Die ersten DLV-Normen sind abgehakt. Die Jagd nach den Qualifikationsleistungen für die internationalen Meisterschaften 2015 ist eröffnet. Wer darf zur U18-WM, wer zur U20-EM, wer zur U23-EM und wer zur WM fahren? Darüber entscheidet der Bundesausschuss Leistungssport des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) mittels seiner Nominierungsrichtlinien. Aber was steckt eigentlich alles hinter so einer Norm?
Für viele Athleten ist es ein Traum, bei internationalen Meisterschaften zu starten und das DLV-Trikot überzustreifen. Beim Nachwuchs fängt es mit der U18-WM, dieses Jahr in Cali (Kolumbien; 15. bis 19. Juli), und der U20-EM, 2015 in Eskilstuna (Schweden; 16. bis 19. Juli), an. Wer ins exotische Kolumbien will, muss als männlicher Nachwuchsathlet die 100 Meter in 10,75 Sekunden zurücklegen, für die Fahrt nach Schweden liegt die DLV-Norm bei 10,60 Sekunden.
Welcher Leistungsanstieg ist von einem Sprinter dann verlangt für die U23-EM in Tallinn (Estland; 9. bis 12. Juli)? Im Anschlussbereich müssen 10,42 Sekunden her. Und für die WM bei den Aktiven in Peking (China; 22. bis 30. August) ist schließlich eine Zeit von 10,16 Sekunden Voraussetzung. Plus die Durchsetzung gegen die nationale Konkurrenz. Denn: die Anzahl der Startplätze ist beschränkt. Wer also kontinuierlich das Nationaltrikot von Nike tragen will, kann sich diese Entwicklung als Ziel setzen und in Schritten ausmalen.
Immer der Norm nach
Der Weg einer Speerwerferin auf internationales Parkett sieht so aus: Zur Normerfüllung für die U18-WM 49,50 Meter, für die U20-EM 51,00 Meter, für die U23-EM 54,00 Meter und nach Peking geht es erst mit mindestens 61,50 Metern. „Die internationalen Nachwuchsmeisterschaften und insbesondere die U23-Europameisterschaften sind in diesem Kontext zur Neuformierung der A-Nationalmannschaft und zur Absicherung eines langfristigen Leistungsaufbaus talentierter Nachwuchsathleten zu verstehen“, beschreibt DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen den Plan.
Für die Normen aller Altersklassen gilt grundsätzlich das Prinzip der erweiterten Finalfähigkeit. Das bedeutet: Mit dieser Normleistung und einer hohen Stabilität in diesem Leistungsbereich im Saisonverlauf besteht die Chance für den Athleten, sich unter den Top zwölf beim internationalen Höhepunkt zu platzieren. Der Sprung von 54,00 Meter auf 61,50 Meter im Beispiel der Speerwerferin ist ein großer. Und erklärt sich daraus, dass sich die Konkurrenzsituation auf dem Weg nach oben verschärft und Peking eben eine Weltmeisterschaft ist.
„Erhöhte Steigerungen oder Anstiege in einzelnen Disziplinen von der U20 über die U23 bis hin zum Aktiven-Bereich sind daher immer als Anpassung an den internationalen Maßstab zu verstehen“, erklärt Kurschilgen. Viele DLV-Athleten haben diese Etappen in den vergangenen Jahren gemeistert. Bei der EM in Zürich, waren mehr als 40 Prozent der gestarteten Aktiven 23 Jahre und jünger.
Statistische Berechnungen
Wie wird so eine Norm berechnet? Alle Normen werden auf der Basis umfangreicher statistischer Materialien und der Ausarbeitungen des DLV-Cheftrainers Idriss Gonschinska entwickelt. Für die Nachwuchsmeisterschaften der U20 und U18 gestaltet es sich allerdings schwieriger auf ausreichendes Datenmaterial zurückzugreifen.
Die für eine bestimmte Meisterschaft verlangten Leistungen sind über alle Disziplinen hinweg, gemessen am internationalen Maßstab, über die Jahre ausgewogen und vergleichbar. Das heißt, es ist nicht schwieriger geworden, sich für die WM in Peking (China; 22. bis 30. August) zu qualifizieren als für die in Moskau (Russland).
Schaut man in die Listen von 2013 und 2015, dann hat sich bis auf einen Zentimeter hier und ein Hundertstel da, kaum etwas an den Anforderungen des DLV geändert. Die Normen zeigen das, dass Leistungsniveau im Weltmaßstab in dieser Zeitspanne nahezu konstant geblieben ist.
Weltbestenliste und Seasons Best ausschlaggebend
Was ist das ausschlaggebende Kriterium für die Höhe der Aktiven-Normen für Peking? „Unter Berücksichtigung der Weltbestenliste der zurückliegenden drei Jahre werden unsere Normen festgelegt“, erklärt der Sportdirektor. Ebenso fließen die erzielten Bestleistungen der Athleten im Nominierungszeitraum, die es bei den zurückliegenden Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen in die erweiterten Finals geschafft haben, in die Bewertung ein.
Der Nominierungszeitraum ist in Abhängigkeit der Disziplin-Spezifik unterschiedlich geregelt, beginnt aber überwiegend im April und endet ein paar Wochen vor dem jeweiligen Highlight im Sommer, um das es geht. Neben den USA, Russland, Großbritannien und Frankreich nominiert der DLV immer die größten Mannschaften für internationale Meisterschaften. Deutschland gehört seit 2009 stets zu den besten fünf Nationen der Welt.
Im Auswahlprozess verfolgt DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen das Geschehen mit Besuchen bei nationalen und internationalen Wettkämpfen rund um das Top Team und Junior Elite Team. Mit Idriss Gonschinska, der für die Führung der Kader und der Nationalmannschaften verantwortlich ist, steht er in regelmäßigem Austausch. Die Qualifikations-Wettkämpfe sind festgelegt, die Jagd auf Normen kann also losgehen.