| Interview der Woche

Luca Wieland: „Das Gefühl ist einfach unbeschreiblich“

Mehrkämpfer Luca Wieland (SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken), der in den USA an der Universität von Minnesota studiert, hat sich am Samstag im Hallen-Siebenkampf auf 6.070 Punkte verbessert. Damit sicherte er sich im US-Bundesstaat North Carolina bei den NCAA Championships in Fayetteville überraschend den Titel. Nach seiner Heimreise zurück nach Minnesota hat er am Sonntagabend ausführlich über seine Erlebnisse und den Wettkampf gesprochen.
Manuel Keil

Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu dem tollen Wettkampf und dem NCAA-Titel im Hallen-Siebenkampf! Haben Sie selbst im Vorfeld mit einem solchen Ergebnis gerechnet?

Luca Wieland:

Dankeschön, dankeschön. Ich habe auf jeden Fall gewusst, dass ich das Potenzial habe eine solche Punktzahl zu erreichen. Im Endeffekt war der Titel dann doch sehr überraschend. Ich habe erwartet über 6.000 Punkte zu erreichen, zu gewinnen war dann aber eher unerwartet.

Wie haben Sie denn den Wettkampf selbst erlebt?

Luca Wieland:

Ich habe mich mental sehr gut auf den ersten Wettkampftag eingestellt. Ich bin die 60 Meter gleich zu Beginn zwar nicht so gut gelaufen, wie ich wollte, habe es aber dann mit dem Weitsprung noch mal rausgerissen. Da hatte ich endlich meinen Durchbruch, nach zweieinhalb Jahren, in denen ich wirklich nicht weit gesprungen bin. Den Schwung habe ich in die nächsten beiden Disziplinen mitgenommen, und es hat richtig Spaß gemacht, den Tag mit dem Hochsprung abzuschließen. Der erste Tag war richtig klasse.

Und der zweite Tag?

Luca Wieland:

Da habe ich natürlich gewusst, dass ich verfolgt werde, und noch nicht wirklich an den Titel gedacht. Denn ich wusste, dass richtig gute Stabhochspringer und gute 1.000-Meter-Läufer im Wettkampf sind. Ich habe mir gesagt, ich muss jetzt alles reinhauen, was geht. Das habe ich bei den Hürden auch gemacht. Ich hatte zwar einen sehr unrunden und unsauberen Lauf, bin aber trotzdem Bestzeit gelaufen, weil ich so aggressiv reingegangen bin. Das gleiche habe ich beim Stabhochsprung gemacht, wo ich auf die dicksten Stäbe umgestiegen bin, die ich dabei hatte. Die 1.000 Meter waren dann eine mentale Challenge. Da bin ich über meine Grenzen hinausgegangen. Am Ende war der Vorsprung mit zwei Punkten ganz knapp. Das Gefühl ist einfach unbeschreiblich.

Haben Sie Ihren Sieg auch schon feiern können, oder kommt das erst?

Luca Wieland:

Ich bin ja heute erst wieder in Minnesota angekommen. Es ist richtig gutes Wetter hier und ich werde heute Abend noch mit meinen Freunden ein bisschen feiern gehen.

Ging es Ihnen bei den Meisterschaften denn eher um den Titel oder um eine bestimmte Punktzahl?

Luca Wieland:

Ich bin als Fünfter in den Wettkampf gegangen und habe ein bisschen mit einer Top-Drei-Platzierung geliebäugelt. Eigentlich ging es mir aber um eine neue Bestleistung und um die 6.000-Punkte-Marke, die ich unbedingt knacken wollte. Ich habe mich im Vorfeld ein wenig zurückgehalten mit meinen eigenen Zielen, da ich ja oft verletzt war und immer noch nicht bei 100 Prozent bin.

Jetzt haben Sie im Siebenkampf eine neue Bestleistung geschafft. Zudem gab es Einzelbestleistungen im Weitsprung, Kugelstoßen, über 60 Meter Hürden, im Stabhochsprung und über 1.000 Meter. Auf welche sind Sie besonders stolz?

Luca Wieland:

Besonders stolz war ich auf meine 1.000-Meter-Leistung von 2:45,35 Minuten. Ich habe wirklich nicht geglaubt, dass ich so schnell laufen kann. Von den anderen Bestleistungen war ich nicht so überrascht, weil ich im Training schon gesehen habe, dass es in diese Richtung gehen kann. Das war einfach überfällig, dass ich da irgendwann meinen Durchbruch habe.

6.070 Punkte bedeuten Rang sieben in der ewigen deutschen Bestenliste und hätten eine Woche vorher bei der Hallen-EM für Platz fünf gereicht. War Ihnen das bewusst oder haben andere Personen Sie darauf hingewiesen?

Luca Wieland:

Etwa 20 Minuten nach dem 1.000-Meter-Lauf wurden Sachen gesagt wie "achtbeste Leistung in der NCAA-Geschichte" und "beste Leistung, die jemals bei College-Meisterschaften erzielt wurde". Es sind die ganze Zeit rekordverdächtige Sätze gefallen, aber am Anfang konnte ich das gar nicht realisieren. So nach und nach, wenn ich mir jetzt selbst die ganzen Statistiken anschaue, denke ich mir, ich habe es endlich nach oben geschafft, das ist der Anschluss an die Weltklasse. Das kommt mir aber noch alles sehr surreal vor nach dem vergangenen Jahr, in dem ich verletzungsbedingt schlechte Performances hatte.

So eine Punktzahl im Hallen-Siebenkampf deutet für die Freiluftsaison im Zehnkampf das Potenzial für 8.000 Punkte an. Ist das ein Ziel für dieses Jahr?

Luca Wieland:

Darüber habe ich auch schon ein bisschen nachgedacht. Natürlich kommt mit dem Speerwurf eine meiner nicht so guten Disziplinen dazu. Ich denke aber, dass ich mich über 400 Meter sehr verbessert habe. Ich würde schon ganz gerne die 8.000 Punkte als Ziel nehmen für die Freiluftsaison und es bei den nationalen College-Meisterschaften noch einmal in die Top Drei schaffen.

Die Hallensaison ist ja nun zu Ende. Wie geht es bei Ihnen genau weiter?

Luca Wieland:

Wir fliegen schon in zwei Tagen runter nach Arizona in ein Kurztrainingslager mit einem abschließenden Wettkampf. Für mich wird es so aussehen, dass ich dort nur werfen werde. Ich habe nach der Hallensaison eine leichte Ermüdungserscheinung in meinem rechten Fuß, die ich in den nächsten zwei Wochen versuchen werde auszukurieren. Deshalb arbeite ich erstmal nur an meinen Wurfdisziplinen. Danach geht es, glaube ich, in vier Wochen in Stanford in Kalifornien weiter, wo ich vermutlich auch wieder in den Sprintdisziplinen antreten werde.

Sie sind im Februar 21 Jahre alt geworden. Ihre Zehnkampf-Bestleistung von 7.090 Punkten stammt noch aus der U20-Klasse. Warum hat es danach noch nicht für mehr Punkte gereicht?

Luca Wieland:

Daran sind hauptsächlich die Verletzungen schuld. Im Mai 2013 habe ich mir den linken Beuger gerissen. In den nächsten anderthalb Jahren bin ich nie wirklich zurückgekommen und konnte nie wieder wirklich angreifen. Die andere Sache war, dass ich mich erst einmal eingewöhnen musste, nachdem ich in die USA gegangen bin. Ich musste mich an das neue Training gewöhnen, das war aber ein kleinerer Punkt. Hauptsächlich haben mich die Verletzungen zurückgehalten und dabei vor allem die Beugerverletzung. Die war wirklich sehr hartnäckig, aber inzwischen haben wir sie ganz gut in den Griff bekommen.

Verletzungspausen sind ja immer sehr schwer. Haben Sie zwischendurch auch mal ans Aufhören gedacht?

Luca Wieland:

Letztes Jahr war sehr schwer, das hat mich schon deprimiert. Ich hatte mehrfach ans Aufhören gedacht, das letzte Mal in der Hallensaison, als ich einen Siebenkampf abbrechen musste, den wir selbst hier gehalten haben. Ich musste ihn abbrechen, weil ich mir erneut den Beuger gezerrt habe. Zunächst habe ich nicht daran geglaubt, dass es wieder besser werden kann. Danach war es dann schon ein Extrem von „Aufhören Wollen“ bis hin zu „der Beste im Land sein“.

2013 haben Sie sich entschieden, nach dem Abitur zum Studieren in die USA zu gehen. Was waren die genauen Gründe dafür?

Luca Wieland:

Ich wollte einerseits an einer Universität studieren und andererseits gleichzeitig Hochleistungssport betreiben. Es ist in Deutschland ja relativ schwer das zu tun, weil der Sport und die Universitäten nicht sehr verbunden sind. Über verschiedene Leute habe ich das US-System kennengelernt. Das hat mir von Anfang an sehr zugesagt, auch mit der Leichtathletik als Teamsport. Ein weiterer Grund war, dass ich mal aus Deutschland rauskommen und etwas erleben wollte, so wie viele Teenager in dem Alter. Das war die perfekte Möglichkeit für mich.

Was studieren Sie genau, und wie läuft das Studium bisher?

Luca Wieland:

Ich studiere Business und Marketing an einer Business-Schule an der Universität von Minnesota. Es läuft alles rund, und auch meine Noten sind relativ gut. Mein Haupt-Augenmerk liegt ganz klar beim Sport, aber ich versuche natürlich auch einen guten Abschluss zu machen. Wenn man diszipliniert in der Schule ist, läuft es meistens auch besser im Sport. Das habe ich für mich persönlich herausgefunden.

Wie sind denn die Trainingsbedingungen vor Ort?

Luca Wieland:

Die Trainingsbedingungen sind im Moment noch sehr gut. Wir haben eine relativ gute Halle. Das Problem ist allerdings, dass hier ein Riesenprojekt gestartet wird, vielleicht sogar schon dieses Jahr. Die Schule will einen riesigen Sportkomplex für Football und Basketball bauen. Dafür würden unsere Außenanlagen abgerissen. Zurzeit überlegen die Leute, wie wir das regeln. Denn damit würden sich unsere Trainingsbedingungen sehr verschlechtern. Was das Wetter betrifft, müssen wir vier bis fünf Monate im Jahr in der Halle trainieren, weil es hier oben im Norden sehr kalt wird. In der Saison fliegen wir aber fast jedes Wochenende in den Süden, haben dort Wettkämpfe oder trainieren. Insgesamt bietet uns die Schule also sehr gute Bedingungen.

Wie oft trainieren Sie aktuell pro Woche?

Luca Wieland:

In den Wochen, in denen wir hart arbeiten, trainiere ich bis zu zehn Mal. Sonntags müssen wir aus legalen Gründen aber immer frei haben. Das ist die Regel der NCAA.

Und wann steht Ihr nächster Heimaturlaub in Deutschland an?

Luca Wieland:

Wahrscheinlich nach der Feiluftsaison direkt nach den Landesmeisterschaften Mitte Juni. Ich werde dann die Zeit bis Anfang August in Deutschland verbringen und mein Familie besuchen. Danach wird mich meine Familie in den USA besuchen, und wir machen hier gemeinsam Urlaub.

Sind für die Zeit in Deutschland auch Wettkämpfe geplant?

Luca Wieland:

Ich nutze die Zeit wahrscheinlich nur zum Trainieren. Das ist ganz gut, um weiter an meinen Wurfdisziplinen und der Ausdauer zu arbeiten. Wettkämpfe werde ich vermutlich keine machen, weil die Saison sehr lang ist für mich. Wir starten ja schon im Januar und enden dann im Juni. Da brauche ich den restlichen Sommer zum Ausruhen. Mein Höhepunkt sind dieses Jahr die Landesmeisterschaften. Da anschließend keine so wichtigen Wettkämpfe anstehen, die ich mitmachen müsste, denke ich, dass ich mir den Sommer frei nehme. Vielleicht kann ich ja dann im nächsten Jahr einen Versuch starten, zu den Olympischen Spielen zu kommen.

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