Diskuswerferin Claudine Vita hat nach den Olympischen Spielen in Paris ihr Trainingsumfeld verändert. Seit vier Wochen lebt und trainiert die 28-Jährige in Potsdam. Vom Wechsel in die starke Trainingsgruppe von Bundestrainer Jörg Schulte erhofft sie sich neue Impulse für den neuen Olympiazyklus.
Für Claudine Vita ist vor vier Wochen ein Lebensabschnitt zu Ende gegangen. Nach 13 Jahren in Neubrandenburg ist die Diskuswerferin nach Potsdam gezogen. Dort hat sie sich der Trainingsgruppe von Bundestrainer Jörg Schulte angeschlossen. Bereits während der vergangenen Saison, die mit Platz sechs bei den Olympischen Spielen in Paris (Frankreich) ihren Höhepunkt fand, reifte der Gedanke an einen möglichen Tapetenwechsel. Nach der Saison wurden die Pläne konkreter.
„Ich hatte das Gefühl, dass ich mal etwas verändern muss, wenn ich die letzten paar Prozente zur absoluten Weltspitze noch herauskitzeln möchte“, begründet die 28-Jährige diesen Schritt. Nach vielen Jahren unter den Fittichen von Dieter Kollark, der sie seit ihrer Teenagerzeit im Sportinternat Neubrandenburg begleitet und zu Top-Platzierungen bei internationalen Meisterschaften geführt hatte, ist es nun Zeit für neue Reize. „Ich bin Herrn Kollark sehr dankbar, dass er, gerade als Rentner, so viel Zeit und Energie investiert hat“, betont Claudine Vita.
Der Zeitpunkt für einen Wechsel ist ideal: Den Bachelor-Abschluss in Pädagogik hat die zweimalige Olympia-Finalistin seit dem Winter in der Tasche. Und nach dem Supersportjahr 2024 eine Saison vor Augen, in der das Highlight mit der WM in Tokio (Japan) erst Mitte September wartet. Genug Zeit also, um sich für den neuen Olympiazyklus neu aufzustellen.
Trainingsgruppe auf Weltniveau
Potsdam als Ort für den Neuanfang zu wählen, war für die EM-Dritte von 2022 eine logische Entscheidung – aus mehreren Gründen. Den Ausschlag zum Wechsel gab vor allem die leistungsstarke Trainingsgruppe. Nachdem Claudine Vita in Neubrandenburg meist allein trainiert hatte, misst sie sich nun tagtäglich in gemeinsamen Einheiten mit der sechsmaligen Deutschen Meisterin Kristin Pudenz. „Wir haben einen guten Kontakt und verstehen uns super“, sagt Claudine Vita. „Der Gedanke war, dass wir beide von einer leistungsstarken Trainingspartnerin profitieren, mit der man sich gegenseitig pushen kann.“
Mit Clemens Prüfer (beide SC Potsdam) gehört auch der Deutsche Meister und Olympia-Sechste zu Jörg Schultes Schützlingen. „Eine Trainingsgruppe auf Weltniveau“, stellt Claudine Vita fest. Das zeige sich bereits nach wenigen Wochen im Training. Die 28-Jährige erinnert sich an eine CrossFit-Einheit, die sie mit ihren neuen Teamkollegen absolviert hat. „Wir haben das miteinander, nicht gegeneinander gemacht, sodass man immer vor Augen hatte: Ich will die anderen nicht hängen lassen, deshalb mache ich noch drei Versuche mehr. Ich habe festgestellt, dass man sich als Team noch besser motivieren kann.“
Derzeit liegt der Schwerpunkt vor allem auf einem ausführlichen allgemeinen Training, das in den vergangenen Jahren, auch aufgrund von Praktika oder Bundeswehr-Lehrgängen, manchmal zu kurz gekommen sei. „Damit wollen wir eine bessere Grundlage schaffen für das harte Krafttraining.“
Alte Routinen kombiniert mit neuen Impulsen
Die Ansätze ihres neuen Trainers Jörg Schulte sind Claudine Vita schon von gemeinsamen Trainingslagern vertraut. Auch wenn sie zurzeit die ungewohnt hohe Belastung spürt, ist sich das Duo einig: Es soll nicht alles umgeschmissen werden. „Wir werden nicht von heute auf morgen das gesamte Training umstellen, das bisher gut für mich funktioniert hat“, sagt die Diskuswerferin. „Ich weiß, dass Herr Schulte die Arbeit, die Herr Kollark mit mir geleistet hat, respektiert und wertschätzt.“ Ziel ist es nun, aus den gewohnten Routinen und neuen Impulsen neue Reize zu schaffen.
Dafür will sich die 28-Jährige Zeit nehmen. „Wir stehen erst am Anfang des Olympiazyklus. Im ersten Jahr soll der Schwerpunkt darauf liegen, sich in der neuen Situation einzufinden.“ Dabei hilft ihr, dass sie mit dem Umzug nun wieder in unmittelbarer Nähe ihrer Familie in Berlin lebt. „In den letzten Jahren gab es eigentlich nur den Sport. Ich muss für mich aber auch einen Ausgleich finden. Ich habe gemerkt, dass es wichtig ist zu wissen, dass ich auch abseits des Sports existiere.“ Der enge Kontakt zur Familie tut gut und bringt sie auf andere Gedanken.
Los Angeles schon im Visier
Ob Claudine Vita im kommenden Frühjahr, etwa beim alljährlichen Diskuswurf-Duell im Rahmen des ISTAF Indoor, oder bei Winterwurf-Veranstaltungen, in den Ring steigt, steht noch nicht fest. „Natürlich würde ich gern beim ISTAF Indoor starten, weil das schon mal eine erste Standortbestimmung ist“, sagt sie, aber man müsse abwarten, wie ihr Körper auf die neuen Reize reagiert.
Im Fokus stehen ohnehin die langfristigen Ziele: die WM 2025 in Tokio (Japan; 13. bis 21. September) und die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles (USA). Mit 28 Jahren hat die amtierende Olympia-Sechste noch einige Werferjahre vor sich. Im besten Fall könnte sie gemeinsam mit Trainingskollegin Kristin Pudenz in Los Angeles um die Medaillen mitwerfen.
Bei all den Veränderungen bleibt eines allerdings gleich: Mindestens für ein weiteres Jahr wird Claudine Vita das Trikot des SC Neubrandenburg tragen, die Gespräche wurden in der vergangenen Woche abgeschlossen. „Ich bin froh darüber, weil aufgrund der langen Zeit eine Verbundenheit zu Neubrandenburg besteht“, sagt die Diskuswerferin. „Das ist das Mindeste, was ich an Dankbarkeit und Wertschätzung, auch für Herrn Kollark, zum Ausdruck bringen kann.“