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Paris 2024 | Die große Olympia-Vorschau auf die Entscheidungen der Frauen I

© Stefan Mayer
Mit dem 20 Kilometer Gehen beginnen am 1. August die Leichtathletik-Wettbewerbe der Olympischen Spiele 2024 in Paris (Frankreich). Insgesamt 48 Goldmedaillen werden in der olympischen Kernsportart Nummer eins vergeben, darunter zwei in Mixed-Wettbewerben. Wir blicken voraus auf alle Entscheidungen. Heute im Fokus: Die Sprint-, Lauf- und Geh-Wettbewerbe der Frauen.
Jan-Henner Reitze

Paris 2024


100 Meter

Vormacht Jamaikas wackelt

Vor 16 Jahren bei den Spielen in Peking (China) war es eine kleine Sensation, dass mit Shelly-Ann Fraser-Pryce über 100 Meter erstmals eine Jamaikanerin ganz oben auf dem olympischen Sprinttreppchen stand und neben ihr mit Sherone Simpson und Kerron Stewart gleich noch zwei ihrer Landsfrauen. Gleichzeitig war es der Beginn einer Siegesserie. Auch 2012 in London (Großbritannien), 2016 in Rio de Janeiro (Brasilien) und 2021 in Tokio (Japan) kam die Sprintkönigin aus Jamaika. Zuletzt gelang sogar wieder ein Sweep, bei dem Shelly-Ann Fraser-Pryce Silber hinter Elaine Thompson-Herah und vor Shericka Jackson gewann.

Doch der jamaikanische Thron wackelt. Titelverteidigerin Elaine Thompson-Herah ist wegen einer Achillessehnen-Verletzung nicht am Start, Shericka Jackson fiel in diesem Sommer bisher durch eher schwankende Form auf, und Shelly-Ann Fraser-Pryce ist mittlerweile 37 Jahre alt. In Paris möchte sie den Schlusspunkt ihrer erfolgreichen Karriere setzen. Eine Medaille ist durchaus möglich. Bei den jamaikanischen Trials belegte die zehnmalige Weltmeisterin in 10,93 Sekunden Rang drei. Es siegte Shericka Jackson, dort mit ihrem bisher besten Saisonrennen (10,84 sec) vor der erst 19-Jährigen Tia Clayton (10,90 sec), die aber erst noch zeigen muss, ob sie in die Fußstapfen ihrer Team-Kolleginnen treten kann.

Der Titel der Olympiasiegerin könnte wieder in die USA zurückgehen. Bei der WM im vergangenen Jahr war es noch überraschend, dass Sha'Carri Richardson allen davonlief, auch als es drauf ankam. In diesem Sommer hat die 24-Jährige ihre Form bestätigt und führt mit 10,71 Sekunden die Weltjahresbestenliste an. Dieses Rennen lieferte die Weltmeisterin in der Drucksituation der US-Trials ab, bei denen sich Melissa Jefferson (10,80 sec) und Twanisha Terry (10,89 sec) ebenfalls ihre Startplätze sicherten. Um die Medaillen mitkämpfen möchte auch Hallen-Weltmeisterin Julien Alfred (St. Lucia), die in Monaco bei 1,0 m/sec Gegenwind in 10,85 Sekunden unter anderem Europameisterin Dina Asher-Smith (Großbritannien; 10,99 sec) hinter sich ließ.

Insgesamt 15 gemeldete Athletinnen haben in der laufenden Saison die Elf-Sekunden-Marke schon unterboten. Wenn sie eine Chance auf den Finaleinzug haben möchte, dürfte DLV-Hoffnungsträgerin Gina Lückenkemper (SCC Berlin) also in Richtung ihrer Bestzeit (10,95 sec) sprinten müssen. Wegen einer Corona-Infektion lief die Vorbereitung allerdings nicht optimal. Zum Beispiel bei ihrem EM-Triumph in München hat die Deutsche Meisterin aber schon gezeigt, dass sie auch ohne beste Vorzeichen eine Rakete zünden kann. Für Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar) geht es zunächst darum, sich im Vorlauf möglichst teuer zu verkaufen und wieder an ihre besten Saisonzeiten heranzusprinten, die die Chance auf Runde zwei eröffnen.

Titelverteidigerin: Elaine Thompson-Herah (Jamaika; 10,61 sec)
Weltjahresbeste: Sha'Carri Richardson (USA; 10,71 sec)
DLV-Teilnehmerinnen: Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar), Gina Lückenkemper (SCC Berlin)
 


200 Meter

Favoritin mit Fragezeichen

Weltmeisterin 2022 in 21,45 Sekunden, Weltmeisterin 2023 in 21,41 Sekunden. Diese Serie würde Shericka Jackson nur zu gern mit olympischem Gold fortsetzen, das sie bisher schon mit der Staffel, aber noch nicht im Einzel gewonnen hat. Seitdem sich die 30-Jährige von den 400 Metern zu den 100 und 200 Metern orientiert hat, sammelt sie Medaillen am laufenden Band. Allerdings läuft es bei der erfahrenen Athletin in diesem Jahr nicht rund. Die 22-Sekunden-Marke ist noch nicht gefallen, und nach knapp zwei Jahren ohne Niederlage musste sich die Weltmeisterin beim Diamond League-Meeting in Stockholm (Schweden) erstmals wieder geschlagen geben, wurde sogar nur Fünfte.

Das Rennen dort gewann Brittany Brown. Sie ist eine der US-Amerikanerinnen, die über 200 Meter Olympia-Gold zurück in die Vereinigten Staaten holen möchte. Die 29-Jährige ergatterte bei den US-Trails in 21,90 Sekunden als Zweite ihren Startplatz. Noch schneller war dort nur die Nummer eins der Welt in diesem Jahr Gabby Thomas (21,78 sec), die über diese Distanz schon eine olympische Bronzemedaille und im vergangenen Jahr WM-Silber gewonnen hat. Sie ist damit erste Kandidatin für Gold, wenn Shericka Jackson nicht doch noch auf den Punkt fit wird. Für die dritte US-Amerikanerin McKenzie Long wird der Auftritt in Paris eine Premiere auf der ganz großen Bühne.

Wie über 100 Meter zählt Julien Alfred auch über die doppelte Distanz zu den Anwärterinnen auf Edelmetall. Für Dina Asher-Smith stehen die Chancen auf dieser Strecke besser als über 100 Meter. Die sechsmalige Europameisterin hat bei der WM 2019 gezeigt, dass sie über 200 Meter auch auf Weltebene ganz oben stehen kann. Europameisterin Mujinga Kambundji (Schweiz) hat bei ihrer erfolgreichen Titelverteidigung in Rom (Italien) angedeutet, dass sie wieder auf dem Weg zu ihrer Bestform und damit eine Finalkandidatin ist. DLV-Athletinnen sind nicht am Start

Titelverteidigerin: Elaine Thompson-Herah (Jamaika; 21,53 sec)
Weltjahresbeste: Gabby Thomas (USA; 21,78 sec)
DLV-Teilnehmerinnen: keine
 


400 Meter

Aus dem Hattrick wird wohl nichts – Nachfolgerin gesucht

Als erste Athletin der Geschichte dreimal nacheinander Olympia-Gold über 400 Meter gewinnen. Dieser Traum von Shaunae Miller-Uibo (Bahamas) wird wohl nicht in Erfüllung gehen. Die 30-Jährige zog sich nach starken Rennen bei der Staffel-WM eine Verletzung zu und absolvierte in 53,02 Sekunden in diesem Sommer bisher erst ein Einzelrennen. An ihrem Startplatz in Paris hielt die Titelverteidigerin allerdings fest.

Anders als auf den kürzeren Sprintstrecken, wo jamaikanische Siegesserien zu reißen drohen, könnte in Paris über 400 Meter erstmals eine Jamaikanerin Gold gewinnen. Nickisha Pryce stürmte beim Diamond League-Meeting in London in 48,57 Sekunden in die Rolle der Favoritin. Schon vorher bei ihrem Sieg bei den NCAA Championships (48,89 sec) war sie erstmals unter 49 Sekunden geblieben. Vor der laufenden Saison stand ihre Bestzeit noch bei 50,21 Sekunden. Bleibt die Frage, ob die Aufsteigerin ihr neues Niveau auch auf der olympischen Bühne abrufen kann.

Mehr Erfahrung und ebenfalls Bestzeiten unter 49 Sekunden bringen Weltmeisterin Marileidy Paulino (Dominikanische Republik) und Europameisterin Natalia Kaczmarek (Polen) mit. Mit der Irin Rhasidat Adeleke möchte eine weitere Europäerin ins Rennen um die Medaillen eingreifen. Wie schon in Tokio könnte wieder eine Zeit unter 50 Sekunden nötig sein, um das Finale zu erreichen.

Titelverteidigerin: Shaunae Miller Uibo (Bahamas; 48,36 sec)
Weltjahresbeste: Nickisha Pryce (Jamaika; 4,57 sec
DLV-Teilnehmerinnen: keine
 


800 Meter

Reif für den Olympia-Thron

In Europa ist sie mit gerade einmal 22 Jahren schon die unangefochtene Nummer eins, auf Weltebene hat Keely Hodgkinson in den vergangenen drei Jahren dreimal Silber gewonnen: Bei Olympia in Tokio sowie den Weltmeisterschaften in Eugene (USA) und Budapest (Ungarn). Geschlagen geben musste sich die Britin dabei entweder der US-Amerikanerin Athing Mu oder der Kenianerin Mary Moraa. Eine dieser Dauer-Konkurrentinnen ist in Paris nicht am Start: Die Träume des erneuten Olympia-Golds von Athing Mu fielen dem US-amerikanischen Trials-System zum Opfer. Als im Finale der US-Meisterschaften die Olympiastartplätze vergeben wurden, geriet die 22-Jährige zu Fall. Aus der Traum. Die Olympiasiegerin kam abgeschlagen als letzte Athletin des Rennens ins Ziel.

Im Gegensatz dazu konnte Keely Hodgkinson Selbstvertrauen tanken. Sie ist in diesem Sommer ungeschlagen und steigerte ihre Bestzeit zuletzt beim Diamond League-Meeting in London auf 1:54,61 Minuten. Das bedeutete nicht nur Landesrekord, in der Geschichte der 800 Meter waren jemals nur fünf Athletinnen schneller. Mary Moraa rangiert in dieser Liste mit ihrer Bestzeit von 1:56,03 Minuten „nur“ auf Rang 34. Auch das bisher einzige direkte Duell der Beiden beim Diamond League-Meeting in Eugene (USA) entschied die Britin (1:55,78 min) klar vor der Kenianerin (1:56,71 min) für sich. Die Briten dürfen also auf das erste Gold in dieser Disziplin seit Kelly Homes 2004 hoffen.

Mit Jemma Reekie und der erst 17-jährigen Phoebe Gill wollen sich zwei weitere Britinnen in den Kampf um Edelmetall einschalten. Eine Reihe weiterer Athletinnen ist schon unter der Marke von 1:58,00 Minuten geblieben. Zum Beispiel die Französin Renelle Lamote steigerte sich auf 1:57,06 Minuten. Das Heim-Publikum wird versuchen, sie zu einer noch schnelleren Zeit zu tragen.

Bei ihrer starken Vorstellung bei der EM in Rom sicherte sich Majtie Kolberg (LG Kreis Ahrweiler) ihren Olympia-Start. Wenn sie auch in Paris auf den Punkt fit ist, winkt das Halbfinale.

Titelverteidigerin: Athing Mu (USA; 1:55,21 min)
Weltjahresbeste: Keely Hodgkinson (Großbritannien; 1:54,61 min)
DLV-Teilnehmerinnen: Majtie Kolberg (LG Kreis Ahrweiler)
 


1.500 Meter

Konkurrenz holt auf

Mit zwei Olympiasiegen in Folge über 1.500 Meter gehört Faith Kipyegon (Kenia) zu den ganz großen Mittelstrecklerinnen. Zuletzt hat die inzwischen 30-Jährige ihr Repertoire noch um die 5.000 Meter erweitert. Das tat den Erfolgen über die kürzere Strecke keinen Abbruch, im Gegenteil. Die fünfmalige Weltmeisterin holte sich über 1.500 Meter auch noch den Weltrekord, blieb als erste Frau unter der Marke von 3:50 Minuten und steigerte sich Anfang Juli beim Diamond League-Meeting auf der Olympiabahn von Paris sogar noch auf 3:49,04 Minuten. Wer soll also verhindern, dass die Seriensiegerin als erste Frau in der Geschichte zum dritten Mal in Folge Olympia-Gold im gleichen Bahn-Event holt?

Ganz so unangefochten wie in den vergangenen Jahren rangiert Faith Kipyegon in diesem Sommer allerdings nicht mehr an der Spitze der Welt. Gudaf Tsegay (Äthiopien) setzte sich früh in der Saison beim Diamond League-Meeting in Xiamen (China) in rasanten 3:50,30 Minuten auf Rang drei der ewigen Bestenliste. Beide Athletinnen wollen in Paris vor den 1.500 Metern auch um Gold über 5.000 Meter kämpfen.

Im Weltrekord-Rennen von Paris kam die Australierin Jessica Hull in 3:50,83 Minuten als Zweite ins Ziel. Damit belegt sie in der Geschichte der 1.500 Meter den fünften Platz. Eine Olympia-Medaille für eine Australierin hat es in dieser Disziplin noch nie gegeben. Das möchte sie ändern. Allerdings reisen zahlreiche weitere Konkurrentinnen mit gerade gesteigerten Bestzeiten an. Dazu zählt auch die Olympia-Zweite von Tokio Laura Muir (Großbritannien), die ihren Landesrekord auf 3:53,79 Minuten verbessert hat. Noch etwas schneller waren in ihrer Karriere die weiteren Äthiopierinnen Birke Haylom (3:53,22 min) und Diribe Welteji (3:52,75 min). Sifan Hassan (Niederlande) hat gerade über 1.500 Meter in diesem Sommer noch nicht überzeugt, aber eine Startoption.

Als Nachrückerin über das World Ranking hat sich Neele Weßel (TV Waldstraße Wiesbaden) ihren Startplatz gesichert. Die Olympia-Teilnahme ist der Lohn für eine stetige Entwicklung, der Olympia-Vorlauf die Chance, auf ganz großer Bühne ihre Bestzeit von 4:04,24 Minuten weiter nach unten zu schrauben.

Titelverteidigerin: Faith Kipyegon (Kenia; 3:53,11 min)
Weltjahresbeste: Faith Kipyegon (3:49,04 min)
DLV-Teilnehmerinnen: Nele Weßel (TV Waldstraße Wiesbaden)
 


5.000 Meter

Schnelles Rennen oder Taktik?

Über 1.500 Meter ist Gudaf Tsegay in der Rolle der Herausforderin von Faith Kipyegon. Über 5.000 Meter stehen die Vorzeichen etwas anders. Hier hat die Äthiopierin (14:00,21 min) der Kenianerin (14:05,20 min) am Ende der vergangenen Saison den Weltrekord wieder abgenommen. Bei der WM hatte allerdings niemand dem starken Schlussspurt von Faith Kipyegon etwas entgegenzusetzen. Gudaf Tsegay wurde in Budapest sogar nur 13. und könnte gewarnt sein, dass sie bei einem langsamen Tempo leer auszugehen droht.

Hinzu kommt auf dieser Strecke auch die drittschnellste Frau der Geschichte Beatrice Chebet (Kenia), die gleichzeitig den Weltrekord über 10.000 Meter hält. Alle Drei haben auf den 5.000 Metern in diesem Sommer noch nicht gezeigt, zu welcher Leistung sie im Stande sind. Ein noch größeres Fragezeichen steht hinter der Form von Sifan Hassan, die in Tokio Gold gewonnen hatte. Die Niederländerin hat in Paris die Option für gleich vier Strecken. Aus dem Schatten dieser großen Namen könnten die weiteren Äthiopierinnen Medina Eisa und  Ejgayehu Taye sowie die dritte kenianische Athletin Margaret Chelimo ganz groß ins Rampenlicht treten.

20 Jahren nach Irina Mikitenko könnte mit Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen) wieder eine DLV-Athletin ins Finale einziehen. Die Hallen-Europameisterin ist in diesem Sommer schon zweimal unter der Marke von 15 Minuten geblieben und damit hoffentlich zum Saison-Höhepunkt auch wieder dazu in der Lage, ihre zwei Jahre alte Bestzeit (14:51,71 min) anzugreifen. Im Vorlauf könnten ihr als einstiger 1.500-Meter-Spezialistin auch ihre Spurtqualitäten zu Gute kommen.

Titelverteidigerin: Sifan Hassan (Niederlande; 14:36,79 min
Weltjahresbeste: Tsige Gebreselama (Äthiopien; 14:18,76 min)
DLV-Teilnehmerinnen: Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen)
 


10.000 Meter

Kenia, Äthiopien und eine Unbekannte

Läuft sie, läuft sie nicht? Diese Frage zieht sich durch den Ausblick auf die Langstrecken der Frauen. Titelverteidigerin Sifan Hassan hat noch nicht bekanntgegeben, ob sie die 10.000 Meter in Angriff nimmt. Die wären nur zwei Tage vor ihrem ebenfalls möglichen Marathon-Start. Selbst wenn die Niederländerin ins Rennen geht, bleibt ihre Form eine Unbekannte für die Konkurrenz.

Die besteht vor allem aus Athletinnen aus Kenia und Äthiopien. Mit ihrem Weltrekordlauf in Eugene (USA) hat sich die Kenianerin Beatrice Chebet in die Favoriten-Position gebracht. Auf der Bahn hat sie außerdem schon Silber und Bronze über 5.000 Meter auf dem Konto. Über diese Strecke könnte vor ihrem Start über die doppelte Distanz auch schon eine Olympia-Medaille dazugekommen sein. Denn auch Beatrice Chebet hat sich für einen Doppelstart in Paris qualifiziert.

Zeiten unter 30 Minuten gehören auch für die weiteren Kenianerinnen Lilian Kasait Rengeruk und Margaret Chelimo Kipkemboi, sowie die Äthiopierinnen Fotyen Tesfay und Tsigie Gebreselama zum Repertoire. Wenn es in diese Richtung geht, wird es für die weiteren Athletinnen schwer zu folgen. Die äthiopische Weltmeisterin Gudaf Tsegay verzichtet auf einen Start über die längste Strecke im Stadion, dafür rückte Aynadis Mebratu ins Feld.

Titelverteidigerin: Sifan Hassan (Niederlande; 29:55,32 min)
Weltjahresbeste: Beatrice Chebet (Kenia; 28:54,14 min
DLV-Teilnehmerinnen: keine
 


Marathon

Weltrekordlerin gegen Weltmeisterin gegen Titelverteidigerin

Ein Meisterschaftsrennen im Marathon zu gewinnen, ist etwas anderes als bei einem der großen Städte-Marathons, wo für schnelle Zeiten meist auf eine möglichst flache Strecke geachtet wird. Gerade der profilreiche Marathon-Kurs in Paris ist für Überraschungen gut, und dennoch kommen auch diesmal die Favoritinnen wieder aus den Lauf-Nationen Kenia und Äthopien, die die zurückliegenden drei Olympiasiege unter sich ausgemacht haben.

Keine Geringere als Weltrekordlerin Tigist Assefa (Äthiopien) möchte auch den olympischen Thron erklimmen. An einem Meisterschaftsrennen hat die 27-Jährige allerdings zuletzt bei Olympia 2016 im Vorlauf über 800 Meter teilgenommen. Als amtierende Weltmeisterin geht Amane Beriso an den Start. Megertu Alemu fehlt dagegen noch ein großer Titel, sie ist allerdings schon in fünf ihrer Rennen unter 2:20 Stunden geblieben.

Große Namen hat auch Kenia aufgestellt. Peres Jepchirchir geht als Olympiasiegerin von Tokio ins Rennen, bringt jahrelange Erfahrung auf der Marathon-Distanz mit und hat auch schon die großen Städte-Marathons in London, New York oder Boston für sich entschieden. Hellen Obiri hat auf der Bahn schon zweimal olympisches Silber über 5.000 Meter. Der größte Erfolg von Brigid Kosgei ist bisher Olympia-Silber von Tokio, außerdem ist sie die viertschnellste Frau der Geschichte.

Wie auf allen anderen Langstrecken ist Sifan Hassan auch im Marathon gemeldet, hier gilt ein Start der Niederländerin als eher wahrscheinlich, da sie sich zuletzt in Richtung der Straßen-Rennen orientiert hatte. Wenn sie am Start steht, läuft sie um die Medaillen mit.

Das DLV-Trio Melat Kejeta (Laufteam Kassel), Domenika Mayer (LG Telis Finanz Regensburg) und Laura Hottenrott (PSV Grün-Weiß Kassel) möchte sich möglichst weit vorne platzieren. Melat Kejeta hat bei ihrem WM-Silber über die Halbmarathon-Distanz 2020 bewiesen, dass Überraschungen möglich sind. 2021 belegte sie Olympia-Rang sechs, bei der WM im vergangenen Jahr Platz elf. Mit starken Rennen in diesem Jahr überzeugte Domenika Mayer. Laura Hottenrott hat dagegen 2024 noch keinen Wettkampf absolviert und sich langfristig auf Paris vorbereitet. Den beiden Letztgenannten könnte die profilierte Strecke auch aufgrund ihrer Qualitäten im Berglauf liegen.

Titelverteidigerin: Peres Jepchirchir (Kenia; 2:27:20 h)
Weltjahresbeste: Sutume Asefa (Äthiopien; 2:15:55 h)
DLV-Teilnehmerinnen: Laura Hottenrott (PSV Grün-Weiß Kassel), Domenika Mayer (LG Telis Finanz Regensburg), Melat Kejeta (Laufteam Kassel)
 


100 Meter Hürden

Aufsteigerinnen vs. Titelträgerinnen

Noch nie ist es einer Hürdensprinterin gelungen, ihren Olympiasieg zu wiederholen. Und auch bei Weltmeisterschaften ist der Titel über 100 Meter Hürden regelrecht ein Wanderpokal. In Paris treffen zahlreiche Athletinnen aufeinander, die schon einmal global ganz oben standen, aber auch schon die Tücken der Disziplin zu spüren beamen. Ein kleiner Fehler kann das Rennen und den Traum von Edelmetall zunichte machen.

Im großen Feld der Medaillen-Kandidaten ist Danielle Williams (Jamaika) die Einzige, die schon zwei große Freiluft-Titel ihr Eigen nennt. Sie gewann 2015 in Peking (China) und im vergangenen Jahr in Budapest WM-Gold. Eine Olympia-Medaille fehlt der 31-Jährigen noch. Dass es in dieser Disziplin nicht unmöglich ist, einen Olympiasieg zu wiederholen, möchte Jasmine Camacho-Quinn (Puerto Rico) beweisen. Noch etwas von ihrer Weltrekord-Form von 2022 entfernt ist die Nigerianerin Tobi Amusan, die mit ihren 12,12 Sekunden auch Weltmeisterin geworden war.

Dieses schon mit globalen Titeln ausgestatte Trio bekommt es mit einer ganzen Reihe von Athletinnen zu tun, die in diesem Jahr erstmals die 12,50-Sekunden-Marke unterboten haben. Allen voran US-Meisterin Masai Russell, die bei ihrem Trials-Sieg zu 12,25 Sekunden stürmte, gefolgt von den zeitgleichen Alaysha Johnson und Grace Stark (beide 12,31 sec). Das Trio muss aber noch beweisen, ob dieses Niveau auch auf der olympischen Bühne für sie möglich ist. Das gilt auch für die WM-Fünfte Ackera Nugent, die sich bei den jamaikanischen Meisterschaften auf 12,28 Sekunden steigerte.

Und auch Europa mischt auf diesem Niveau mit: Die Französin Cyréna Samba-Mayela ist bei 12,31 Sekunden angekommen, die Niederländerin Nadine Visser bei 12,36 Sekunden, die Polin Pia Skrzyszowska bei 12,37 Sekunden und die Schweizerin Ditaji Kambundji bei 12,40 Sekunden.

Titelverteidigerin: Jasmine Camacho-Quinn (Puerto Rico; 12,37 sec)
Weltjahresbeste: Masai Russell (USA; 12,25 sec)
DLV-Teilnehmerinnen: keine
 


400 Meter Hürden

Zwei vom anderen Stern   

Femke Bol gehört zu den aktuellen Topstars der Szene. Die Niederländerin ist der europäischen Konkurrenz deutlich voraus. Unterm Hallendach hat sie sogar mehrfach den mehr als 30 Jahre alten Weltrekord über 400 Meter verbessert. Da ist es fast unglaublich, dass über 400 Meter Hürden mit Sydney McLaughlin-Levrone (USA) eine Athletin bisher sogar noch stärker war. Beide sind über die Langhürden in neue Sphären vorgedrungen. Das letzte direkte Aufeinandertreffen entschied die Weltrekordlerin bei der WM 2022 (50,68 sec) noch klar vor der Europarekordlerin (52,27 sec) für sich.

Während sich Sydney McLaughlin-Levrone seitdem eher rar gemacht hat, arbeitete sich Femke Bol Stück für Stück an das Niveau ihrer US-Kontrahentin heran, die ihren Weltrekord in diesem Sommer allerdings erneut auf 50,65 Sekunden steigern konnte. Die Niederländerin ist inzwischen bei 50,95 Sekunden angekommen. Das Olympia-Finale wird auf jeden Fall ein Moment, in dem alle Leichtathletik-Fans den Atem anhalten werden. Treiben sich die beiden Ausnahme-Erscheinungen noch einmal in eine neue Dimension? Wer entscheidet das Duell der Gigantinnen für sich?

Für die weiteren Teilnehmerinnen scheint es nur noch um Bronze zu gehen – ein Respektsabstand ist zu erwarten. Die Jamaikanerin Rushell Clayton steht mit 52,51 Sekunden auf Rang drei der Meldeliste. Auch die beiden weiteren US-Starterinnen Anna Cockrell und Jasmine Jones sind schon unter 53 Sekunden geblieben.

DLV-Athletin Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen) hat nach Jahren der kontinuierlichen Entwicklung leider ausgerechnet im Olympia-Sommer mit Achillessehnen-Problemen zu kämpfen. Deshalb konnte sie erst drei Saisonrennen beenden und noch nicht an ihre Bestzeit (54,32 sec) herankommen. Zuversichtlich stimmt, dass die 29-Jährige bisher bei jedem Groß-Event auf den Punkt fit war.

Titelverteidigerin: Sydney McLaughlin-Levrone (USA; 51,46 sec)
Weltjahresbeste: Sydney McLaughlin-Levrone (USA; 50,56 sec)
DLV-Teilnehmerinnen: Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen)
 


3.000 Meter Hindernis

DLV-Trio mit Finalchancen

Mit Lea Meyer (TSV Bayer 04 Leverkusen), Gesa Felicitas Krause und Olivia Gürth (beide Silvesterlauf Trier) kann der DLV gleich drei Athletinnen in die Vorläufe schicken, die Chancen auf den Finaleinzug haben. Das haben die Drei gemeinsam, sie stehen allerdings an sehr unterschiedlichen Punkten ihrer Karriere.

Nach ihrer Babypause hat sich Gesa Felicitas Krause eindrucksvoll zurückmeldet, mit Olympia-Norm zum Saison-Einstieg (9:16,24 min) und EM-Silber. Die 31-Jährige möchte eine beeindruckende Serie fortsetzen: Dreimal in Folge stand sie schon im Olympiafinale und belegte dort die Ränge sieben (2012), sechs (2016) und fünf (2021). Das hohe internationale Niveau lässt erwarten, dass für eine Medaille eine Zeit unter neun Minuten nötig wird. So scheint es vermessen, von ihr die logische Fortsetzung der Reihe oder sogar den Sprung aufs Podest zu erwarten. Die zweimalige Europameisterin hat sich selbst allerdings nie Grenzen gesetzt und wird wieder alles in die Waagschale werfen, um auch mit der Konkurrenz aus Afrika mitzuhalten.

Lea Meyer preschte 2022 mit ihrem EM-Silber überraschend in die internationale Spitze. Mit starken Zeiten bewies sie mehrfach, dass dies kein Zufall war. Bei großen Meisterschaften gelang es ihr bisher aber nicht wieder, auf den Punkt topfit zu sein. Das soll sich in Paris ändern. Dass die Bahn dort ein gutes Pflaster für sie ist, bewies die 26-Jährige schon Anfang Juli beim Diamond League-Meeting an gleicher Stelle mit Saisonbestzeit von 9:15,48 Minuten. Die Aufsteigerin des vergangenen Jahres Olivia Gürth steht vor ihrer Olympia-Premiere und hat bei ihrem ersten DM-Titel in Braunschweig ihre beiden nationalen Kontrahentinnen hinter sich lassen können. Bei ihrem WM-Debüt im vergangenen Jahr erreichte die 22-Jährige gleich das Finale.

Im Endlauf ist von einer Tempohatz bis zu einem taktischen Rennen alles möglich. Ihren Gegnerinnen früh zu enteilen versuchen könnte Weltrekordlerin Beatrice Chepkoech (Kenia), die sich in diesem Jahr mit zwei Rennen unter neun Minuten wieder in starker Form präsentiert hat. Noch etwas schneller war schon die Olympiasiegerin von Tokio Peruth Chemutai (Uganda) unterwegs. Zu den ersten Anwärterinnen auf eine Medaille gehört auch Weltmeisterin Winfred Yavi (Bahrain). Europameisterin Alice Finot (Frankreich) steigerte ihren Landesrekord im Vorfeld der Spiele vor ihrem Heimpublikum auf 9:05,01 Minuten. Noch schneller war bereits die US-Amerikanerin Valerie Constien (9:03,22 min).

Titelverteidigerin: Peruth Chemutai (Uganda; 9:01,45 min)
Weltjahresbeste: Peruth Chemutai (Uganda; 8:55,09 min)
DLV-Teilnehmerinnen: Olivia Gürth (Silvesterlauf Trier), Gesa Felicitas Krause (Silvesterlauf Trier), Lea Meyer (TSV Bayer 04 Leverkusen)
 


20 Kilometer Gehen

Medaillensammlerinnen unter sich

Es ist eine Menge Erfahrung mit großen Wettkämpfen, die im Geh-Wettbewerb der Frauen aufeinander trifft. Die Olympiasiegerin von Tokio Antonella Palmisano (Italien; SB 1:27:27 h) hat mit ihrem EM-Gold vor Heimpublikum in Rom gezeigt, dass sie auch in diesem Sommer in Form ist. Nach einer Operation zurück ist Maria Perez (Spanien). Die Doppel-Weltmeisterin von Budapest, wo neben den 20 Kilometern auch die 35 Kilometer ausgetragen wurden, hat sich als Siebte (1:27:43 h) in La Coruna (Spanien) zurückgemeldet. 2022 war der doppelte WM-Coup Kimberly García (SB: 1:26:41 h) aus Peru gelungen, der wie der Spanierin noch eine Olympia-Medaille fehlt.

Schon im Besitz eines kompletten olympischen Medaillensatzes ist die Chinesin Liu Hong (SB 1:26:47 h). Gold gab es 2016, Silber 2012 und zuletzt 2021 Bronze. Die 37-Jährige hat außerdem nicht weniger als vier WM-Titel auf ihrem Konto. Und auch die Leistungen in diesem Jahr lassen sie hoffen, dass die Medaillensammlung noch erweitert wird. Von ihren vier Rennen in diesem Sommer, alle mit Zeiten um 1:27:00 Stunden, konnte die erfahrene Athletin allerdings nur eins gewinnen. Geschlagen geben musste sie sich unter anderem ihren Landsfrauen Ma Zhenxia (SB: 1:26:07 h) und Yang Jiayu (SB: 1:26:07 h), der Weltmeisterin von 2017. Einen olympischen Sweep schafften die Geherinnen aus China zuletzt im Jahr 2012.

Ihrer Bestform wieder näher kommen möchte DLV-Teilnehmerin Saskia Feige (SC Potsdam), die sich krankheits- und verletzungsbedingt zunächst nicht optimal auf die Saison vorbereiten konnte. Bei den kontinentalen Titelkämpfen in Rom erreichte die EM-Dritte von 2022 Rang 18, dort stellte sie in 1:33:57 Stunden auch ihre Saisonbestleistung auf. Zuletzt lief das Training der vielfachen Deutschen Meisterin aber wieder ohne Einschränkungen. Und so dürfte diese Marke zum Saison-Höhepunkt nicht der Maßstab sein, sondern vielmehr wieder ein Rennen in Richtung der 1:30-Stunden-Marke, die sie in ihrer Karriere schon dreimal unterbieten konnte.

Titelverteidigerin: Antonella Palmisano (Italien; 1:29:12 h)
Weltjahresbeste: Ma Zhenxia (China; 1:26:07 h)
DLV-Teilnehmerinnen: Saskia Feige (SC DHfK Leipzig)
 

Paris 2024

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