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Der große Disziplin-Check 2019 – Sprint Männer

Die Wettkampfsaison 2019 ist Geschichte. Ein langes Jahr, ein spannendes Jahr Leichtathletik liegt hinter uns. Der Höhepunkt? Zweifelsohne die WM in Doha. Doch auch in der Halle und bei den internationalen Nachwuchs-Meisterschaften machten die deutschen Athleten von sich reden. Wir blicken in unseren jährlichen Disziplinanalysen zurück und ziehen Bilanz. Heute: der Sprint der Männer.
Alexandra Dersch

Fazit des Bundestrainers

Jörg Möckel, wie fällt Ihre Bilanz für das WM-Jahr 2019 aus?

Jörg Möckel:

Euphorisch. Es fühlt sich so an, dass wir nach sehr erfolgreichen Jahren von 2013 bis 2016 den nächsten Schritt gehen werden. In der U20 holen wir seit 2016 ununterbrochen Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften und bewegen uns mit den Jungs in den entsprechenden Finals. Dieser Prozess setzt sich in der U23 fort, mit der Titelverteidigung bei der U23-EM in der 4x100-Meter-Staffel und den Jungs in den Finals der EM. Außerdem ist es gelungen, mit der 4x100-Meter-Staffel in Doha eine Saisonbestleistung zu erzielen und die schnellste Zeit seit 2016 zu laufen. Dadurch ist jetzt eine zielgerichtete Vorbereitung auf Tokio möglich geworden.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Jörg Möckel:

Highlight für mich persönlich war es, mit dem Team dieses besondere Jahr gestalten zu dürfen, mit dem Ziel die Olympia-Qualifikation zu realisieren. Weder Athleten, noch Heimtrainer, noch medizinisches Team, noch das Team-Management oder auch die Jungs von der Biomechanik haben irgendwann Zweifel angemeldet oder gezeigt, dass die Entwicklung nicht positiv verlaufen könnte. Stattdessen waren sie permanent bereit, besondere Lösungen zu entwickeln oder unkomplizierte Wege zu gehen. Ich denke da vor allem an die Camps in Japan, die U23- oder U20-Maßnahme oder auch den Vergleichskampf zwischen Europa und den USA in Minsk. Diese Konstellation gibt Sicherheit und Vertrauen und führt zu dem Gefühl der Euphorie für zukünftige Aufgaben.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison mit den Olympischen Spielen in Tokio und der EM in Paris?

Jörg Möckel:

Wir wollen wieder zeigen, was wir wirklich können. Hier geht es für uns um die Realisation der Staffeln in die Finals und um erfolgreiche Einzelstarts. Wir streben Einzelstarts bei Olympia an, mit dem Ziel, dann auch mit der Staffel erfolgreich im Finale zu agieren. Bei der EM sind diese Ziele natürlich ein wenig höher gesteckt. Festgestellt haben wir, dass unsere Staffelkompetenzen auf dem internationalen Spitzenniveau stattfindet. Mit dem Ziel sub38, sprich unter 38 Sekunden zu bleiben, steht nun also die individuelle Entwicklung im Vordergrund. Den durch dieses Jahr geschaffenen Freiraum wollen wir dafür nutzen!

Selbstverständlich ist die Integration der Jungs, die notwendige Geschwindigkeiten realisieren. Das ist durch die einheitliche Ausbildung nach den Maßstäben der Aktiven ab der U18 kein Problem mehr.

Insgesamt geht es darum, die angefangen Prozesse auf höchstem Niveau zu stabilisieren oder gezielt zu entwickeln. Wenn uns das gelingt, werden wir 2020 und vor allem auch in den folgenden Jahren viel Spaß haben.

Internationale Erfolge 2019

  Medaillen (Weitere) Final-Platzierungen
WM  –   – 
Hallen-EM  –   8. Platz Kevin Kranz (60 m)
U23-EM Gold: Kevin Kranz, Marvin Schulte, Deniz Almas, Philipp Trutenat (4x100 m) 4. Platz Kevin Kranz (100 m); 5. Platz Marvin Schulte (100 m)
U20-EM Gold: Fabian Olbert, Elias Goer, Simon Wulff, Lucas Ansah-Peprah (4x100 m)
Silber: Elias Goer (200 m)
4. Platz Lucas Ansah-Peprah (100 m); 5. Simon Wulff (100 m)
EYOF Bronze: Felix Kunstein (100 m) – 

Die deutschen Top Ten 2019

100 Meter

Zeit Name Jahrgang Verein
10,13 sec Julian Reus 1988 LAC Erfurt
10,16 sec Joshua Hartmann 1999 ASV Köln
10,18 sec Marvin Schulte 1999 SC DHfK Leipzig
10,23 sec Roy Schmidt 1991 SC DHfK Leipzig
10,23 sec Michael Pohl 1989 Sprintteam Wetzlar
10,27 sec Kevin Kranz 1998 Sprintteam Wetzlar
10,28 sec Deniz Almas 1997 VfL Wolfsburg
10,31 sec Philipp Trutenat 1997 TV Wattenscheid 01
10,31 sec Julian Wagner 1998 LAC Erfurt
10,32 sec Patrick Domogala 1993 MTG Mannheim

200 Meter  

Zeit Name Jahrgang Verein
20,42 sec Steven Müller 1990 LG Ovag Friedberg-Fauerbach
20,48 sec Robin Erewa 1991 TV Wattenscheid 01
20,74 sec Patrick Domogala 1993 MTG Mannheim
20,79 sec Felix Straub 1997 SC DHfK Leipzig
20,79 sec Manuel Eitel 1997 SSV Ulm 1846
20,85 sec Frieder Scheuschner 1999 Dresdner SC 1898
20,86 sec Julian Reus 1988 LAC Erfurt
20,88 sec Elias Goer 2000 Sprintteam Wetzlar
20,89 sec Roy Schmidt 1991 SC DHfK Leipzig
20,89 sec Robert Hering 1990 TV Wattenscheid 01

Statistik – Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau: 100 Meter

Jahr < 10,12
(WM-Norm 2017)
Schnitt
Top 3
Schnitt
Top 5
Schnitt
Top 10
2005  –  10,24 10,28 10,35
2006  –  10,30 10,33 10,37
2007  –  10,29 10,32 10,37
2008  –  10,22 10,25 10,31
2009  –  10,20 10,23 10,29
2010  –  10,22 10,25 10,30
2011  –  10,22 10,26 10,35
2012  1  10,16 10,21 10,27
2013  2  10,12 10,16 10,24
2014  2  10,10 10,14 10,21
2015  1  10,16 10,22 10,27
2016  1  10,11 10,16 10,23
2017  1 10,20 10,23 10,28
2018  1 10,15 10,18 10,24
2019 –  10,16 10,19 10,24

Das deutsche Top-Niveau: 200 Meter

Jahr < 20,40
(WM-Norm 2019)
Schnitt
Top 3
Schnitt
Top 5
Schnitt
Top 10
2005  1  20,44 20,54 20,79
2006  –  20,67 20,74 20,90
2007  1  20,48 20,54 20,71
2008  –  20,60 20,65 20,75
2009  –  20,45 20,54 20,78
2010  1  20,56 20,67 20,81
2011  –  20,73 20,83 20,97
2012   1  20,48 20,54 20,68
2013  1  20,59 20,66 20,80
2014  –  20,44 20,49 20,64
2015  –  20,51 20,57 20,78
2016  3 20,35 20,45 20,63
2017  2 20,35 20,46 20,65
2018  1 20,47 20,54 20,68
2019 –  20,55 20,64 20,76

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich: 100 Meter

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 10,16 (Unger) 9,99 (Pognon/FRA) 0,17 9,77 (Powell/JAM) 0,39
2006 10,24 (Ostwald) 9,99 (Obikwelu/POR) 0,25 9,77 (Powell/JAM) 0,47
2007 10,26 (Blum) 10,06 (Obikwelu/POR) 0,20 9,74 (Powell/JAM) 0,52
2008 10,17 (Unger) 10,00 (Chambers/GBR) 0,17 9,69 (Bolt/JAM) 0,48
2009 10,18 (Unger) 10,00 (Chambers/GBR) 0,18 9,58 (Bolt/JAM) 0,60
2010 10,14 (Unger) 9,97 (Lemaitre/FRA) 0,17 9,78 (Gay/USA; Carter/JAM) 0,36
2011 10,20 (Schaf) 9,92 (Lemaitre/FRA) 0,28 9,76 (Bolt/JAM) 0,44
2012 10,09 (Reus) 9,91 (Martina/NED) 0,18 9,63 (Bolt/JAM) 0,46
2013 10,07 (Keller) 9,91 (Dasaolu/GBR) 0,16 9,75 (Gay/USA) 0,32
2014 10,05 (Reus) 9,95 (Vicaut/FRA) 0,10 9,77 (Gatlin/USA) 0,28
2015 10,09 (Reus) 9,86 (Vicaut/FRA) 0,23 9,74 (Gatlin/USA) 0,35
2016 10,01 (Reus) 9,86 (Vicaut/FRA) 0,15 9,80 (Gatlin/USA) 0,21
2017 10,10 (Reus) 9,97 (Vicaut/FRA) 0,13 9,82 (Coleman/USA) 0,28
2018 10,09 (Menga) 9,91 (Hughes/GBR)
9,91 (Vicaut/FRA)
0,18 9,79 (Coleman/USA) 0,30
2019 10,13 (Reus) 9,95 (Hughes/GBR) 0,18 9,76 (Coleman/USA) 0,37

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich: 200 Meter

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 20,20 (Unger) 20,15 (Malcolm/GBR) 0,05 19,89 (Spearmon/USA) 0,31
2006 20,65 (Unger) 20,01 (Obikwelu/POR) 0,64 19,63 (Carter/USA) 1,02
2007 20,37 (Helmke) 19,89 (Ndure/NOR) 0,48 19,62 (Gay/USA) 0,75
2008 20,53 (Schnelting) 20,25 (Malcolm/GBR) 0,28 19,30 (Bolt/JAM) 1,23
2009 20,41 (Hering) 20,04 (Guliyev/AZE) 0,37 19,19 (Bolt/JAM) 1,22
2010 20,38 (Ernst) 20,16 (Lemaitre/FRA) 0,22 19,56 (Bolt/JAM) 0,82
2011 20,51 (Ernst) 19,80 (Lemaitre/FRA) 0,71 19,26 (Blake/JAM) 1,25
2012 20,33 (Menga) 19,85 (Martina/NED) 0,48 19,32 (Bolt/JAM) 1,01
2013 20,36 (Reus) 19,98 (Gemili/GBR) 0,38 19,66 (Bolt/JAM) 0,70
2014 20,43 (Menga) 19,98 (Gemili/GBR) 0,45 19,68 (Gatlin/USA) 0,75
2015 20,42 (Reus) 19,88 (Guliyev/TUR) 0,54 19,55 (Bolt/JAM) 0,87
2016 20,27 (Menga) 19,81 (Martina/NED) 0,46 19,74 (Merritt/USA) 0,53
2017 20,29 (Reus) 20,02 (Guliyev/TUR) 0,27 19,77 (Makwala/BOT) 0,52
2018 20,37 (Menga) 19,76 (Guliyev/TUR) 0,61 19,65 (Lyles/USA) 0,72
2019 20,42 (Müller) 19,86 (Guliyev/TUR) 0,56 19,50 (Lyles/USA) 0,92

Das fällt auf

  • Den einen überragenden Sprinter gab es in diesem Jahr in Deutschland nicht. Seit 2011 blieb erstmals wieder kein deutscher 100-Meter-Sprinter unter 10,10 Sekunden. Der nationale Schnitt ist dennoch nur minimal rückläufig. Denn in der Breite ist der deutsche Sprint über die 100 Meter stabil schnell.
  • Neue Gesichter rücken nach. Hinter Rekordhalter Julian Reus, der bereits zum sechsten Mal in seiner Karriere eine Saison als jahresschnellster Deutscher beendet, rücken neue Gesichter in den Fokus, wie etwa die so talentierten Sprinter Joshua Hartmann und auch Marvin Schulte.
  • Geschwächt durch das Pfeiffersche Drüsenfieber konnte der Meister des Vorjahres, Kevin Kranz, nach einer tollen Hallensaison im Sommer sein volles Leistungsvermögen nicht mehr abrufen und beendete die Saison vorzeitig. Entsprechend offen war daher das Finale der Deutschen Meisterschaften über 100 Meter, wo sich Michael Pohl erstmals den deutschen Meistertitel holen konnte.
  • Mit Steven Müller war erstmals seit 2011 wieder ein deutscher Sprinter bei einer WM über 200 Meter am Start. Der Deutsche Meister rückte aufgrund einer Einladung des Weltverbands IAAF nachträglich ins deutsche Aufgebot in Doha.
  • Dennoch ist der Abstand zur Weltspitze auf der halben Stadionrunde in diesem Jahr noch einmal größer geworden. Aufgrund des aufstrebenden Noah Lyles nähert sich der Rückstand auf den führenden Sprinter in der Welt erstmals seit 2012 wieder der Marke von einer Sekunde.
  • Die Jugend glänzte im Vergleich mit den besten Sprintern in Europa. Sowohl bei der U20-EM als auch bei der U23-EM holte das DLV-Quartett über 4x100 Meter Gold. Hinzu kamen eine Silbermedaille von Elias Goer über 200 Meter bei der U20-EM und weitere starke Finalplatzierungen, unter anderem auch von Kevin Kranz.

leichtathletik.TV-Clips zum Sprint

60 METER   |    100 METER   |   200 METER

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