| Interview

Malaika Mihambo: „Ich möchte die Leichtigkeit in den Vordergrund stellen“

© Gladys Chai von der Laage
Nachdem sie im vergangenen Sommer verletzungsbedingt die Weltmeisterschaften in Budapest (Ungarn) verpasste, ist Malaika Mihambo nun wieder zurück im Weitsprung-Geschäft. Nach einer kurzen Hallensaison feilte die Olympiasiegerin in zwei Trainingslagern noch einmal an ihrer Form. Wir haben mit ihr gesprochen – über die Entwicklung im deutschen Weitsprung, ihre Vorbildrolle und den Wert von inneren Meisterschaften.
Svenja Sapper

Malaika Mihambo, die Freiluftsaison hat begonnen und Sie haben die ersten Wettkämpfe im Sprint und Weitsprung absolviert. Wie zufrieden sind Sie mit dem Auftakt?

Malaika Mihambo:
Ich bin sehr positiv überrascht! Obwohl wir im Training noch keinen Schwerpunkt auf maximale Geschwindigkeit gesetzt haben, konnte ich direkt wieder an meine Schnelligkeit aus der Hallensaison anknüpfen. Dass das jetzt schon so gut läuft, freut mich sehr, ich als Geschwindigkeitsspringerin lebe von meiner Schnelligkeit. Daher sind die Weichen für einen guten Sommer gestellt.

Hinter Ihnen liegt eine Trainingsphase, die direkt nach der für Sie kurzen Hallensaison begonnen hat. Worauf haben Sie in dieser Phase mit Ihrem Trainer Ulli Knapp besonderen Wert gelegt?

Malaika Mihambo:
Im Trainingsblock von März bis Ende April ging es vor allem darum, zu den Grundlagen zurückzukommen. Ich habe im Allgäu, in Balderschwang, ein wirkliches, richtiges Grundlagen-Trainingslager gemacht, dann sind wir immer spezifischer geworden. Der Höhepunkt war Mitte, Ende April das Trainingslager in Belek.

Sie arbeiten jetzt seit rund vier Jahren mit Ulli Knapp zusammen, mit dem Sie neben dem Sport auch die Liebe zur Musik verbindet. Was zeichnet Ihren Trainer aus – sowohl als Coach als auch als Mensch?

Malaika Mihambo:
Als Trainer zeichnet ihn aus, dass er immer den Menschen im Blick behält. Er stellt sich nicht über die Athleten, sondern arbeitet mit ihnen auf Augenhöhe zusammen. Wenn eine Übung nicht guttut, wird sie verändert. Er ist ständig im Austausch mit Trainern aus der ganzen Welt und kommt dadurch immer wieder auf neue Ideen. Ulli ist ein sehr sensibler, sehr offener Mensch, mit dem man über alles sprechen kann. Für mich ist er mehr als nur ein Trainer, für mich ist er ein Freund.

Gemeinsam haben Sie Erfolge gefeiert, wie etwa Ihren Olympiasieg. Aber auch Rückschläge hinnehmen müssen. Zum Beispiel den verletzungsbedingten Saisonabbruch im vergangenen Jahr. Wie hart war es, die WM in Budapest von zu Hause aus verfolgen zu müssen?

Malaika Mihambo:
Es war hart, aber in Ordnung. Den Weitsprung habe ich mir angeschaut und auch die weiteren Ergebnisse im Blick behalten. Die ganze Zeit Leichtathletik anzuschauen, wäre aber zu viel des Guten gewesen. Ich habe den Mädels auch gratuliert, ebenso wie anderen deutschen Athleten. Es gehört dazu, man ist mal verletzt. Ich hatte das Glück, dass ich das letzte Mal 2017 komplett ausgefallen bin für den Höhepunkt. Ansonsten bin ich gesund durchgekommen.

Hat die unfreiwillige Pause vom Wettkampfgeschehen Ihrem Körper gutgetan?

Malaika Mihambo:
Die Pause hatte viel Positives. Wir hatten Zeit, noch mal vieles zu überdenken und Dinge anzupassen, die uns zuvor schon aufgefallen sind. In einer normalen Saison hat man oft gar nicht die Zeit, das umzusetzen. Beim Krafttraining haben wir erhöht von zwei auf drei Einheiten. Wenn man ein anderes Kraftniveau hat, befindet man sich auf einem ganz anderen Fitnesslevel und verkraftet auch im Sprungbereich mehr. Natürlich ist das immer ein Spiel, bei dem man auch die Grenzen seines eigenen Körpers respektieren muss und feinfühlig genug sein muss, diese wahrzunehmen.

Die verletzungsbedingte Auszeit haben Sie zudem genutzt, um gemeinsam mit Co-Autorin Regina Carstensen Ihr erstes Buch „Spring dich frei – Meine Strategien für mehr Selbstvertrauen, Kraft und innere Ruhe im Alltag“ zu schreiben. In Ihrem Werk geben Sie viel Persönliches preis. Wie herausfordernd war es, sich der Leserschaft zu öffnen?

Malaika Mihambo:
Ich denke, dass ein Buch wie jedes gute Gespräch davon lebt, dass man sich öffnet. Deshalb habe ich versucht, so offen und nachvollziehbar wie möglich zu erzählen, wie es mir ergangen ist und was ich gefühlt habe. Ich glaube, wenn man ein Buch schreibt und nur an der Oberfläche kratzt, kann man Informationen transportieren, aber keine Stimmung. Und es wird viel weniger nahbar. Wenn Menschen etwas mitnehmen sollen, muss ich auch etwas geben. Für mich stand im Vordergrund, ein Buch zu schreiben, das anderen Menschen eine Botschaft mitgibt. Das als Inspirationsquelle dienen kann, als Mutmacher – oder einfach als Denkanstoß. Mein Ziel war es, die Leser zu berühren und ihnen etwas mitzugeben.

Gab es Reaktionen auf Ihr Buch, Feedback von Lesern, das Sie besonders berührt hat?

Malaika Mihambo:
Es gab sehr viele schöne Reaktionen, auch auf der Frankfurter Buchmesse, wo ich eine Signierstunde gegeben habe. Menschen haben mir gesagt, dass das Buch sie zur richtigen Zeit erreicht hat. Für mich ist es das wertvollste Feedback, wenn jemand sagt: Das Buch hat für mich etwas angestoßen, etwas verändert. Mir ist es lieber, wenn das Buch nur eine Person liest und versteht, als wenn es tausend Menschen lesen, ohne es zu verstehen. Es ist ein Buch, das man mit dem Herzen lesen und verstehen darf.

In Ihrem Buch beschreiben Sie Sport als „Erfahrung von Glücklichsein“. Wie viel Glück erfahren Sie zurzeit durch den Sport?

Malaika Mihambo:
Mein Glück ist facettenreicher, als es früher war. Früher habe ich mich nur über die Rolle der Leistungssportlerin definiert, heute ist es ein Teil von vielen. Ich kann aber sagen, dass ich nach etlichen Jahren als Leistungssportlerin immer noch sehr gerne dabei bin und mir das Training immer noch viel Spaß macht. Ich mag es, mich zu verbessern, an technischen Elementen zu feilen. Für mich geht es immer auch um die innere Meisterschaft. Die „äußeren Meisterschaften“, EM, WM, Olympia, sind ein Weg, um abzugleichen: Wie weit bin ich bei meiner inneren Meisterschaft gekommen? Wie habe ich mich weiterentwickelt, bin resilienter geworden? Wie kann ich mich von Druck und Erwartungen abschirmen – ob das eigene sind oder welche, die von außen kommen? Daher ist der Sport für mich ein Weg, um mich persönlich weiterzuentwickeln.

Innerhalb des letzten Jahres ist das nationale Niveau im Weitsprung gestiegen, mit Laura Raquel Müller und Mikaelle Assani haben sich zwei junge Weitspringerinnen stark entwickelt. Mit Maryse Luzolo und Ihnen macht das vier Kandidatinnen für die internationalen Startplätze …

Malaika Mihambo:
Als ich 2013 und 2014 die ersten Male bei den Aktiven gestartet bin, war es üblich, dass bis zu fünf Athletinnen die Norm erfüllen. Ich fürchte keine Konkurrenz, sondern freue mich darüber. Wie man so schön sagt: Konkurrenz belebt das Geschäft. Mich spornt das an, noch besser zu werden.

Was können Sie als erfahrene Athletin den jungen Kolleginnen mit auf den Weg geben?

Malaika Mihambo:
Ich bin immer offen, wenn Fragen kommen. Wobei ich das Gefühl habe, dass Laura und Mikaelle sehr happy mit ihrem eigenen Weg sind, und das respektiere ich. Ich bin jemand, der nicht gern ungefragt Feedback gibt. Ich wünsche beiden einfach das Beste und dass sie mit viel Zuversicht und Selbstvertrauen ihren Weg gehen.

Nicht nur für junge Disziplinkolleginnen, sondern sicher auch für viele andere Nachwuchs-Leichtathleten und Fans sind Sie als erfolgreichste deutsche Leichtathletin der zurückliegenden Jahre ein Vorbild. Wie gefällt Ihnen diese Rolle?

Malaika Mihambo:
Ich habe kein Problem damit, Vorbild zu sein. Für mich bedeutet das allerdings, dass man diese Rolle auch mit Werten füllt. Dieser Verantwortung bin ich mir bewusst. Ich bin nicht deshalb Vorbild, um im Rampenlicht zu stehen, sondern um Dinge weiterzugeben und andere auf ihrem eigenen Weg zu unterstützen.

Sie können in diesem Sommer Ihre dritten Olympischen Spiele erleben. Die Nationalmannschaftskollektion der Leichtathleten durften Sie kürzlich in der Olympia-Stadt Paris auf dem Laufsteg präsentieren. Wie hat Ihnen dieses Erlebnis gefallen?

Malaika Mihambo:
Auf dem Laufsteg zu posieren, war auf jeden Fall etwas Neues, aber eine Herausforderung, die Spaß gemacht hat. Die vier Tage in Paris waren vollgepackt mit Fitting, Shooting, Proben und der Modenschau. Es war schön, auch einige internationale Athleten mal besser kennenzulernen und eine entspannte Zeit abseits des Sports zu verbringen.

Was müsste in diesem Jahr passieren, damit Sie am Ende sagen können: ‚2024 war ein gutes Jahr‘? 

Malaika Mihambo:
Wenn ich am Ende des Jahres sagen kann: ‚Ich habe schöne Momente erlebt, tolle Dinge gelernt, bin gewachsen‘, würde mir das reichen. Unabhängig davon, ob ich Erfolg im Sport habe oder nicht. Weil mein Leben nicht nur aus Sport besteht. Ich habe bereits eine sehr glückliche und erfolgreiche Sportlerkarriere, daher bin ich jetzt tiefenentspannt und frei. Ich möchte den Spaß und die Leichtigkeit in den Vordergrund stellen. Im Wissen, was ich schon alles erreicht habe, aber auch im Wissen, dass ich unter dieser Freiheit noch weiter springen kann. Mein Ziel ist es, schöne Momente zu erleben und mich persönlich weiterzuentwickeln.

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