sich dann zu überwinden, in diese kalte Halle zu gehen, sich mit Seilsprüngen, Ergometer und Gummikugelstößen gegen die Wand warm zu machen, und dann abzuliefern.
Sie trainieren unter erschwerten Bedingungen. Wie sieht das genau aus?
Andy Dittmar:
Aufgrund der Turnhallen-Problematik in Gotha [Die Sporthalle in Gotha war längere Zeit nicht nutzbar und wurde zuletzt teilsaniert; Anm. d. Red.] gilt der Dank unserem Sponsor „airleben“, der einen Teil seiner Lagerhalle für das Training zur Verfügung stellt. Wir haben ein Holzbrett gebaut und alte Judomatten ausgelegt, so können wir trainieren. Zudem ist die alte Industriehalle unbeheizt. Wenn es nachts -10 Grad waren, dann trainieren wir nahe der 0 Grad. Das bedeutet viel Vorbereitung, in seinen Körper reinhören – da gibt es Trainingseinheiten, in denen ich nur lockere Stöße mache oder die Kugel nach der Imitation rauslasse, weil ich merke, da zieht sich was im Beuger fest. Was aber unter diesen Umständen produziert werden kann, das zeigt die Trainingsgruppe Sonnenschein gerade.
Es gibt aber die Option mit der Halle in Erfurt?
Andy Dittmar:
Wir wissen, die Bedingungen sind nicht optimal. Wir könnten nach Erfurt fahren – das Angebot steht. Mein Sohn Lenny als Landeskader-Athlet könnte jederzeit in die Halle rein. Wir haben auch ein Agreement, wenn es um das Training geht, aber mit der An- und Abfahrt aus Gotha ist es zeitlich nicht machbar. Das Training in der Lagerhalle macht wiederum einen gewissen Reiz aus. Das vielleicht zu dem Geheimnis, warum das im Wettkampf funktioniert: Wenn man von relativ miesen Bedingungen in eine warme Halle mit einem schönen Ring kommt und eine Stahlkugel in der Hand hat, dann sagt man sich, ist das schön heute, und das muss funktionieren.
Familiär bekommen Sie Unterstützung von Ihrem Sohn Lenny, der neben der Liebe zum Basketball auch im Ring seine Stärke zeigt. Sie stoßen jetzt beide mit der 6-Kilo-Kugel.
Andy Dittmar:
Sogar mit der gleichen. Er stieß jetzt bei den Thüringer Hallenmeisterschaften mit meiner Weltrekord-Kugel aus der Vorwoche. Das ist natürlich cool. Wir nehmen denselben Magnesiatopf, er hat jetzt sogar meine frisch eingestoßenen Schuhe, die ich an ihn abgegeben habe. Als er mit dem Faible Kugelstoßen angefangen hat, habe ich mal gefrotzelt: Stell dir vor, wir machen gemeinsam Wettkämpfe. Es kann durchaus vorkommen, dass die Männer und die U20 mal zusammenstoßen.
Wie sind Sie auf den Namen „Trainingsgruppe Sonnenschein“ gekommen und was bewirkt er bei Ihnen?
Andy Dittmar:
Er bewirkt, dass das Glas immer mindestens halb voll ist. Ob nun Training im Stadion, oder bald ist in Aussicht, dass wir wieder in eine warme Sporthalle gehen können, machen wir einfach das Beste aus den Bedingungen. Bei uns gibt es motivierende Worte. Wenn Carmen [Masters-Athletin Carmen Hildebrandt; Anm. d. Red.] und ich einen Fehler machen, dann macht Lenny einen Spaß und schon lachen alle wieder. Wenn er mal nicht gut drauf ist, weil er direkt von einem langen Schultag und Sportunterricht in die Halle kommt und platt ist, dann gibt es von uns mal einen „Querschuss“. Da wird sich im wahrsten Sinne auf den Hintern und die Schultern geklopft, um sich wachzuhalten und zu motivieren. Wir haben immer ein Schmunzeln auf den Lippen – und daraufhin haben wir gesagt, bei uns scheint immer die Sonne.
Sie haben in der Hallensaison bereits gezeigt, wo es hingeht. Nämlich knapp über 18 Meter. Da ist sicher noch Luft nach oben?
Andy Dittmar:
Das würde ich nach dem letzten Wettkampf bestätigen, das waren zwei Mal konstant 18,02 Meter. Im letzten Jahr habe ich zum selben Zeitpunkt schon 18,07 Meter gestoßen – daraus ist dann im März eine Weite von 18,52 Metern geworden. Das ist der deutsche Hallenrekord in der M50. In diese Region kann es gern in dieser Hallensaison wieder gehen. Dafür haben wir jetzt noch etwas mehr Zeit im Training, weil das Senioren-Meeting in Chemnitz aufgrund mangelnder Anmeldungen abgesagt wurde und ich jetzt dran bin, dass wir bei den Sächsischen Hallenmeisterschaften der Senioren (8. Februar) außer Konkurrenz starten können. Dann folgen Anfang März die Deutschen Hallenmeisterschaften. Der Zeitraum zwischen den Wettkämpfen ist sehr seniorengerecht, damit wir zwischendurch zwei Wochen trainieren und dem Körper auch Ruhe gönnen können, um wieder richtig fit zu sein.