Seine zurückliegende Saison beschreibt Marcel Fehr als „Achterbahnfahrt“. Der Langstreckler legte eine starke Hallen-Saison hin, verpasste dann jedoch die Olympischen Spiele. Nun blickt der 29-Jährige in die Zukunft, denn dort wartet bereits die nächste große Herausforderung: Die berufliche Chance eines journalistischen Volontariats mit den sportlichen Zielen in Einklang zu bringen.
Hinter Marcel Fehr (LG Filstal) liegt eine nervenaufreibende Saison. „Es lässt sich mit einer kleinen Achterbahnfahrt ganz gut vergleichen“, fasst der Athlet der LG Filstal die vergangenen Monate zusammen. Tatsächlich war das Jahr 2021 für den 29-Jährigen von zahlreichen Höhen und Tiefen geprägt.
Begonnen hatte es dabei äußerst vielversprechend: Bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften in Dortmund musste er sich über die 3.000-Meter-Distanz lediglich Mohamed Mohumed (LG Olympia Dortmund) geschlagen geben, sodass er am Ende den Silberrang und damit seine bisher beste Platzierung bei Deutschen Meisterschaften der Aktiven belegte.
Nur wenige Wochen später konnte Marcel Fehr seine starke Form auch auf internationaler Ebene unter Beweis stellen. Im polnischen Toruń qualifizierte er sich bei den Hallen-Europameisterschaften mit neuer Bestzeit von 7:48,06 Minuten für das Finale. „Das ich dort unter meiner Freiluft-Bestzeit geblieben bin, hat mich selbst etwas überrascht“, sagt er.
Zehnter beim Gold-Triumph von Jakob Ingebrigtsen
Auch im Finale nur einen Tag später verkaufte er sich teuer. Beim Gold-Triumph von Jakob Ingebrigtsen (Norwegen), Olympiasieger und Europameister über 1.500 Meter, konnte er das hohe Tempo auf den letzten Runden zwar nicht ganz mitgehen, dennoch hielt er zwei Konkurrenten in Schach und kam schließlich in 7:54,48 Minuten als guter Zehnter ins Ziel.
Spätestens die Leistungen aus Toruń befeuerten den Olympia-Traum des Mannschafts-Europameisters von 2017. „Dass es schwer werden wird, war mir bewusst. Aber nach der Hallen-EM habe ich gedacht, dass es hinhauen könnte. Zumindest waren die Chancen realistischer geworden.“
Doch nach der Hallen-Saison bekamen die Tokio-Hoffnungen einen erheblichen Rückschlag. „Das war eine Verkettung ziemlich unglücklicher Umstände“, fasst Marcel Fehr die Situation zusammen. Für priorisierte Leistungssportler habe er „erst recht spät“ einen Termin für eine Corona-Impfung erhalten, die er schließlich Anfang Mai absolvierte. Kurz darauf habe er mit den normalen Nachwirkungen zu kämpfen gehabt. „Damit habe ich gerechnet, aber im gleichen Zeitraum kamen muskuläre Probleme in den Beinen hinzu. Das hat sich alles sehr verkrampft angefühlt, wie ein Muskelkater, der aber nicht weggehen wollte.“
Zerrung kostet wichtige Zeit
Wenig später sollten schließlich gar noch größere Probleme auftreten: Beim Training zog sich Marcel Fehr eine Zerrung an der Oberschenkel-Rückseite zu. „Das ist bei einem lockeren Trainingslauf passiert, der normalerweise nicht für eine Zerrung prädestiniert ist“, sagt er. An einen Zufall glaubt er nicht. „Der Schluss liegt nahe, dass die Zerrung durch die muskulären Probleme entstanden ist, die wiederrum durch die Impfung aufkamen.“
Die Impfung bereut Marcel Fehr dennoch nicht, höchstens den Zeitpunkt kurz vor den Deutschen Meisterschaften. „Ich hätte die Impfung so oder so gemacht. Wir sind viel auf Wettkämpfen unterwegs, auch im Ausland. Es ist alles besser, als sich Corona einzufangen, denn das kann für uns Leistungssportler noch viel gravierendere Auswirkungen haben als eine Zerrung.“
Durch den verletzungsbedingten Ausfall konnte sich der Bronzemedaillen-Gewinner der DM 2017 über 1.500 Meter nicht mehr ausreichend auf die Deutschen Meisterschaften Anfang Juni in Braunschweig vorbereiten. Dort ging er zwar an den Start, aber nicht mehr mit der starken Form, die er Anfang des Jahres hatte. In 13:57,82 Minuten belegte er über 5.000 Meter den vierten Platz, blieb jedoch deutlich über seiner Bestzeit, die er 2017 auf 13:31,29 Minuten verbessert hatte.
„Ich bin keine 18 mehr“
Fortan lief ihm die Zeit davon. Bereits Ende Juni wurde das Qualifikations-Fenster für die Olympischen Spiele geschlossen. Bis dahin hätte er sich entweder direkt über die 5.000-Meter-Norm von 13:13,50 Minuten oder über die Weltrangliste qualifizieren müssen. Am letztmöglichen Qualifikations-Tag wagte Marcel Fehr beim Meeting in Luzern (Schweiz) einen finalen Versuch.
„Mir war bewusst, dass die direkte Qualifikation nicht drin ist und es über das Ranking gehen muss. Es war eine sehr theoretische Chance, der ich da hinterhergelaufen bin, die sehr unwahrscheinlich in der praktischen Umsetzung war. Aber als Leistungssportler ist man so eingestellt, dass man eine noch so kleine Chance nutzen möchte.“
Doch am Ende sollte es nicht reichen. Dennoch zeigte Marcel Fehr in 13:39,09 Minuten und somit lediglich knapp acht Sekunden über seiner Bestleistung, dass seine Formkurve wieder deutlich nach oben zeigte. „Es war ein Rennen, indem es wieder langsam zu alter Stärke zurückging, aber unmittelbar danach überwog natürlich die Enttäuschung über die verpassten Spiele. Ich bin keine 18 mehr, sodass ich sagen kann, dass es dann eben irgendwann später im Jahrzehnt klappen wird.“ Um den Quali-Frust zu verarbeiten, nahm er sich erstmal eine Auszeit in den Schweizer Bergen.
Gemeinsamer Traum mit Hanna Klein platzt
Durch das Verpassen des Tokio-Tickets platzte nicht nur sein eigener Traum, sondern auch die Hoffnung gemeinsam mit seiner Freundin Hanna Klein in Japan dabei sein zu können. Die Athletin der LAV Stadtwerke Tübingen ging dort über 1.500 Meter an den Start und schied nach dem Vorlauf aus.
Die Olympischen Spiele verfolgte Marcel Fehr daher mit gemischten Gefühlen. „Das war alles sehr ambivalent. Ich habe mich total gefreut, dass Hanna dabei war. Dann habe ich mit ihr gelitten, denn sie war in einer ganz anderen Form, als das, was sie dann abrufen konnte. Gleichzeitig war ich traurig über die eigene Situation, dass ich nicht vor Ort sein konnte. Auf der anderen Seite schlägt in mir wiederrum seit eineinhalb Jahrzehnten ein begeistertes Leichtathletik-Herz. Ich schaue Leichtathletik gerne an und habe es genossen, dass es endlich wieder diese Sport-Momente gab.“
Ab sofort richtet sich der Sport nach dem Volontariat
Großartige Sport-Momente möchte Marcel Fehr künftig auch wieder persönlich erleben. Im kommenden Jahr ist für ihn die Heim-EM in München das große Ziel. Doch dieses möchte er vollkommen unverkrampft angehen, denn bereits in diesem Jahr steht für ihn eine große berufliche Änderung bevor. Nach seinem Management-Studium an der Universität Hohenheim und einem Praktikum bei Südwestrundfunk (SWR), möchte er nun die Grundlagen für eine journalistische Karriere legen.
Ab Oktober wird er beim SWR ein Volontariat absolvieren, welches je nach individuellem Fortschritt zwischen zwölf und 18 Monaten andauert. „Das ist eine tolle Chance für mich, um das Handwerk des Journalisten zu erlernen. Den Leistungssport verfolge ich in jedem Fall weiterhin. Aber was genau in Kombination mit dem beruflichen Standbein daraus wird, wird sich erst zeigen. Da lasse ich mich selbst überraschen“, sagt er.
Kraft- und Alternativtraining wird möglicherweise reduziert
Da er ohnehin kein Athlet sei, der hohe Umfänge vertrage, werde er auch künftig seine Kilometer abspulen, sagt Marcel Fehr. „100 bis 120 Wochenkilometer kann man, wenn man das klug plant, beruflich in Einklang bringen“, erzählt er. Möglichweise müsse er jedoch das Kraft- und Alternativtraining „etwas zurückschrauben.“
In welcher journalistischen Richtung er später gerne schwerpunktmäßig arbeiten möchte, kann er zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sicher sagen. „Momentan sind meine Interessen aber im sportlichen und wirtschaftlichen Bereich am stärksten ausgeprägt.“ In den kommenden Monaten wird Marcel Fehr weitere thematische Bereiche kennenlernen. Verbunden mit dem Volontariat sind zudem häufige Standortwechsel. „Man betreibt so eine Art Redaktionshopping. Mal arbeitet man an den verschiedenen Hauptstandorten, dann wieder in verschiedenen Regionalstudios, aber auch mal an externen Stationen“, erzählt er.
Bezüglich seines großen Ziels, der Heim-EM in München, gibt sich Marcel Fehr demütig. „Die Qualifikation wird kein Selbstläufer werden. Ich muss versuchen, mindestens wieder das Niveau von der Hallen-EM zu erreichen. Dann könnte es klappen." An den zukünftig häufigen Standortwechseln soll das Erreichen seines Ziel in jedem Fall nicht scheitern: „Das Schöne am Laufsport ist, dass man im Grunde nur zwei Paar Laufschuhe braucht, um sein Training zu organisieren. Das geht von überall.“