In unserer Reihe „Ein Tag mit…“ stellen wir regelmäßig deutsche Topathleten in ihrem Alltag zwischen Spitzensport, Ausbildung, Studium oder Beruf vor. Dieses Mal gibt’s ein Special: Wir haben das deutsche TopTeam ins Trainingslager in Stellenbosch (Südafrika) begleitet und zeigen euch, wie Deutschlands Olympia-Hoffnungen gemeinsam mit dem DLV-Kompetenzteam die Grundlagen für eine erfolgreiche Saison 2015 gelegt haben.
<link news:38146>Ein Tag mit... dem DLV-TopTeam in Südafrika (II)
7:30 Uhr
Die ersten Athleten versammeln sich am Frühstücksbüffet. Wer mit offenen Vorhängen schläft, dem fällt das frühe Aufstehen nicht schwer, denn in Stellenbosch geht die Sonne schon um 5:30 Uhr auf. Trotzdem ist vielen die Müdigkeit noch anzusehen, denn ihnen stecken anstrengende Trainingstage in den Knochen.
Der beste Muntermacher: frische Erdbeeren von den Erdbeerfeldern rings um Stellenbosch, die sich die Athleten zuhauf auf die Teller schaufeln. Das Panorama trägt sein Übriges zu einem guten Start in den Tag bei: Der Frühstücksraum des Protea-Hotels liegt am Hang mit Blick auf Weinberge und ein Bergmassiv. Wer Lust hat, speist auf der Terrasse, ansonsten lassen bodentiefe Fenster einen weitläufigen Blick über die Landschaft zu.
9:00 Uhr
Das Universitätsstadion von Stellenbosch füllt sich langsam. Die Ersten sind meist die Physiotherapeuten, die ihre Massagebänke in den Katakomben der Tribüne oder in deren Schatten aufbauen. Von morgens früh bis abends spät stehen sie den Athleten zur Verfügung, sowohl im Stadion als auch im Kraftraum und in zwei eigens für die Physiotherapie eingerichteten Räumen im Hotel.
„Wenn wir sagen, wir fahren nach Südafrika ins Trainingslager, dann sagen alle: Oh, toll, Urlaub“, lacht die Berliner Physiotherapeutin Ute Schwering. Denen erzähle sie dann erst einmal von dem Arbeitspensum und davon, dass sie für die Einsätze oft ihren gesamten Jahresurlaub aufspart. Wer wie Patrick Pfingsten (Hannover) oder Thomas Ring (Leizpig) eine eigene Praxis hat, muss während des Dienstausfalls für Ersatz sorgen. Wegen des Geldes macht keiner der Physiotherapeuten den Job – alle sind mit Leib und Seele dabei, und die Athleten kommen nicht nur wegen der Behandlung gerne zu ihnen, sondern auch, weil bei den Physios immer gute Laune herrscht.
Heute machen im Stadion die Mehrkämpfer den Auftakt. Kugelstoßen steht auf dem Programm, und da haben sie echte Spezialisten an ihrer Seite: Bundestrainer Sven Lang übt mit Frankfurts Siebenkämpferinnen Carolin Schäfer und Claudia Rath. Der ehemalige Kugelstoß- und Diskus-Bundestrainer Werner Goldmann gibt den Ulmer Zehnkämpfern Arthur Abele, Mathias Brugger und Tim Nowak Tipps. „Bei Caro sieht das jetzt schon richtig gut aus“, lobt Sven Lang. Gute Voraussetzungen für die Hallen-EM in Prag (Tschechische Republik), mit der die EM-Vierte fest plant. Claudia Rath, nach den Problemen mit der Patellasehne noch mit Trainingsrückstand und ohnehin kein Fan vom Kugelstoßen, hat noch Nachholbedarf. Sie gibt sich Zeit bis zum Sommer, um wieder Wettkämpfe zu bestreiten.
9:30 Uhr
An der Stabhochsprung-Anlage herrscht mittlerweile reges Treiben. Insgesamt neun Stabhochspringer und fünf Coaches nehmen hier zu unterschiedlichen Zeiten Anlauf. Vize-Hallen-Weltmeister Malte Mohr (TV Wattenscheid 01) und EM-Finalist Tobias Scherbarth (TSV Bayer 04 Leverkusen) machen den Anfang. „Tobi, darf ich was sagen?“ fragt Chauncey Johnson, eigentlich Trainer von Malte Mohr. „Der erste Schritt…“ – „Ja, ich weiß, aber wenn ich anfange darüber nachzudenken, dann wird mein Lauf…“ – „Noch besser!“ Die deutschen Stabis sind ein eingespieltes Team, der Austausch zwischen Trainern und Athleten läuft gut.
Wenig später gesellt sich Bundestrainer Jörn Elberding mit Martina Strutz (noch SC Neubrandenburg) zu der Truppe. Die 33-Jährige hat zwei verletzungsgeplagte Jahre hinter sich, aber in Stellenbosch macht sie einen starken Eindruck. Vielumjubelt fliegt sie mit zwölf Schritten Anlauf über die Zauberschnur und ballt die Faust – die Hallensaison kann kommen!
10:00 Uhr
Die Leverkusener Werfergruppe um Trainer Helge Zöllkau hat sich im Kraftraum versammelt, der direkt hinter dem Stadion mit einem kurzen Fußweg zu erreichen ist. Die EM-Dritte im Speerwerfen Linda Stahl, Disziplinkollegin Katharina Molitor und die EM-Vierte im Hammerwurf Kathrin Klaas (LG Eintracht Frankfurt) simulieren mit Hilfsmitteln wie Hantelstangen oder Gewichten Phasen der Wurfbewegung. "Katharina, tiefer!“ korrigiert Helge Zöllkau. „Linda, Ferse mehr eindrehen!“ Auch Till Wöschler stemmt Gewichte. Der ehemalige U20-Weltmeister und U23-Europameister will nach langwierigen Verletzungsproblemen in Leverkusen zurück zu alter Form finden.
Im Raum nebenan schuftet der Weltmeister. Kugelstoßer David Storl (LAC Erdgas Chemnitz) muss nach seiner Knie-OP noch vorsichtig sein, viele Übungen sind aber schon wieder kein Problem mehr und er macht rasante Fortschritte. Während sein Trainer Sven Lang draußen mit den Siebenkämpferinnen arbeitet, hat er im Kraftraum Eberhard Deutscher bei sich. Der ehemalige Gewichtheber, einst Trainer vieler deutscher Topathleten und heute Trainingswissenschaftler am Olympiastützpunkt Berlin, bringt sich als Experte in das Krafttraining der deutschen Leichtathleten ein, gibt Anregungen und Verbesserungsvorschläge. Dieses Angebot nutzt auch Dreispringerin Jenny Elbe: "Machen wir heute wieder ein bisschen Reißen?" fragt die Dresdnerin Eberhard Deutscher.
11:00 Uhr
Das Stadion hat sich gut gefüllt, die ersten Athleten sind bereits fertig mit der ersten Einheit des Tages. Bei den Physiotherapeuten herrscht großer Andrang, alle drei Bänke sind belegt, wer behandelt werden will muss Wartezeit in Kauf nehmen. Sitzungen im Hotel können besser geplant werden, die Athleten können hier ihre Terminwünsche in eine Liste eintragen oder im Vorfeld mit den Therapeuten abstimmen.
Auf der Gegengeraden machen die Sprinter Startübungen. Viele von ihnen trainieren unter Bundestrainer Ronald Stein in einer Mehrfach-Periodisierung und spulen derzeit ein Programm ab, das in der Intensität schon Wettkämpfen nahekommt. Drei Tage lang hat sie in Stellenbosch ein Kamerateam bei ihrem Training und bei Freizeit-Aktivitäten begleitet– auch bei einem Besuch auf einer Geparden-Farm, die sich Aleixo Platini-Menga (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Sven Knipphals (VfL Wolfsburg) angesehen haben. Der Beitrag wird Anfang des kommenden Jahres im Rahmen der N24-Reihe „Vision Gold“, produziert von Schmidt Media, zu sehen sein.
11:30 Uhr
Am Rande des Geschehens nutzt DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska die Zeit zu einem Gespräch mit dem Leitenden DLV-Verbandspsychologen Dr. Michael Gutmann. Dieser ist gemeinsam mit Psychologin Tanja Damaske für die mentale Fitness der Athleten zuständig – wenn diese das Angebot annehmen möchten. Und das scheint der Fall, denn man sieht sie regelmäßig inmitten der Sportler oder in Einzelgespräche vertieft. Ex-Speerwerferin Tanja Damaske schließt sich dabei hin und wieder selbst einer Trainingseinheit an.
Dreispringerin Kristin Gierisch (LAC Erdgas Chemnitz) sprintet mit Gewichten über die Laufbahn. Die Zweibrücker Stabhochspringer Daniel Clemens, Raphael Holzdeppe und Kristina Gadschiew haben sich auf einer Anhöhe am Stadionrand eine Reckstange gesucht und schwingen die Beine wie bei der Aufroll-Bewegung nach dem Absprung nach oben.
12:00 Uhr
Jörn Elberding ist in der Zwischenzeit mit seinem Heimathleten und EM-Teilnehmer Karsten Dilla (TSV Bayer 04 Leverkusen) im Kraftraum. „Willst du mitmachen?“ rufen sie der Reporterin zu, die dankend ablehnt. Nach der Trainingseinheit verzieht sich Karsten Dilla noch für einige Minuten ins Kältebecken, das sich in demselben Gebäudekomplex befindet wie der Kraftraum. Jörn Elberding nimmt sich Zeit, Fragen zur aktuellen Konstellation im deutschen Stabhochsprung zu beantworten. Im Mietauto geht’s anschließend in einer rund zehnminütigen Fahrt zurück zum Hotel Protea.
12:30 Uhr
Einige Athleten und Trainer suchen an diesem Tag die Abwechslung und sind zum Essen in Stellenbosch geblieben. Viele kenne sich dort bereits bestens aus, unter ihnen Zehnkämpfer Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied), Hochspringer Raúl Spank (LG Nord Berlin) und Sprinter Lucas Jakubczyk (SCC Berlin), die schon häufiger mit Trainer Rainer Pottel in Stellenbosch trainiert haben. Die Stabhochspringer speisen an diesem Tag wie die meisten im Hotelrestaurant Wingerd, in dem das Mittagsbüffet serviert wird.
Nach dem Mittagessen ziehen sich die Sportler zurück. Einige entspannen unter einem der Sonnenschirme am Pool, die meisten allerdings verkriechen sich in ihre Zimmer und gönnen sich eine Stunde Schlaf, bevor am Nachmittag die nächste Trainingseinheit ansteht.
Vom Nachmittagstraining, dem Kampf mit dem südafrikanischen Sturm und einem gemeinsamen Abendessen im Weingut lesen Sie in Teil 2 der Reportage:
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