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Julia Ehrle – Märchenhaftes Jahr zwischen Bahn, Berg und Gelände

© Theo Kiefner
Auf der Bahn, am Berg und im Gelände: Julia Ehrle hat in diesem Jahr mächtig Eindruck hinterlassen. Die 17-Jährige sicherte sich am vergangenen Wochenende in Riesenbeck den deutschen U18-Titel im Crosslauf. Bei der Cross-EM in der Türkei steht im Dezember für sie die dritte internationale Meisterschaft des Jahres an. Die vielseitige Läuferin teilt die Liebe zur Natur mit ihrer ganzen Familie, vor allem aber mit ihrem Bruder, mit dem sie ein besonderes Verhältnis verbindet.
Svenja Sapper

Schon jetzt hat Julia Ehrle (LG farbtex Nordschwarzwald) 2024 als „Jahr voller Höhepunkte“ im Gedächtnis abgespeichert – und dabei liegt noch ein Highlight vor ihr: die Cross-EM in Antalya (Türkei) am 8. Dezember. Für die erst 17 Jahre alte Läuferin schon die dritte internationale Meisterschaft in diesem Jahr. Den Startplatz für die kontinentalen Titelkämpfe machte sie bereits Anfang November beim Sparkassen-Cross klar, wo sie in der U20 triumphierte. 

So konnte sie sich bei der Cross-DM in Riesenbeck ganz auf das Titelrennen in der U18 konzentrieren, wo das Lauftalent souverän ihren letzten Meistertitel in dieser Altersklasse abräumte, bevor sie ab dem kommenden Jahr der U20 angehört. Wobei sie auch in der älteren Kategorie längst zur nationalen Spitze zählt – und im Berglauf bereits zu den Besten der Welt. 

Im Juni holte sie bei der Berg- und Trail-EM in Annecy (Frankreich) die Goldmedaille in der U20. Bei extremen Bedingungen: Dauerregen wurde auf dem Berg, der das Ziel markierte, zu Schnee, der matschige Untergrund verwandelte das Rennen in eine Schlammschlacht. Kein Problem für Julia Ehrle, die dementsprechend auch bei der Cross-DM in Riesenbeck mit den Bedingungen gut zurechtkam. „Beim Rennen war die Temperatur fast perfekt“, befand sie nach ihrem souveränen Titelgewinn.

Erfolgreich am Berg und auf der Bahn

Dass sie auch in Hitzerennen Top-Leistungen abrufen kann, bewies die vielseitige Läuferin im Juli bei der U18-EM in Banská Bystrica (Slowakei), wo sie über 3.000 Meter in einer Hundertstel-Entscheidung die Silbermedaille gewann. Bahn, Straße, Berg, Gelände: Julia Ehrle liebt das Laufen auf jedem Untergrund. „Vor allem mag ich die Abwechslung“, erklärt die 17-Jährige. „Das ist ja gerade das Schönste am Laufen.“ 

Die Liebe zum Laufen teilt die Schülerin mit ihrem älteren Bruder Lukas, der im Trikot der LG Brandenkopf zu den erfolgreichsten deutschen Bergläufern zählt. Zwar studiert der 20-Jährige seit dem vergangenen Jahr an der Wingate University in North Carolina (USA), doch der Austausch zwischen den Geschwistern ist und bleibt eng. Das bislang schönste sportliche Erlebnis von Julia Ehrle: der gemeinsame Start der Geschwister in Annecy, der ihrer Familie einen ganzen Medaillensatz einbrachte – Lukas Ehrle errang bei seinem ersten Start in der Erwachsenenklasse je eine Silber- und Bronzemedaille. 

„Es war schon Wahnsinn, dass wir beide es dorthin geschafft haben. Und dann standen wir auch noch beide auf dem Podium! Das Gefühl kann man gar nicht beschreiben“, schwärmt Julia Ehrle. Was klingt wie ein sportliches Märchen, begann eigentlich eher zufällig. Denn eine leistungssportlich orientierte Familie sind die Ehrles nicht, die Laufbegeisterung der beiden Kinder ergab sich eher zufällig, resultierte aber aus dem Bewegungsdrang der gesamten Familie. 

Große Liebe zur Natur und Bewegung

„Von all unseren Verwandten laufen nur mein Bruder und ich“, erzählt Julia Ehrle, „aber unsere Eltern sind auch viel unterwegs.“ In ihrer Kindheit war die Familie meist ohne Auto unterwegs, sodass fast alle Strecken zu Fuß zurückgelegt wurden. Wenn die Eltern joggen gingen, begleiteten die beiden Kinder sie auf dem Fahrrad. „Irgendwann hat uns dann die Lust gepackt, selbst zu laufen.“ Die ersten Rennen, an die sie sich erinnern kann, bestritt sie beim Denzer Cup – eine Volkslaufserie im Schwarzwald-Baar-Kreis. 

In Villingen-Schwenningen, wo die Familie lebt, liegt auch die Liebe zu den Bergen nah: Die Stadtregion erstreckt sich über Höhenlagen von 600 bis knapp 1.000 Metern. So kommen die starken Leistungen im Berglauf nicht von ungefähr. Die Familie eint die Liebe zur Natur, zu den gemeinsamen Hobbys zählen neben Laufen Radfahren und Wandern.

Zwölf Jahre lang stellte Julia Ehrle ihr Bewegungstalent auch im Ballett unter Beweis. Im vergangenen Jahr musste sie dieses Hobby jedoch aufgrund ihres Stundenplans aufgeben. Die 17-Jährige besucht ein berufliches Gymnasium in Villingen-Schwenningen. „Das ist nicht ganz einfach, weil die Hochphase der Klausuren mit der Hochsaison vom Laufen kollidiert“, verrät sie. Da in Baden-Württemberg die Sommerferien erst Ende Juli beginnen, fallen die internationalen Meisterschaften nicht in die Ferienzeit. 

Enge Familienbande

Größte Unterstützung von Julia Ehrle ist in allen Lebensbereichen ihre Familie. Mutter Doris begleitet ihre Tochter zu fast allen Wettkämpfen, auch der Vater ist häufig mit dabei. Wenn es für Lukas Ehrle möglich ist, feuert auch er seine Schwester regelmäßig an. Gemeinsam mit der Mutter reiste er im Sommer in die Slowakei und dokumentierte den Erfolg seiner Schwester mit der Fotokamera. Sportliche Inspiration für beide Geschwister ist Marathon-Europameister Richard Ringer (LC Rehlingen), mit dem sie auch im brieflichen Kontakt stehen. Julia Ehrle betont aber: „Für mich ist und bleibt mein größtes Vorbild mein Bruder.“

Um die sportlichen Fortschritte der jungen Läuferin kümmern sich gleich zwei Trainer. Den Trainingsplan schreibt Jörg „Jack“ Müller, langjähriger Coach der Cross-Spezialistin Elena Burkard, die wie Julia Ehrle für die LG farbtex Nordschwarzwald startet. Ihre Einheiten absolviert die Nachwuchs-Athletin meist allein, einmal in der Woche trainiert sie in der Läufergruppe von Peter Kapitza, dem Lauftrainer der SG Schramberg, mit. Trainingslager fernab der Heimat hat sie bislang noch nicht gemacht. 

Dritte EM in diesem Jahr

Wie viele Kilometer sie in der Woche abspult, kann die 17-Jährige gar nicht genau beantworten: „Ich laufe ohne Uhr. Die Trainer wissen das, die haben ein Auge darauf.“ In den zwei Wochen bis zur Cross-EM stehen noch einige Einheiten an. Unter Druck setzen will sich die Zwölftklässlerin nicht, ihr erster Cross-EM-Start (zumal in der höheren Altersklasse) soll in erster Linie eine wertvolle Erfahrung und ein gelungener Abschluss eines traumhaften Jahres sein – und die Vielseitigkeit der jungen Athletin durch EM-Teilnahmen am Berg, auf der Bahn und im Gelände widerspiegeln. 

Ihre Ziele – weitere Teilnahmen an nationalen und internationalen Meisterschaften – sind bescheiden, wenngleich sie natürlich von einem zukünftigen Olympia-Start träumt. Die nächsten Glanzleistungen der Nachwuchsläuferin werden sicher nicht lang auf sich warten lassen. Denn immerhin läuft Julia Ehrle schon jetzt von Erfolg zu Erfolg.

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