| Rückblick

Mein Moment 2017: Der Abschied von Jennifer Oeser

Wir haben mitgefiebert, mitgelitten, mitgejubelt. Und ganz viel notiert, getippt, gefilmt und fotografiert. Nun ist die Leichtathletik-Saison 2017 fast zu Ende, und es ist Zeit für ganz persönliche Rückblicke. In unserer Serie „Mein Moment“ beschreiben einige Mitarbeiter der leichtathletik.de-Redaktion, welche Szenen ihnen in den vergangenen Monaten ganz besonders im Gedächtnis geblieben sind. Heute im Fokus: das Ende einer langen Siebenkampf-Karriere.
Martin Neumann

Zwei, drei Mal musste Jennifer Oeser (TSV Bayer 04 Leverkusen) tief durchatmen, bevor sie am 25. Juni vor den abschließenden 800 Metern zwei Sätze ins Ratinger Stadionmikrofon hauchte. „Ich hätte gern noch einmal gekämpft. Aber mein Körper und Geist sind im Einklang, dass es nun zu Ende ist“, sagte die damals 33-Jährige mit Tränen in den Augen. Eine große Karriere war im Ziel angelangt.

Knapp 25 Meter entfernt, auf der Pressetribüne, hatten einige Kollegen zeitgleich einen Kloß im Hals. Über viele Jahre hatten sie Jennifer Oeser journalistisch begleitet. Über alle Höhen und Tiefen berichtet. Über das spektakuläre „Sturz-Silber“ bei der WM 2009 in Berlin oder das tragische verletzungsbedingte Aus bei den Olympischen Spielen 2012 in London (Großbritannien) und die langwierige Achillessehnenverletzung.

Bei allen Medaillen live dabei

Vier internationale Medaillen hat Jennifer Oeser in ihrer langen Karriere gewonnen. 2009 und 2011 WM-Silber, 2010 EM-Bronze mit ihrer Karriere-Bestleistung von 6.683 Punkten. Begonnen hatte es mit dem Titel bei der U23-EM 2003. Alle vier Medaillengewinne habe ich als Journalist im Stadion miterlebt – und bin damit der einzige aus der deutschen Zunft.

Gern erinnert sich Jennifer Oeser zurück an den Gold-Coup 2003 in Bydgoszcz (Polen). „Der Wettkampf dort hat mir den Weg Richtung Leistungssport gewiesen“, sagt sie rückblickend. Denn eine absolute Überfliegerin war Jennifer Oeser nie, talentiertere Siebenkämpferinnen gab’s in den vergangenen 15 Jahren einige. Erfolgreichere findet man hingegen wenige.

Harte Arbeit schlägt Talent

Ob 25 Sekunden über 200 Meter, 14 Sekunden über 100 Meter Hürden oder 13 Meter mit der Kugel: Diese kleinen „Schallmauern“ einer Siebenkämpferin musste sich Jennifer Oeser immer hart erarbeiten. Sie tat es. Am Ende der Karriere standen in den drei genannten Disziplinen 23,95 und 13,14 Sekunden sowie 14,29 Metern auf der Habenseite.

Genau diese Arbeit an sich selbst zeichnete Jennifer Oeser stets aus. So wurde sie über viele Jahre zur Konstante im deutschen Siebenkampf. Parallel zu ihrer sportlichen Entwicklung wurde sie neben der Laufbahn zum gefragten Gesprächspartner und während ihrer Baby- und Verletzungspause sogar Co-Moderatorin beim Ratinger Mehrkampfmeeting.

In Rio noch einmal voll überzeugt

Das hätte man Jahre zuvor der gebürtigen Brunsbüttlerin kaum zugetraut. Sie war vielmehr das Ebenbild der ruhigen, etwas wortkargen Norddeutschen. Gut möglich, dass der Wechsel zum TSV Bayer 04 Leverkusen die entscheidende Rolle in der Entwicklung auf und abseits der Laufbahn gespielt hat. Bei Karl-Heinz Düe („Kalle“ wie sie sagt) stieg Jennifer Oeser in die Weltklasse auf. Das offene – manchmal etwas laute – Rheinland prägte ebenfalls nachhaltig.

Die Olympia-Medaille blieb ihr zwar verwehrt, doch 2016 in Rio zeigte sie den Sport-Fans noch einmal ihr Können und ihren Kampfgeist. 6.401 Punkte sammelte Jennifer Oeser als Neunte bei ihren dritten Olympischen Spielen. Der Speed junger Jahre war nicht mehr da, dafür stellte sie im Hochsprung mit 1,86 Metern ihre Bestleistung ein und kam mit der Kugel (14,28 m) noch einmal bis auf einen Zentimeter an ihren Hausrekord heran. Zugetraut hatten ihr das nur die Wenigsten. Da war sie wieder, die Kämpferin Jennifer Oeser.

Danke Jennifer! Für 15 Jahre Siebenkampf-Leidenschaft!

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