Völlig unverhofft gewann Alexander Gladitz (LG Hannover) Ende Februar den Deutschen Hallenmeistertitel über 400 Meter. Seinen Hausrekord verbesserte er in diesem Winter gleich um anderthalb Sekunden. Bei der Hallen-EM in Prag startet der 20-Jährige trotz knapp verpasster Norm zum ersten Mal bei den Männern im Nationaltrikot und will das in ihn gesetzte Vertrauen mit einer erneuten Leistungssteigerung zurückzahlen.
Bis vor Kurzem war Alexander Gladitz noch Lebemann, nicht Leistungssportler. Abends ging er mit seinen Freunden feiern, dazu war er häufiger Gast in Fastfood-Restaurants. Das reichte zwar, um schnellster Niedersachse zu sein und sich vor zwei Jahren außerdem für das deutsche 4x400-Meter-Quartett bei der U20-EM in Rieti (Italien) zu qualifizieren, doch von der nationalen Spitze war der Viertelmeiler von der LG Hannover meilenweit entfernt.
Mittlerweile aber hat er seine Einstellung zum Leistungssport geändert. Partys besucht er heute nur noch selten, seine volle Konzentration gilt inzwischen der Leichtathletik. Das Ergebnis: Bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe gewann der 20-Jährige unlängst den Titel über 400 Meter. Und am Wochenende startet er nun trotz um drei Hundertstel verpasster Norm (46,85 sec) bei der Hallen-EM in Prag (Tschechische Republik). Beides dürfte ihm den Verzicht in seiner Freizeit versüßt haben.
Hallensaison stand auf der Kippe
So richtig begreifen kann Alexander Gladitz seinen Gold-Coup in der Karlsruher Messehalle aber auch anderthalb Wochen später noch nicht. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich jetzt schon so schnell laufen kann“, sagt er. Eigentlich hatte er gar keine Hallensaison machen wollen, nachdem er im Dezember vier Wochen lang wegen einer Nasennebenhöhlenentzündung überhaupt nicht trainieren konnte.
Dann aber startete er Mitte Januar bei einem Sportfest in Berlin mit einer Bestzeit über 150 Meter (16,24 sec) in den Winter, gefolgt von einer Steigerung auch über 200 Meter (21,36 sec) bei den Landesmeisterschaften in Hannover und einem neuen Hausrekord über die Viertelmeile (47,38 sec) im Rahmen der Norddeutschen Meisterschaften in Berlin.
In Karlsruhe verbesserte er diese Zeit schon im DM-Vorlauf auf 47,20 Sekunden, um sie dann im Finale weiter auf 46,88 Sekunden zu drücken – anderthalb Sekunden flotter als seine alte Winterbestleistung aus dem vergangenen Jahr und immer noch vier Zehntel unter seiner schnellsten Zeit aus dem Sommer. Die DLV-Norm für die Hallen-EM (46,85 sec) verpasste er nur knapp.
Nervös vor dem Finale
„Vor dem Finale war ich ziemlich aufgeregt. Ich habe mich nicht gut gefühlt“, berichtet Alexander Gladitz. Trainer Edgar Eisenkolb redete ihm jedoch gut zu. Er habe nichts zu verlieren, der Druck liege bei den beiden EM-Startern Thomas Schneider (SC Magdeburg) und Miguel Rigau (LT DSHS Köln).
Eisenkolbs Worte wirkten Wunder. Als Führender ging Gladitz nach 21,72 Sekunden in die zweite Runde und gab die Spitzenposition danach nicht mehr ab, auch wenn Schneider (46,96 sec) auf der Zielgeraden noch einmal stark aufkam. „Ich hatte das Glück, dass Miguel Rigau noch zwischen uns war und Thomas Schneider deshalb einen etwas weiteren Weg hatte“, so der Deutsche Meister.
Erste Gratulantin war anschließend Ruth Sophia Spelmeyer (VfL Oldenburg), die wenige Minuten zuvor ebenfalls Gold über 400 Meter geholt hatte. „Das hat mich zusätzlich motiviert“, sagt Gladitz. Die beiden Titelträger trainieren zusammen in einer Gruppe, zu der auch noch Hürdenspezialistin Anna Raukuc (LG Hannover) gehört, die Sechste der Hallen-DM über 400 Meter.
Schnelligkeit auf Unterdistanzen verbessert
Woran liegt es, dass Alexander Gladitz trotz der schwierigen Vorbereitung in diesem Winter derart schnell unterwegs war? „Der entscheidende Faktor war die gute Entwicklung im Schnelligkeitsbereich“, erklärt er. Auf den Unterdistanzen stellte der Hannoveraner gleich mehrere Bestleistungen auf, so auch über 200 Meter. Eigentlich laufe er diese Strecke viel lieber als die Viertelmeile, erzählt er, „weil es nicht so wehtut.“ Er habe jedoch einsehen müssen, dass aus ihm kein Kurzsprinter mehr werden wird: „Ich komme einfach zu langsam aus den Blöcken.“
Der angehende Speditionskaufmann fing im Alter von sechs Jahren beim TSV Bernerode mit der Leichtathletik an. Sein Vater hatte damals gerade mit dem Lauftraining begonnen und Alexander Gladitz wollte ihn am liebsten beim Joggen begleiten. „Ich war aber noch zu klein, deshalb hat er mich in den Leichtathletik-Verein gesteckt“, erzählt er. Mit 15 wechselte er zur LG Hannover. Als Schüler lief er im Wettkampf am liebsten 300 Meter, „weil ich für die kürzeren Sprintstrecken zu schmächtig war“. Bis zu den 400 Metern war es dann nur noch ein kleiner Schritt.
Neue Bestzeit in Prag
Im Sommer will sich Alexander Gladitz für die U23-EM in Tallinn (Estland) qualifizieren und dort dann ins Finale. „Das ist das Hauptziel“, sagt er. 46,60 Sekunden sind dafür gefordert, Zeiten von 46,50 Sekunden und schneller hält der Mann von der LG Hannover nach den jüngsten Leistungssteigerungen für realistisch. Damit würde er auch den Richtwert für die Aufnahme in den DLV-Bundeskader erfüllen, dem der aktuelle Deutsche Hallenmeister bislang nämlich nicht angehört.
Ein zweites Ziel ist das Erreichen des Endlaufs bei den Deutschen Meisterschaften. Das mag für einen Erstplatzierten aus dem Winter nach falscher Bescheidenheit klingen, doch Alexander Gladitz ist sich sehr wohl bewusst, dass er die Leistungen aus der Halle draußen zunächst einmal bestätigen muss. Hinzu kommt, dass im Sommer wieder alle 400-Meter-Asse am Start sein werden, nachdem einige von ihnen – allen voran EM-Finalist Kamghe Gaba (LG Stadtwerke München) – zuletzt pausiert hatten.„Trotzdem will ich mich als Hallenmeister natürlich nicht unter Wert verkaufen“, so Gladitz.
Gleiches gilt für die Hallen-EM am Wochenende. „Ich möchte Erfahrung sammeln und persönliche Bestleistung laufen. Am liebsten würde ich unter der Norm von 46,85 Sekunden bleiben, um meine Nominierung noch einmal zu rechtfertigen“, sagt Gladitz. Eigentlich hatte er nach den Deutschen Hallenmeisterschaften eine Woche in Urlaub fahren wollen, um danach ins Aufbautraining einzusteigen. Stattdessen startet er nun zum ersten Mal bei den Aktiven im Nationaltrikot. Eine akzeptable Alternative. „Lieber Prag als Urlaub“, sagt Gladitz.
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