| Interview der Woche

Kristin Gierisch: "Der Sprung meines Lebens fehlt noch"

Ein deutscher Rekord zum Saisoneinstieg – mit dieser einmaligen Leistung hat Kristin Gierisch (LAC Erdgas Chemnitz) am Sonntag das Publikum beim 20. Springer-Meeting in Garbsen begeistert und damit auch sich selbst überrascht. Im Interview spricht die 28-Jährige über ihren Rekord-Sprung auf 14,61 Meter, weitere Ziele und besondere Motivation.
Birte Grote

Kristin Gierisch, herzlichen Glückwunsch zum neuen deutschen Rekord! Wie ging es Ihnen vor dem Wettkampf? Hatten Sie damit gerechnet, dass so etwas heute möglich ist?

Kristin Gierisch:

Ich bin immer extrem aufgeregt vor dem Saisoneinstieg. Man weiß ja nicht, was man kann, und überlegt ständig: Ist man gut drauf, kann man das Gelernte vom Training umsetzen? Deswegen ist das immer so eine kleine Lotterie. Ich hab mir heute morgen einfach die Zeit genommen und war alleine draußen spazieren. Aber dass es jetzt mit dem deutschen Rekord klappt, da bin ich ganz ehrlich, hätte ich nie gedacht. Auf gar keinen Fall. Ich hatte mir zirka 14,40 Meter erhofft.

Wie hat sich der Sprung angefühlt?

Kristin Gierisch:

Es waren weitere weite Sprünge dabei. Aber technisch hat heute noch nicht alles geklappt. Der Sprung auf 14,61 Meter war, glaube ich, schon ganz gut. Aber es fehlen immer noch Kleinigkeiten. Dass man in der Grube sagt: 'Ja, das war der Sprung meines Lebens', das fehlt noch.

Was bedeutet Ihnen der Rekord?

Kristin Gierisch:

Alles! Ich hab mal gesagt, ich möchte einmal in meiner Karriere 15 Meter weit springen und beide deutschen Rekorde haben. Die Rekorde habe ich mir jetzt schon erfüllen können, ob ich mir die 15 Meter gelingen werden, weiß ich nicht.

Eine internationale Medaille war sicherlich auch mal ein Ziel, das Sie schon erreicht haben ...

Kristin Gierisch:

Genau, ich hab nach den Europameisterschaften in Berlin gesagt: Wenn ich wegen einer Verletzung mal meine Karriere beenden müsste, dann könnte ich das mit einem lachendem Auge tun. Das Erlebnis von Berlin hat mich unendlich befreit.

Welche Ziele verfolgen Sie jetzt? Müssen Sie sich erstmal neu ordnen?

Kristin Gierisch:

Ja, eigentlich habe ich gesagt, dass ich zum Ende der Saison den deutschen Rekord will. Jetzt ist gerade erst der Anfang und ich habe ihn schon. Aber jetzt kann ich mein nächstes Ziel einfach höher stecken und genauso weiter machen. Ich hab einfach aufgehört, mir Barrieren zu schaffen. Wieso sollte ich keine 15 Meter weit springen können? Ich versuche es einfach. In zwei Wochen geht es schon mit dem nächsten Wettkampf in Oslo weiter. Bis dahin feilen wir weiter an der Technik.

Welchen Anteil an den Erfolgen hat Ihr Trainingsumfeld in Chemnitz mit starken Trainingspartnern und einem Trainer, der Sie genau kennt?

Kristin Gierisch:

Mein Umfeld ist perfekt. Ich bin momentan so glücklich. Maria Purtsa ist zum Beispiel sicherlich ein Grund, warum ich so gut geworden bin. Vielleicht können einige das gar nicht so einschätzen und denken: 'Sie trainiert mit einer 13,50-Meter-Springerin zusammen.' Aber sie motiviert mich ungemein und tut mir unheimlich gut. Und mein Trainer Harry Marusch bedeutet mir einfach alles. Er ist wie mein zweiter Vater. Ich habe so viele Tage mit ihm verbracht, wie mit niemand anderem. Das ist einfach schon Familie. Es gab Höhen und Tiefen, schließlich hat er meine gesamte Pubertät mitgemacht. Ich hab ihm mein Leben, so wie es jetzt ist, zu verdanken, denn ohne ihn hätte ich es nie so weit geschafft. Auch die Zusammenarbeit mit meiner Psychologin Tanja Damaske hat mich mental sehr stark gemacht. Mich kann mittlerweile gar nichts mehr aus der Ruhe bringen.

Im vergangenen Jahr haben Sie sich ebenfalls hier in Garbsen nach einer Verletzung mit einer richtig starken Leistung zurückgemeldet. Sie sind schon das zehnte Mal hier dabei. Ist das Meeting ein gutes Pflaster für Sie?

Kristin Gierisch:

Ich bin ein sehr familiärer Mensch und genau diese Atmosphäre hat man bei diesen kleinen Meetings. Ich liebe es, innerhalb von Deutschland zu springen. Man muss nicht immer für gute Wettkämpfe ins Ausland fahren. Die Leichtathletik hat es nicht einfach und es sterben so viele, tolle Meetings, die mit viel Liebe organisiert werden. Ich versuche durch mein Auftreten einfach, ein bisschen was zurückzugeben.

Während des Wettkampfes waren Sie auch beim DJ, um sich für ihre Sprünge mit der richtigen Musik einzustimmen.

Kristin Gierisch:

Die Musik von Kontra K pusht mich sehr und gibt mir unheimlich viel Selbstvertrauen. Das höre ich auch beim Training, wenn mal gar nichts geht oder ich auch einfach mal keinen Bock habe. Das kommt ja auch mal vor. Dann kann ich gut an meine Ziele denken und bin wieder bereit, alles dafür zu geben.

Welche Rolle für Ihre starke Form spielt die Umstellung Ihrer Sprungfolge?

Kristin Gierisch:

So hatte ich mit dem Dreisprung eigentlich angefangen. 2007 bin ich noch mit links-links-rechts gestartet. Aber dann hatte man einfach so einen Stereotypen entwickelt und es ging nicht mehr weiter, sodass wir 2009 auf rechts gewechselt haben. Ich hab nach der EM in Berlin gesagt, dass ich eine neue Motivation brauche. Mein Trainer hat dann im November gesagt, dass wir einfach mal die Seite wechseln können, um neue Reize zu setzen. Das hat gleich so gut funktioniert, dass wir beschlossen haben, wir wechseln wieder. Ich bin da wie ein Roboter. Wenn mein Trainer sagt: 'Spring mit dem anderen Fuß', dann mache ich das einfach und denke ich da nicht drüber nach.

Mehr:
<link news:69758>Deutscher Dreisprung-Rekord für Kristin Gierisch

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